Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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2–4 gelten für Jugendliche und für Heranwachsende, die nach Jugendstrafrecht verurteilt werden (§ 105). In diesen Fällen gelten sie auch in Verfahren vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 104 Abs. 1 Nr. 1, § 112). Sie ermöglichen in Fällen schwerster Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung sowie in Fällen von Raub- oder Erpressungstaten mit Todesfolge auch bei einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht die Sicherungsverwahrung nach dem Jugendstrafvollzug oder nach einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nachträglich anzuordnen. Eine Übergangsregelung für die Fälle, in denen die Anlasstaten vor dem Inkrafttreten der jetzigen Vorschriften über die Sicherungsverwahrung am 1.6.2013 (BGBl. I 2012, S. 2425 ff.) begangen wurden („Altfälle“), enthält Art. 316f EGStGB (s. unten Rn. 49).

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      Die Vorschrift erfasst grundsätzlich auch Ersttäter ohne einschlägige Vorverurteilung (s. amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07, S. 10). Dies ergibt sich nach der Neuregelung (Rn. 26) insbesondere auch daraus, dass der Gesetzgeber in Abs. 2 Satz 2 von einer Gesamtwürdigung seiner „Tat“ oder seiner Taten spricht (vgl. auch amtl. Begr. zu dem insoweit wortgleichen § 66a Abs. 3 Satz 2 StGB, BT-Drucks. 17/3403, S. 30). Der eindeutige Gesetzeswortlaut und der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers verbieten damit Auslegungsversuche dahin, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen insbesondere mit Blick auf die Prognosesicherheit eine Vorverurteilung erfolgt sein muss. Eine solche Auslegung wäre im Hinblick auf den Beginn der Strafmündigkeit (14 Jahre) auch sachlich abwegig.

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      Mit dem durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5.12.2014 (BGBl. I, S. 2425) eingeführten Abs. 2 wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung im früheren Abs. 2, die nach vorheriger Jugendstrafe ohne Vorbehalt im Urteil angeordnet werden konnte (G. v. 8.7.2008 (BGBl. I, S. 1212), abgeschafft und stattdessen die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung eingeführt. Anlass war die Entscheidung des BVerfG vom 4.11.2011 – 2 BvR 2365/09 u.a. (BGBl I, S. 1003), mit der die vorangegangene Regelung für verfassungswidrig erklärt wurde (s. hierzu die Erläuterungen im Ergänzungsblatt zur 6. Auflage dieses Kommentars). Zum Urteil des BVerfG vom 4.11.2011 zur Sicherungsverwahrung (s. vorstehend) s. auch Bartsch ZJJ 2013, 182 ff.; Eisenberg StV 2011, 480 ff.; Peglau NJW 2011, 1924 ff.; Schöch GA 2012, 14 ff. Zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung s. etwa Renzikowski NJW 2013, 1638 ff. Dem Abstandsgebot ist nunmehr durch § 66c StGB Rechnung getragen, auf den in Abs. 3 Satz 5 verwiesen wird.

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      Am Institut der Sicherungsverwahrung an sich im Jugendstrafrecht hat der Gesetzgeber jedoch festgehalten. Anlass dazu waren die schon bei der Einführung der Sicherungsverwahrung im JGG bekannt gewordenen gravierenden Fälle, in denen nach Einschätzung von Gutachtern und Justiz auch nach Verbüßung einer mehrjährigen Jugendstrafe von einer entsprechenden hohen künftigen Gefährlichkeit für andere auszugehen war, das frühere Recht jedoch für schuldfähige Verurteilte keine Rechtsgrundlage dafür bot, sie zum Schutz der Allgemeinheit weiterhin in staatlichem Gewahrsam zu belassen (amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07, S. 5). Mit der Neuregelung sollten den genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben, aber auch den im Urteil des EGMR vom 17.12.2009 (Beschwerde Nr. 19259/04, M. ./. Deutschland = NJW 2010, 2495) angesprochenen konventionsrechtlichen Bedenken (s. hierzu eingehend Rn. 29 ff. der Vorauflage m. zahlr. N.) Rechnung getragen werden (s. hierzu auch Drenkhahn ZJJ 2017, 176). Zur Vereinbarkeit der Neuregelung mit der EMRK s. auch EGMR (V. Sektion), Urt. v. 7.1.2016 – 23279/14 (Bergmann/Deutschland) = NJW 2017, 1007.

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      Auf außergewöhnliche Ausnahmefälle, in denen der Schutzauftrag des Staates gegenüber potenziellen Opfern eine Freilassung des Täters verbietet (amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07, S. 6 f.; BT-Drucks. 17/9874 S. 11), soll die neue Maßregel nach den Vorstellungen des Gesetzgebers beschränkt sein. Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollte dadurch Rechnung getragen werden, dass die Maßnahme an deutlich strengere Voraussetzungen geknüpft ist als die Sicherungsverwahrung im allgemeinen Strafrecht. So ist der Katalog der Anlasstaten noch enger auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt. Nicht nur die Anlasstat sondern auch die zu erwartenden künftigen Straftaten müssen einschlägige schwere Verbrechen sein, die mit einer schweren seelischen oder körperlichen Schädigung oder Gefährdung des Opfers verbunden sein. Schließlich wird die Verbüßung einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verlangt und die regelmäßige Frist zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung auf sechs Monate verkürzt (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 22).

II. Vorbehalt der Sicherungsverwahrung (Absatz 2 Satz 1)

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      Ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung darf von vorne herein nur bei den in Abs. 2 gesetzlich bestimmten Straftaten ergehen. Bei den Straftaten in Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 handelt es sich um eine abschließende Aufzählung schwerster Straftaten. Neben diesem formalen Katalog schwerster Straftaten, die für die Gefährlichkeitsprognose relevant werden, müssen sich nicht nur die künftig zu erwartenden Straftaten sondern schon die Anlasstaten, die der Verurteilung zugrunde liegen, zusätzlich durch bestimmte schwere Auswirkungen auf das Opfer materiell qualifizieren. Das Opfer muss durch die zur Verurteilung gelangten Taten seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden sein. Damit scheiden Taten, die etwa nur zu einer schweren wirtschaftlichen Schädigung oder Gefährdung des Opfers geführt haben, aus.

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      Die Verurteilung, die nach der Fassung des Gesetzes auch eine erstmalige sein kann (s. Rn. 25), muss auf Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren lauten. Dieses für Jugendstrafrecht hohe Maß wurde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für erforderlich (s. Rn. 28) aber auch für ausreichend gehalten. Bei einer höheren oder gar der absoluten Grenze der Jugendstrafe wäre zu befürchten gewesen, dass die Fälle mit schwerwiegender Schädigung oder Gefährdung des Opfers in nicht ausreichendem Maß erfasst werden könnten (amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07, S. 12).

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