Handbuch Deutsche Kreditmarkt-Standards. Группа авторов
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3. Darüber hinaus führte der Gesetzgeber für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 3 BGB) eine Befristung des Widerrufsrechts ein (§ 356b Abs. 2 Satz 4 BGB). Danach erlischt das Widerrufsrecht nach Ablauf eines Jahres und 14 Tage seit Abschluss des Darlehensvertrags selbst dann, wenn in dem Darlehensvertrag keine ordnungsgemäße Widerrufsinformation enthalten ist. Dem Verbraucher steht somit zwar ein verlängertes, aber kein ewiges Widerrufsrecht zu.
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Damit endete mit Ablauf des 21.3.2016 prinzipiell das ewige Widerrufsrecht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge und damit der Widerrufsjoker. Diese Änderungen gelten jedoch nur für Immobiliardarlehensverträge, die zwischen dem 1.9.2002 und 10.6.2010 geschlossen worden waren sowie für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, die seit dem 21.3.2016 geschlossen wurden. Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge können weiterhin zeitlich unbegrenzt widerrufen werden, wenn die Widerrufsbelehrung bzw. -information fehlerhaft war. Auch für Immobiliardarlehensverträge, die in dem Zeitraum zwischen 10.6.2010 und 21.3.2016 geschlossen wurden, besteht bei einer fehlerhaft erteilten Widerrufsinformation ein unbefristetes Widerrufsrecht.
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4. Auslöser für den Widerrufsjoker
Als der Gesetzgeber sich in Folge der EuGH – Entscheidung in Sachen Heininger – entschied, ein einheitliches Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehen zu schaffen und dieses nicht situationsabhängig einzuräumen, fühlte er sich zur Sicherung des Rechtsfriedens aufgefordert, den Kreditinstituten eine Muster-Widerrufsbelehrung an die Hand zu geben, die diese zur Belehrung der Verbraucher verwenden konnten. Der Inhalt dieser Widerrufsbelehrung war von Anfang an umstritten, insbesondere wurde die Ordnungsmäßigkeit der in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV) veröffentlichten Widerrufsbelehrung in Frage gestellt und teilweise in der rechtswissenschaftlichen Literatur von der Verwendung der veröffentlichten Muster-Widerrufsbelehrungen abgeraten.12 Insbesondere die in den ersten beiden Muster-Widerrufsbelehrungen verwendete Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung...“ ohne den Beginn der Widerrufsfrist weiter zu konkretisieren, führte zu kontrovers geführten Diskussionen. In der Kreditwirtschaft wurden daher in den Muster-Widerrufsbelehrungen Anpassungen vorgenommen oder eigene Muster entwickelt, um das Risiko einer unwirksamen Widerrufsbelehrung möglichst zu vermeiden. Erst 2012 entschied der BGH,13 dass sich bei einer wortgleichen Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrungen der Verwender auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 InfoV berufen kann. Bei Abweichungen vom Mustertext, die durch eine inhaltliche Bearbeitung der Texte herbeigeführt wurden, besteht nach der Rechtsprechung dieses Privileg jedoch nicht mehr. Nur, wenn die Textbearbeitung auf einem offenkundigen Schreibfehler beruhe oder die Verständlichkeit erhöhe, aber keine inhaltliche Bearbeitung des Mustertextes erfolgt sei, kann sich der Verwender auf die Gesetzlichkeitsfiktion weiterhin berufen.14
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Im Jahr 2009 entschied der BGH,15 dass eine Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist nur unzureichend informiere, wenn diese von einem unbefangenen Leser dahingehend verstanden werden kann, dass die Widerrufsfrist unabhängig von der Vertragserklärung des Verbrauchers durch den bloßen Zugang des von einer Widerrufsbelehrung begleiteten Vertragsangebots des Vertragspartners in Gang gesetzt werden kann. Mit dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB sei dies nicht zu vereinbaren. Diese Entscheidung fand lediglich in der Fachliteratur16 Aufmerksamkeit, ansonsten hatte sie keine weitreichenden oder spürbaren Folgen. Dies änderte sich erst, als sich zu Beginn der 2010er Jahre das niedrige Zinsniveau bei Immobiliardarlehensverträgen verfestigte und Darlehensnehmer über Verbraucherschutzverbände auf die Möglichkeit des „Widerrufsjokers“ aufmerksam