Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer страница 62

Автор:
Жанр:
Издательство:
Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

Скачать книгу

therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zur Verfügung stehen (§ 93a). Liegen die Voraussetzungen des § 64 StGB vor, so hat das Gericht grundsätzlich die Unterbringung anzuordnen, selbst wenn eine aus seiner Sicht geeignete Anstalt nicht gefunden werden kann (BGHSt 28, 327; BGH NStZ 1990, 102; s. § 5 Rn. 10; a.A. Ostendorf § 7 Rn. 5).

      8

      Die Anordnung nach § 64 steht im gebundenen Ermessen des Gerichts („soll“), so dass sie bei Vorliegen aller Voraussetzungen ergehen muss, wenn nicht besondere Gründe eine Ausnahme erforderlich machen. Es muss sich um therapiebezogene Ausnahmegründe handeln, um Fälle also, in denen zwar eine Erfolgsaussicht gerade noch bejaht werden kann, die Ausgangsbedingungen aber derart ungünstig sind, dass durch ein Absehen von der Unterbringung der Maßregelvollzug von einem faktisch nicht zu leistenden Therapieaufwand, der für die aussichtsreicheren Fälle die knappen Ressourcen entzöge, entlastet werden kann (BT-Drucks. 16/1344, S. 12 f.). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers kann dies der Fall sein, wenn die Verständigung mit dem Probanden nicht oder nur über einen Dolmetscher möglich, die Ausweisung des Straftäters zu erwarten oder bei diesem eine Disposition zur Begehung von Straftaten festgestellt ist, die nicht wesentlich auf den Hang zu übermäßigem Drogenkonsum, sondern auf andere oder weitere Persönlichkeitsmängel zurückzuführen ist (BT-Drucks. 16/1344, S. 12 und Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Vor diesem Hintergrund wird die bisherige Rechtsprechung des BGH, nach der mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse des Angeklagten bei der Unterbringungsanordnung außer Betracht zu bleiben haben, in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrecht zu erhalten sein (BGH StV 2008, 138).

      9

      Ein fehlender Therapieplatz in einer vorhandenen Anstalt ist danach auch nach der Änderung des § 64 in eine „Soll“-Vorschrift (Gesetz v. 16.7.2007, BGBl. I, S. 1327) kein ausreichender Grund für ein Absehen von der Unterbringung oder für einen Vorwegvollzug der Jugendstrafe entgegen § 67 Abs. 1 StGB (BGH MDR 1978, 803 [Holtz]; Beschluss v. 13.10.1981 – 1 StR 491/81; BGH NStZ 1981, 492; NStZ 1982, 132; s. auch Rn. 17). Es ist aber andererseits nicht verfassungswidrig, wenn die Vollstreckung der Jugendstrafe, die ursprünglich nach der Maßregel vollzogen werden sollte, angeordnet wird, nachdem sich herausgestellt hat, dass es an einer geeigneten Entziehungsanstalt fehlt (BVerfG JMBlNW 1977, 222). Ebenso ist es auch weiterhin rechtsfehlerhaft, von einer Unterbringung nach § 64 StGB, deren rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, abzusehen, weil das Tatgericht eine freiwillige Therapie für sinnvoll hält (ständige Rspr. des BGH, vgl. Nw. bei Detter a.a.O.). Auch hängt die für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erforderliche Erfolgsaussicht nicht alleine von der Therapiemotivation des Angeklagten ab, sondern ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit einzuschätzen (BGH 4 StR 318/07 = ZJJ 2007, 415). Zur Unzulässigkeit der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mangels Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) oder zum Abbruch einer Entziehungskur wegen Aussichtslosigkeit (§ 67d StGB) s. auch § 93a Rn. 4 und die Rechtsprechungsnachweise bei Fischer, StGB, in den entsprechenden Erläuterungen zu § 64 StGB.

