Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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      Die Entscheidung nach § 12 setzt weiterhin eine vorherige Anhörung des Jugendamts voraus. Mit dieser durch das 1. Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16.2.1993 (BGBl. I, S. 239) erfolgten Änderung hat der Gesetzgeber das zuvor vorgeschriebene Einvernehmen mit dem Jugendamt gestrichen und damit den gegen diese Regelung bestehenden schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu Rn. 7 der 1. Auflage) Rechnung getragen. Diese Änderung ist sachgerecht und reicht zu einer interessengerechten Beteiligung des Jugendamtes, das die Maßnahme durchzuführen hat, aus.

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      Unterbleibt die Anhörung, so unterliegt die Entscheidung nicht schon deshalb der Aufhebung, sondern nur dann, wenn der Richter etwa wegen der unterlassenen Anhörung die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat. Ein Rechtsbehelf des Jugendamts existiert nicht. Erwächst eine ohne die erforderliche Anhörung getroffene Entscheidung nach § 12 in Rechtskraft, so ist sie aus Gründen der Rechtssicherheit gleichwohl vom Jugendamt zu vollziehen. Die Wirkungen der Rechtskraft können auch nicht aus pädagogischen oder fiskalischen Gründen beseitigt werden.

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      Die besonderen Voraussetzungen der Erziehungsbeistandschaft (§ 12 Nr. 1) und der Heimerziehung (§ 12 Nr. 2) richten sich nach den Vorschriften der §§ 27, 30, 34 SGB VIII. Sie sind ebenso wie die allgemeinen Voraussetzungen für Entscheidungen nach § 12 in der Hauptverhandlung festzustellen und in der Urteilsbegründung darzulegen. Die Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII setzt sowohl für die Erziehungsbeistandschaft als auch für die Heimerziehung nur voraus, dass eine dem Wohl des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist (§ 27 Abs. 1 SGB VIII); Art und Umfang der einzelnen Maßnahmen richten sich dabei nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall (§ 27 Abs. 2 SGB VIII).

III. Erziehungsbeistandschaft (Nr. 1)

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      Voraussetzung der Erziehungsbeistandschaft (Nr. 1) ist, dass die Anlasstat (§ 5 Abs. 1) zeigt, dass die geistige oder seelische Entwicklung des Jugendlichen gefährdet ist und die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr oder zur Beseitigung des Schadens geboten und ausreichend erscheint. Dies ist der Fall, wenn der geistige oder seelische Zustand des Jugendlichen insgesamt, in Einzelbereichen oder in einzelnen Ausprägungen unterhalb einer Norm liegt, die bei einem Jugendlichen unter vergleichbaren Verhältnissen durchschnittlich angenommen werden kann oder unter eine solche Norm zu sinken droht. Wegen des strafrechtlichen Charakters der Maßnahme und wegen der Beschränkung des Erziehungsziels auf das Präventionsziel (§ 5 Rn. 4) ist diese Gefährdung oder Schädigung ausschließlich im Hinblick auf die kriminelle Gefährdung, also die Gefahr, dass der Jugendliche auf Grund seiner mangelhaften Entwicklung weitere Straftaten begeht, zu untersuchen. Ein Verschulden des Jugendlichen oder anderer Personen an den Erziehungsmängeln ist nicht erforderlich (allg.M.).

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      Die Erziehungsbeistandschaft muss weiterhin zur Abwendung dieser Gefahr ausreichend (§ 5 Abs. 2) und geboten sein. Das setzt eine Auseinandersetzung mit den anderen Erziehungsmaßregeln und mit den Zuchtmitteln voraus (s. § 5 Rn. 6–7, 15–18). Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass die Inanspruchnahme von Hilfe gem. § 12 nicht erzwungen werden kann (s. Rn. 4), während Maßnahmen nach § 10 gegebenenfalls mit Hilfe des Ungehorsamsarrestes durchgesetzt werden können.

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      Die Erziehungsbeistandschaft wird durch die Bestellung eines Erziehungsbeistandes oder eines Betreuungshelfers vollzogen (§ 30 SGB VIII). Das SGB VIII enthält keine Vorschriften über die Bestellung dieser Personen. Der Gesetzgeber hat vielmehr von der Normierung besonderer Vorschriften ausdrücklich abgesehen, weil sich entsprechende frühere Regelungen in der Praxis als zu starr erwiesen hätten (BT-Drucks. 11/5948, S. 70). Aus der Regelung des § 12, wonach der Richter den Jugendlichen nur zur Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung verpflichten kann, folgt, dass grundsätzlich nicht der Richter, sondern das Jugendamt den Erziehungsbeistand oder Betreuungshelfer, bei dem es sich um eine natürliche Person handeln muss (s. § 10 Rn. 38), bestellt, wenn nicht schon vor der Urteilsverkündung eine Einigung zwischen den Beteiligten auf eine bestimmte Person erzielt und diese im Urteil benannt wird. Das Jugendamt wird aber auch in diesen Fällen eine andere Person bestellen dürfen, wenn sich dies nachträglich aus erzieherischen Gründen als erforderlich herausstellt. Die Erziehungsbeistandschaft ruht, wenn der Jugendliche unter Bewährungsaufsicht steht (§ 8 Abs. 2 S. 2).

IV. Heimerziehung (Nr. 2)

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      Die Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Nr. 2) ist die Erziehungsmaßregel mit dem höchsten Eingriffsgehalt, da sie gem. § 34 SGB VIII mit einer Unterbringung in einem Heim oder einer sonstigen Wohnform, worunter auch besondere, pädagogisch betreute Jugendwohngemeinschaften oder so genannte betreute Einzelwohnungen verstanden werden (BT-Drucks. 11/5948, S. 72), sowie grundsätzlich mit einem Wechsel in der Person des Personensorgeberechtigten verbunden ist (§ 38 SGB VIII). Ihre Anordnung ist daher nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an strengere Voraussetzungen gebunden, als die mildere Hilfeform der Erziehungsbeistandschaft. Sie kommt danach, wie auch schon früher, nur dann in Betracht, wenn die Straftat zeigt, dass der Jugendliche

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