Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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der gesetzlichen Jahresfrist Fristen setzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

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      Mit § 119a StVollzG sieht das Gesetz eine zwingende fortlaufende gerichtliche Kontrolle derart vor, dass das zuständige Gericht innerhalb bestimmter Fristen von Amts wegen zu kontrollieren hat, ob und wie die Vollzugsbehörde während des Strafvollzus den Anforderungen des durch Abs. 3 Satz 5 in Bezug genommenen § 66c Abs. 2 StGB nachgekommen ist. Damit soll gewährleistet werden, dass das Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung oder deren Anordnung möglichst entbehrlich zu machen, nicht aus den Augen verloren wird.

VIII. Altfallregelung (§ 316f EGStGB)

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      In den Fällen, in denen die Anlasstaten vor Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung (s. Rn. 24) am 1.7.2013 begangen wurden, darf Sicherungsverwahrung nach dem JGG nur nach Maßgabe des § 316f Abs. 2 und 3 EGStGB angeordnet oder vorbehalten werden oder fortdauern. Zentrale Voraussetzungen sind danach, neben den sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen des bis zum 31.5.2013 geltenden § 7 Abs. 2 (s. dazu Rn. 24–28, 29–50 der Vorauflage), wobei auch bei dieser Prüfung schon die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09 u.a. (BGBl. I, S. 1003) im Sinne einer strikten Verhältnismäßigkeit zu beachten sind (s. dazu auch Rn. 56), das Vorliegen einer psychischen Störung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG und kumulativ einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualstraftaten infolge dieser Störung (BGHSt 58, 292 ff. = StV 2013, 767 m. Anm. Brettel). Dies entspricht der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 4.5.2011 (BGBl. I, S. 1003), wobei § 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB insoweit darüber hinausgeht, als er eine Kausalität zwischen der psychischen Störung und der genannten hochgradigen Gefahr verlangt (BGHSt 58, 292 ff., Rn. 23); Zur Rechtsprechung zu §§ 316e und 316f EGStGB für Sicherungsvewahrung nach allgemeinem Strafrecht s. etwa BGH NStZ 2014, 209; 2014, 263.

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      Mit dem Begriff psychische Störung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG knüpft der Gesetzgeber an die vom EGMR zu Art. 5 Abs. 1 S. 1 Buchst. e EMRK entwickelten Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung an (Hutchinson Reid ./. UK, Urt. vom 20.2.2003, Nr. 50272/99; Morsink ./. NL, Urt. v. 11.5.2004, v. 48865/99, beides zitiert in BT-Drucks. 17/3403, S. 53 f. In den Gesetzesmaterialien ist dazu ferner ausgeführt: „In diesem Sinne ist auch der Begriff der psychischen Störung“ in (§ 1 Abs. 1) Nummer 1 (ThUG) zu verstehen, der sich zugleich an die Begriffswahl der heute in der Psychiatrie genutzten Diagnoseklassifikationssysteme ICD-10 (Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO, 10. Revision, Kap. V) bzw. DSM-IV (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung, 4. Aufl.) anlehnt. Die Annahme einer der im ICD-10 oder DSM-IV aufgeführten Diagnosen erfordert, dass sich ein klinisch erkennbarer Komplex von solchen Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten zeigt, die mit Belastungen und Beeinträchtigungen auf der individuellen und oft auch der kollektiven oder sozialen Ebene verbunden sind. Soziale Abweichungen oder soziale Konflikte allein, ohne persönliche Beeinträchtigungen der betroffenen Person, werden danach nicht als eine psychische Störung bezeichnet. Spezifische Störungen der Persönlichkeit, des Verhaltens, der Sexualpräferenz, der Impuls- oder Triebkontrolle hingegen können sich als psychische Störung darstellen. Dies gilt insbesondere für die dissoziale Persönlichkeitsstörung und verschiedene Störungen der Sexualpräferenz, etwa die Pädophilie oder den Sadomasochismus. Letztlich deckt der Begriff der ‚psychischen Störung‚ ein breites Spektrum von Erscheinungsformen ab, von denen nur ein Teil in der psychiatrisch-forensischen Begutachtungspraxis als psychische Erkrankung gewertet wird“ (BT-Drucks. 17/3403, S. 54). Demnach handelt es sich bei dem Begriff der psychischen Störung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der mit den überkommenen Kategorisierungen der Psychiatrie nicht deckungsgleich ist. Ob seine Merkmale im Einzelfall erfüllt sind, hat das Gericht, wenn auch regelmäßig mit Unterstützung eines Sachverständigen, eigenständig zu prüfen (BVerfG StV 2012, 25 ff., 26 f. mit krit. Anm. Krehl). § 1 Abs. 1 ThUG ist mit der Maßgabe verfassungsgemäß, dass die Unterbringung oder deren Fortdauer nur angeordnet werden darf, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder Verhalten des Unterzubringenden abzuleiten ist (BVerfG – 2 BvR 2302/11 = StV 2014, 160 m. abl. Anm. Höffler StV 2014, 168 ff.).

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      Es muss eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten bestehen, die aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist (BGH StV 2011, 672; s. auch Rn. 32 ff., 35) und die auf der psychischen Störung beruht. Im Sinne der strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei, abgesehen von den vorsätzlichen Tötungsdelikten und Vorsatzdelikten mit qualifizierender Todesfolge, nicht alle Anlasstaten von vorne herein als schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten anzusehen. Für die auf den Einzelfall bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt es über den gesetzlichen Katalog tauglicher Anlasstaten hinaus vielmehr auf die Bedeutung des vor Rückfalltaten zu schützenden Rechtsgutes, gegebenenfalls auf die mögliche Verletzungsintensität oder darauf an, ob die Anlasstaten typischer Weise schwerwiegende und nachhaltige psychische Störungen bei den Opfern verursachen (BGH Beschl. v. 28.3.2012 – 5 StR 525/11; Beschl. v. 4.8.2011 – 3 StR 175/11; Beschl. v. 11.12.2012 – 5 StR 431/12 Rn. 22 ff. m.w.N. und mit kasuistischen Überlegungen zur tatbestandlichen Eignung eines Raubs mit Waffen oder mit Scheinwaffen). Dabei kann für die Gesamtwürdigung zwischen der hochgradigen Gefahr und den Gewalt- oder Sexualstraftaten eine gewisse Wechselwirkung insofern gesehen werden, als ein „Weniger“ an Rückfallgefahr durch ein „Mehr“ an Schwere der Gewalt- oder Sexualtat ausgeglichen werden kann, solange alles zusammen das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Verurteilten übersteigt (OLG Nürnberg NStZ-RR 2012, 10).

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      Zum Verfahren in Altfällen, also zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung s. die Erläuterungen zu § 81a Abs. 2 a.F. in der 6. Aufl. dieses Kommentars, sowie BGH Urt. v. 30.8.2011 – 5 StR 235/11 = ZJJ 2011, 448 ff. m. Anm. Eisenberg).

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      Für den Vollzug der Sicherungsverwahrung gelten die §§ 129 ff. StVollzG und die, soweit geschaffen, entsprechenden Landesgesetze. Spezielle gesetzliche Vorschriften für den Vollzug an Jugendlichen bestehen nicht (zur Kritik insoweit s. etwa Brettel Der Vollzug der Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG,

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