Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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sich auch um eine Einheitsjugendstrafe handeln. Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut „wegen oder auch wegen“ eines der genannten Verbrechen. Von ausschlaggebender Bedeutung war für den Gesetzgeber dabei, dass sich im Falle verschiedener gleichzeitig abgeurteilter Straftaten anders als bei einer Gesamtstrafe nicht zuverlässig bestimmen lässt, welche Strafe für die hinsichtlich der Sicherungsverwahrung maßgebliche Anlasstat konkret verwirkt gewesen wäre, wenngleich in diesen Fällen die Anlasstat angesichts ihrer hier vorausgesetzten Art und Qualität in der Regel auch von wesentlicher Bedeutung für die Bildung einer Einheitsjugendstrafe sein dürfte. Zudem kann selbst unter Berücksichtigung des Erfordernisses erzieherischer Erwägungen bei der Strafzumessung (§ 5 Rn. 8 ff.; § 9 Rn. 3 ff.) jedenfalls bei einer Jugendstrafe von über fünf Jahren regelmäßig davon ausgegangen werden, dass dabei auch Schuldgesichtspunkte von wesentlicher Bedeutung für die Festsetzung der Strafe waren (amtl. Begr. BR-Drucks. 551/07 S. 11). Hinzu kommt, dass das zusätzliche materielle Erfordernis der schweren Schädigung des Opfers (s. Rn. 29) es als unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass eine derart qualifizierte Katalogtat nicht auch von ausschlaggebender Bedeutung für die Bemessung der Einheitsjugendstrafe ist (amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 22 f., 23).

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      Aus den bei der Verurteilung erkennbaren Tatsachen muss sich ergeben, dass der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straften der in Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird. Eine solche kann im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Rechtsfolge (s. Rn. 27) und die damit verbundenen strengen Anforderungen an die Prognose nicht bereits dann angenommen werden, wenn (nur) überwiegende Umstände auf eine künftige Delinquenz des Verurteilten hindeuten. Es bedarf vielmehr unter Ausschöpfung der Prognosemöglichkeiten einer positiven Entscheidung über die Gefährlichkeit des Verurteilten (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 31; vgl. BVerfG NJW 2009, 980, 982; BGHR StGB § 66b Abs. 1 Satz 2 Voraussetzungen 2). Keinesfalls genügt es, wenn lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene weiterhin Straftaten der in Abs. 2 bezeichneten Art begeht (vgl. BVerfGE 109, 190, 242). Andererseits beruhen Prognosen über die Gefährlichkeit eines Verurteilten auf Wahrscheinlichkeitsfeststellungen, so dass nicht verlangt werden kann, dass zukünfige Ereignisse oder Zustände zur vollen richterlichen Überzeugung feststehen müssen, weil die Gefährlichkeit sonst immer mit dem Argument verneint werden müsste, es sei nicht ausschließbar, dass gefahrbegründende Faktoren nicht eintreten. Ein solcher Maßstab wäre rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2013, 225 m. krit. Anm. Eisenberg).

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      Ein Hang zu den genannten Anlasstaten ist nicht erforderlich (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 24 f.; a.A. Bartsch StV 2010, 521 f.; Kreuzer NStZ 2010, 473 ff., 475). Der Gesetzgeber hat dieses Merkmal ganz offensichtlich in Kenntnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BGH für das entsprechende allgemeine Strafrecht (vgl. BGHSt 50, 373, 381; 51, 191, 199; BGH StV 2008, 636 f.) nicht in den Tatbestand eingefügt (vgl. BGH NJW 2010, 1539 Rn. 24 ff.). Die Regelung in Abs. 2 stellt gezielt auf den jungen Straftäter ab, bei dem sich in dem hier in Betracht kommenden Alter ein Hang im Rechtssinne beispielsweise als „psychologische Tatsache“, als „eingeschliffener innerer Zustand“ oder als eine „fest eingewurzelte Neigung“ (Fischer § 66 Rn. 24 m.w.N. aus der Rspr.) kaum feststellen lassen wird (Seifert Gutachten zur Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 28.5.2008 zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 16/6562; ebenso Ostendorf/Bochmann ZRP 2007, 146 ff. 148; vgl. auch amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23). Soweit die Vollstreckungsregelungen des § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO i.V.m. § 67d Abs. 3 und 2 StGB, die gemäß § 82 Abs. 3 JGG auf die nach Jugendstrafrecht verhängte Sicherungsverwahrung anzuwenden sind, ausdrücklich die Feststellung eines Hanges voraussetzen, sind sie gegebenenfalls dahingehend auszulegen, dass die dann mit der Sache befasste Strafvollstreckungskammer und der Sachverständige nicht das weitere Vorliegen eines Hanges zu prüfen haben, sondern die weiterhin gegebene spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten zu Anlasstaten i.S.v. Abs. 2 (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 29).

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      Vielmehr kommt es auf die spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten im Hinblick auf die Begehung von Anlasstaten i.S.v. Abs. 2 an. Jene muss in seiner Persönlichkeit angelegt sein. Nur dadurch ist die dem gesetzgeberischen Willen entsprechende Begrenzung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung bei jungen Straftätern nach Abs. 2 auf einzelne höchstgefährliche Straftäter (vgl. BT-Drucks. 16/6562 S. 1, 7, 9) gewährleistet. Zwar kann ein Hang zu erheblichen Straftaten (sofern er feststellbar wäre) eine Indiztatsache für das Vorliegen der in Ab. 2 geforderten spezifischen Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.d. Abs. 2 darstellen (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 28; vgl. BVerfG NJW 2006, 3483, 3484; Beschl. vom 5.8.2009 – 2 BvR 2098/08 und 2 BvR 2633/08). Die spezifische Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.v. § 7 Abs. 2 JGG ist aber weiter gehend als der im früheren § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB beschriebene Hang zu erheblichen Straftaten. Denn der Katalog der Taten wurde in § 7 Abs. 2 JGG auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt, während der Hang nach dem früheren § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch schweren wirtschaftlichen Schaden umfasste (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 27 ff.).

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      Aus einer Gesamtwürdigung muss sich die im Vorstehenden beschriebene hohe Wahrscheinlichkeit ergeben. Dabei kommt es in diesem Stadium (Abs. 2 Satz 1) auf den Zeitpunkt der Verurteilung an (amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23). Da im Hinblick auf die im Vergleich zu Erwachsenen kürzere Lebensgeschichte nicht an Vorstrafen oder Haftaufenthalte angeknüpft werden kann, kann sich die Gesamtwürdigung nur auf alle bis zum Schluss der Beweisaufnahme bekannt gewordenen Umstände der Tat und in der Persönlichkeit des Täters beziehen. Nicht zuletzt deshalb sind an die Gesamtwürdigung desto höhere Anforderungen zu stellen, je näher der Angeklagte zur Zeit der Tat an der 14-Jahres-Grenze lag.

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      Sind die unter Rn. 29 ff. erläuterten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, kann die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Damit tritt die Rechtsfolge nicht von Gesetzes wegen ein, sondern steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Dieses ist deshalb zu einer über die oben genannte Gesamtwürdigung hinaus gehenden Ausübung seines Ermessens nicht nur befugt sondern auch verpflichtet, mit der Folge, dass auch diese Erwägungen im Urteil dokumentiert werden müssen und im Revisionsverfahren auf Rechtsfehler überprüfbar sind (vgl. BGHSt 55, 234 zu der insoweit vergleichbaren Regelung in § 66b StGB). Dabei

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