      10

      Die Anordnung der Führungsaufsicht richtet sich nach § 68 Abs. 1 StGB. Der Richter hat bei der Ausübung des ihm gem. § 68 Abs. 1 StGB eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens neben den vorgenannten Grundsätzen (Rn. 2) die für die Rechtsfolgen des JGG allgemein geltenden Gesichtspunkte (§ 5 Rn. 5–10) zu beachten. Die §§ 68 bis 68g StGB gelten auch insoweit, als sie „Freiheitsstrafe“ voraussetzen (allg. M., s. etwa Brunner/Dölling § 7 Rn. 9, 10; Ostendorf § 7 Rn. 14). Dabei ist die „Freiheitsstrafe“ der Jugendstrafe gleichzustellen (allg. M.). Dies gilt insbesondere auch für die von Gesetzes wegen eintretende Führungsaufsicht nach § 68f StGB. Der automatische Eintritt von Führungsaufsicht nach Vollverbüßung einer Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, oder von mehr als einem Jahr wegen einer Tat nach § 181b StGB findet in § 7 JGG, § 68f StGB eine ausreichende gesetzliche Grundlage (BVerfG NStZ-RR 2008, 217 m. Anm. Sommerfeld NStZ 2009, 247 ff.).

      11

      Führungsaufsicht gem. § 68f StGB (der verfassungsgemäß ist, BVerfG NStZ 1981, 21 f.) tritt auch dann ein, wenn es sich bei der für die Dauer von 2 Jahren vollständig vollstreckten „Freiheitsstrafe“ i.S.v. § 68f Abs. 1 S. 1 StGB um eine einheitliche Jugendstrafe nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 handelt; dass mindestens für eine der einbezogenen Taten eine Jugendstrafe von 2 Jahren verwirkt wäre, ist nicht erforderlich (OLG München NStZ-RR 2002, 183; LG Berlin ZJJ 2008, 80; Ostendorf § 7 Rn. 14; Fischer StGB § 68f Rn. 3, 4 zur Gesamtfreiheitsstrafe; Brunner/Dölling § 7 Rn. 11; Eisenberg § 7 Rn. 66; OLG Hamm NStZ 1998, 61; OLG Karlsruhe NStZ 1981, 182; OLG Dresden NStZ-RR 2005, 153: es muss mit Sicherheit ausgeschlossen werden können, dass für eine der Straftaten weniger als zwei Jahre verhängt worden wären; LG Hamburg StV 1990, 508). Das gilt auch, wenn es sich bei einer der einbezogenen Straftaten um eine Fahrlässigkeitstat handelt (insoweit anders OLG München NStZ-RR 2002, 183). Diese hier seit jeher vertretene Auffassung hat schließlich durch die Neufassung des § 68f StGB durch Art. 1 des Gesetzes v. 13.4.2007 (BGBl. I, S. 513), mit der die Freiheits- und die Gesamtfreiheitsstrafe für die Anwendung von § 68f StGB gleichgestellt wurden, ihre Bestätigung gefunden (insoweit instruktiv LG Berlin ZJJ 2008, 80). Die bisher bestehenden Auslegungszweifel, die hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 68f StGB auf die Einheitsjugendstrafe bestanden, sind durch diese Klarstellung des Wortlauts beseitigt worden (BVerfG NStZ-RR 2008, 217). Eine besondere zusätzliche jugendstrafrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat ist gesetzlich nicht vorgesehen (s. auch Rn. 13; so offenbar aber Eisenberg Rn. 66), zumal die Anwendung von § 68f StGB mit seinen formalen Voraussetzungen der Vollstreckung von immerhin zwei Jahren Jugendstrafe bereits Taten mit besonderem Unrechts- und Schuldgehalt voraussetzt (s. auch Rn. 12), und der Entfall der Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 68f Abs. 2 angeordnet werden kann. Ist dies nicht möglich, ist die Führungsaufsicht gerade auch aus erzieherischen Gründen vom Gesetzgeber als wertvolle Weiterhilfe beim Übergang in die Freiheit (Brunner/Dölling, Rn. 11) nach § 2 Abs. 2, § 7 Abs. 1 JGG i.V.m. § 68f StGB gesetzlich zwingend vorgesehen.

      12

      Dem entspricht auch der gesetzliche Zweck der Vorschrift, zumal das Jugendstrafrecht für Tätergruppen von Jugendlichen, die eine Jugendstrafe von über 2 Jahren verbüßen, ansonsten keine Formen der nachgehenden Betreuung vorsieht (BVerfG NStZ 2008, 217, 218). Während also durch die Vorschriften über die Anordnung der Sicherungsverwahrung erreicht werden sollte, dass die Anwendung dieser Maßregel auf Fälle wirklich schwerer Kriminalität beschränkt und ihr Charakter als äußerstes Mittel der Strafrechtspflege

Скачать книгу