wurden. Nach den damaligen Veröffentlichungen der Verbraucherschutzverbände17 waren Angaben gemäß bis zu 70 % der von der Kreditwirtschaft bei Immobiliardarlehensverträgen verwendeten Widerrufsbelehrungen fehlerhaft. Den Darlehensnehmern stünde somit ein jederzeitiges Widerrufsrecht zu und ermögliche ihnen das bestehende Darlehen in zinsgünstigere Darlehen umzuschulden, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen. Die Berichterstattungen in den Medien führten zu vermehrten Widerrufen. Damit war der Widerrufsjoker geboren, für den der Gesetzgeber bereits im Jahr 2002 die Grundlage gelegt hatte. Gerade die Kreditinstitute versuchten, sich gegen den Widerrufsjoker zu wehren und führten entsprechende Klageverfahren durch. In den Folgejahren führte der Widerrufsjoker zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten bis zum BGH, in denen zahlreiche Rechtsfragen rund um das Widerrufsrecht zum Verbraucherdarlehensrecht beantwortet wurden. Grüneberg fasste die Rechtsprechung des BGH zusammen und ließ erkennen, dass damit die offenen Fragen zum Widerrufsrecht beantwortet seien. Befassten sich die Rechtsstreitigkeiten vor allem mit den formalen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Widerrufsbelehrung, gewann auch das Argument der Verwirkung oder Rechtsmissbräuchlichkeit mehr und mehr an Bedeutung. Den Argumenten der Kreditindustrie stand – und steht – eine Armada von selbst ernannten Verbraucherschutz-Rechtsanwälten gegenüber. Während die Instanzgerichte die Frage der Verwirkung bzw. des Rechtsmissbrauchs sehr unterschiedlich beurteilten, führte die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst zu einer Belebung des Widerrufsjokers. In den Fällen, in denen sich der Bundesgerichtshof zu den Themen Verwirkung und Rechtsmissbrauch geäußert hat, hat er diese abgelehnt. Ein immer wiederkehrendes Argument ist, dass der Unternehmer es durch eine ordnungsgemäße Belehrung oder eine Nachbelehrung selbst in der Hand habe, die Widerrufsfrist in Gang zu setzen. Insofern habe er auch die Nachteile hinzunehmen, die sich aus einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ergäben. Der BGH hat jedoch die Verwirkung des Widerrufsrechts in keinem Urteil kategorisch ausgeschlossen. Wie jedes Recht, unterliegt auch ein Verbraucherwiderrufsrecht den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben und kann deshalb prinzipiell auch verwirken. Der BGH will dies jedoch nur im Einzelfall beurteilen. Mit Urteil vom 16. März 201618 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass die Beweggründe des Verbrauchers für einen Widerruf bei der rechtlichen Betrachtung irrelevant seien. Eine Verwirkung sei deshalb nur ausnahmsweise anzunehmen. Im Juli 2016 entschied der BGH19 erstmals implizit zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit, um diese anschließend mit ausführlicher Begründung abzulehnen. In der Folgezeit hat der BGH aber die Rechtsmissbräuchlichkeit bzw. die Verwirkung des Widerrufsrechts anerkannt. So entschied er in einem Fall, in dem der Darlehensbetrag vollständig zurückgezahlt und die Sicherheiten zurückgewährt worden waren, dass bei der Beurteilung der Verwirkung und der Schaffung eines Vertrauenstatbestands sowohl der Zeitraum zwischen Beendigung des Darlehensvertrags und Erklärung des Widerrufs (Zeitmoment) als auch der Umstand der Sicherheitenfreigabe (Umstandsmoment) zu berücksichtigen seien.20
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5. Mit Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie stellte der Gesetzgeber eine Muster-Widerrufsinformation mit Gesetzesrang zur Verfügung, die der Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB unterliegt. Allerdings darf auch dieses Muster nicht wesentlich abgeändert werden. Konzentrierten sich die ersten Rechtsstreitigkeiten auf die im Zeitraum 2002 und 2010 verwendeten Widerrufsbelehrungen, verlegte sich angesichts des weiter fortbestehenden niedrigen Zinsniveaus die Diskussion auf die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsinformation in der am 29.7.2010 veröffentlichten Fassung. In der Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge wurde geregelt, dass die Widerrufsfrist mit Abschluss des Vertrags zu laufen beginnt, „aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten