Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов
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Entwicklung von Prinzipien für das Verwaltungshandeln
Bereits im EGKSV findet sich in Art. 86 die für das Verhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten grundlegende Loyalitätspflicht. Darüber hinaus entwickelte der Gerichtshof Anforderungen an rechtmäßiges Verwaltungshandeln, die er, soweit der Vertrag keine Anhaltspunkte enthielt, aus dem nationalen Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten ableitete.[8] Zu nennen sind der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung[9] und der Rechtssicherheit,[10] Vertrauensschutzanforderungen im Falle von Rücknahme und Widerruf,[11] das Recht auf Anhörung[12] sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz[13]. Ansatzweise finden sich auch die Auslegung des Gemeinschaftsrechts nach dem effet utile, die direkte Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts und die implied powers-Doktrin.[14]
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Die Meroni-Entscheidung
Mit seiner im Rahmen der EGKS getroffenen Meroni-Entscheidung[15] prägte der Gerichtshof die im Weiteren auch für die Gründung von Agenturen maßgeblichen Voraussetzungen für die Übertragung von Aufgaben auf nachgeordnete Stellen. Danach kann die übertragende Behörde nicht mehr Befugnisse weitergeben als ihr zustehen, müssen die übertragenen Befugnisse klar umgrenzt sein, auf einer ausdrücklichen Entscheidung beruhen und muss die Einrichtung der Aufsicht der delegierenden Behörde unterliegen.[16] Zudem kommt eine Übertragung von Befugnissen mit politischem Ermessen nicht in Betracht. Im konkreten Fall ging es um die Übertragung eines sehr weitgehenden wirtschaftspolitischen Ermessensspielraums auf einen privatrechtlichen Verband.[17]
II. Die Römischen Verträge
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Gründung der EWG
Mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft[18] wurden der gemeinsame Markt im Kohle- und Stahlsektor auf den gesamten Waren- und Dienstleistungsverkehr ausgeweitet sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit vereinbart. Erklärtes Ziel war die in Etappen (Art. 8 EWGV) erfolgende Errichtung eines umfassenden Gemeinsamen Marktes. Demgegenüber hat die Europäische Atomgemeinschaft nur einen eng umrissenen Auftrag und ist wie die Montanunion im Wesentlichen Verwaltungsgemeinschaft.[19]
1. Sachbereiche und Vollzugsformen im Überblick
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Sachbereiche und Vollzugsformen
Die wichtigsten Sachbereiche in den ersten Jahrzehnten der EWG waren das Zollwesen und das Außenwirtschaftsrecht, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) sowie die Wettbewerbs- und Beihilfenaufsicht.[20] Für den Vollzug des gemeinsamen Zolltarifs und der Antidumping-Verordnungen[21] im Rahmen des Außenwirtschaftsrechts waren die nationalen Behörden zuständig. Demgegenüber war der Vollzug des Wettbewerbsrechts, soweit der gemeinsame Markt betroffen war, Gegenstand der Eigenverwaltung der Gemeinschaft. Die erste Kartellverordnung erging 1962.[22] Bereits sie enthielt das Recht der Kommission, Auskunft von mitgliedstaatlichen Behörden und Unternehmen zu verlangen, eigene Nachprüfungsbefugnisse bei den Unternehmen sowie das Recht, mitgliedstaatliche Behörden bei deren Untersuchungen zu unterstützen. Wie heute erfolgte auch die Beihilfenaufsicht notwendig in Form der Eigenverwaltung, während die Rückforderung unzulässiger Beihilfen durch die Mitgliedstaaten nach ihrem Recht stattfand und -findet. Im Agrarverwaltungsrecht entstanden erste Formen komplexeren Zusammenwirkens.[23]
2. Prinzipien
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Begründung der Supranationalität
Für den Gerichtshof war von Anfang an die Sicherung der Einheit und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts das wichtigste Anliegen. In der Entscheidung van Gend & Loos[24] begründete er die direkte Wirkung des Gemeinschaftsrechts. Dem folgte im Urteil Costa/ENEL der Anwendungsvorrang.[25] In der Entscheidung Internationale Handelsgesellschaft[26] erstreckte der Gerichtshof diesen Vorrang auf das nationale Verfassungsrecht. Mit dieser Kombination von direkter Wirkung der Verträge und Vorrang des Gemeinschaftsrechts waren die Merkmale der Supranationalität in der Gemeinschaftsrechtsordnung verankert. Damit war zugleich die Notwendigkeit geschaffen, Grundrechte als Maßstab für das Verwaltungshandeln aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen und unter Rückgriff auf die EMRK zu entwickeln.[27]
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Anforderungen an das Verwaltungshandeln
Vor allem das Kartellrecht und das landwirtschaftliche Marktordnungsrecht gaben dem EuGH Anlass, weitere Anforderungen an das Verwaltungshandeln zu formulieren: Zu nennen sind die Begründungspflicht[28], die Verpflichtung zur Verwendung der jeweiligen Landessprache[29], die Verhältnismäßigkeit[30] und der Gleichbehandlungsgrundsatz[31] sowie erste Ansätze eines Akteneinsichtsrechts[32]. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz konnte in der Rechtssache Johnston direkt der dem Streit zugrundeliegenden Richtlinie entnommen werden[33]; in der Rechtssache Heylens bezeichnet der EuGH dieses Recht bereits als einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts[34].
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Grundsatz gegenseitiger Anerkennung
Eine weitere Weichenstellung löst die Cassis de Dijon-Entscheidung[35] von 1979 aus. Sie hatte langfristig zur Folge, dass an die Stelle des Vollharmonisierungsansatzes, wie er von Rat und Kommission zunächst verfolgt worden war,[36] der Grundsatz gegenseitiger Anerkennung trat.[37] Dies führte im Weiteren zu neuen Formen der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und zu einem neuen Konzept (New Approach) im Bereich der Produktsicherheit, die im Zuge der Binnenmarktoffensive realisiert wurden.[38]
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Effektivitäts- und Äquivalenzgebot
Das Effektivitäts- und Äquivalenzgebot als Konkretisierung der allgemeinen Loyalitätspflichten bei der Anwendung des nationalen Rechts zur Umsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen[39] und damit die Grenzen der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten[40] werden grundlegend im Zusammenhang mit der Rückforderung von Beihilfen im Agrarsektor entwickelt. Danach dürfen Kriterien des nationalen Rechts wie Vertrauensschutz, Fristen und Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Behörden für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Rückforderung unter der Bedingung herangezogen werden, dass die Verwirklichung der Gemeinschaftsregelung und des Gemeinschaftsinteresses nicht praktisch unmöglich gemacht wird.[41]
3. Komitologie und Agenturen
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Funktionen der Kommission
Wie schon in der Hohen Behörde verkörpert sich in der Kommission das Gemeinschaftsinteresse. Ihre drei Hauptfunktionen waren und sind die Rechtsetzungsinitiative, die Überwachung des Gemeinschaftsrechtsvollzugs (auch) unter Anwendung des Vertragsverletzungsverfahrens sowie in einzelnen Materien der unmittelbare Vollzug.[42] Dabei steht die Verwirklichung des Gemeinschaftsinteresses oftmals in einem Spannungsverhältnis zum Interesse der Mitgliedstaaten. Vor allem die Komitologie[43] und Agenturen[44] stellen Instrumente des Interessenausgleichs dar, wobei die Komitologie zugleich der Entlastung von Rat und Kommission, die Agenturen der Entlastung der Kommission dienen.
a) Komitologie
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Anfänge der Komitologie
Die