Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht. André-M. Szesny
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht - André-M. Szesny страница 40
II. Recht auf Verteidiger
121
Der Betroffene hat gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO das Recht auf einen Verteidiger. Unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 140 Abs. 2 StPO kann dem Betroffenen ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden.[179]
III. Akteneinsichtsrecht
122
Das Akteneinsichtsrecht ist im Bußgeldverfahren weitreichender als im Aufsichtsverfahren. Im Aufsichtsverfahren darf das Einsichtsrecht gem. § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG nur auf die Aktenbestandteile erstreckt werden, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen erforderlich sind. Um die Beschränkungen des Akteneinsichtsrechts im Aufsichtsverfahren nicht zu unterlaufen, werden die Vorgänge im Aufsichts- und Bußgeldverfahren daher getrennt veraktet.
123
Das Einsichtsrecht im Bußgeldverfahren ist umfassend: Was für das (Bußgeld-) Verfahren geschaffen worden ist, darf der Akteneinsicht nicht entzogen werden.[180] In der Bußgeldakte der BaFin werden sich Kopien aus dem Aufsichtsverfahren befinden, soweit diese für das Bußgeldverfahren von Bedeutung sind.
124
Unter Akten i.S.d. § 49 Abs. 1 OWiG sind die Bußgeldakte der BaFin sowie etwaige Bei- und Spurenakten zu verstehen.[181] Auch umfasst davon ist das Recht, sichergestellte oder beschlagnahmte Beweismittel zu besichtigen.[182]
1. Betroffener
125
Der Betroffene hat in jeder Lage des Verfahrens Anspruch auf Akteneinsicht gem. § 49 Abs. 1 OWiG. Die Akteneinsicht ist gem. § 49 Abs. 1 S. 1 OWiG abzulehnen, soweit der Untersuchungszweck gefährdet werden kann oder wenn überwiegend schutzwürdige Interessen anderer (z.B. des Mitbetroffenen) entgegenstehen.
126
Das „Wie“ der Akteneinsicht ist in § 110c S. 1 OWiG i.V.m. § 32f StPO und § 49 Abs. 1 S. 2 OWiG geregelt:
- | Einsicht in die Akten, die – wie bei der BaFin jedenfalls noch die Regel – in Papierform vorliegen, wird im Grundsatz in den Diensträumen gewährt, § 32f Abs. 2 S. 1 StPO. |
- | Daneben kann die Akteneinsicht, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellen des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Bereitstellen einer Aktenkopie zur Mitnahme gewährt werden, § 32f Abs. 2 S. 2 StPO. |
- | Gemäß § 49 Abs. 1 S. 2 OWiG kann die Akteneinsicht im Übrigen durch die Übersendung von Kopien aus der Akte an den Betroffenen erfolgen. Die Auslagen für die Übersendung sind nicht erstattungsfähig, denn § 107 Abs. 5 OWiG enthält eine insoweit abschließende Regelung und beschränkt die Auslagenerstattung auf die Übersendung der in Papierform vorhandenen Originalakte.[183] Die Auslagen für die Anfertigung der Kopien sind demgegenüber erstattungsfähig.[184] |
2. Verteidiger
127
Der Verteidiger des Betroffenen hat ein eigenständiges Akteneinsichtsrecht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m § 147 StPO. Stehen keine wichtigen Gründe entgegen, werden dem Verteidiger auf dessen Antrag[185] die Akten gem. § 110c OWiG i.V.m. § 32f Abs. 2 S. 3 StPO zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben. Das „Wie“ der Akteneinsicht steht nach der gesetzlichen Konzeption des § 32f StPO im Ermessen der BaFin. Der Verteidiger hat insoweit keinen Anspruch auf Aktenaushändigung zur Mitnahme in das Büro bzw. die Wohnung.[186] Gleichwohl entspricht es (zumindest staatsanwaltlicher) Praxis, bei Nichtvorliegen wichtiger Gründe dem Übersendungsgesuch der Originalakte selbstverständlich stattzugeben.[187] Es ist im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht nicht opportun von dieser bewährten Praxis abzuweichen und lediglich eine Aktenkopie an den Verteidiger zu übersenden, zumal der Verwaltungs- und Kostenaufwand für die BaFin im Ergebnis nicht geringer sein dürfte.[188]
128
Die Aktenversendungspauschale i.H.v. 12 € folgt aus § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG und ist von demjenigen zu tragen, der die Akteneinsicht beantragt hat, in der Regel also von dem Verteidiger.[189]
D. Verfahrensrechte der Nebenbeteiligten im Ermittlungsverfahren
129
Die strafprozessualen Befugnisse der nebenbeteiligten Gesellschaft werden von den vertretungsberechtigten Organen ausgeübt.
I. Vorbemerkungen
130
Der Gesetzgeber hat die Verfahrensstellung der Gesellschaft bei der Festsetzung einer Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 444 StPO; § 88 OWiG) der einer Einziehungsbeteiligten (§ 87 OWiG) weitgehend gleichgestellt. Durch Verweistechnik nimmt er in § 88 Abs. 3 OWiG (sowie in § 88 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444, 428 Abs. 2 StPO) Bezug auf die Vorschriften des Einziehungsverfahrens. In den Verfahren werden allerdings unterschiedliche Ziele verfolgt: während mit der Beteiligung der Gesellschaft im Einziehungsverfahren in der Regel kein Vorwurf an diese verbunden ist, wird mit der Verbandsgeldbuße eine Sanktion sui generis gegen die Gesellschaft verhängt.[190] Die Verfahrensstellung der Gesellschaft bei der Festsetzung einer Verbandsgeldbuße ist – anders als im Einziehungsverfahren – beschuldigtenähnlich,[191] was durch die Verweistechnik de lege lata nur unzureichend berücksichtigt wird. So weist das Gesetz dem von der Verbandsgeldbuße bedrohten Unternehmen im Bußgeldverfahren gem. § 88 Abs. 3 i.V.m. § 87 Abs. 2 S. 1 OWiG erst ab Erlass des Bußgeldbescheids die Rechte eines Betroffenen zu.
131
Die Verfahrensstellung der Gesellschaft bei der Festsetzung der Verbandsgeldbuße ist im Ermittlungsverfahren infolge der Gleichstellung nur lückenhaft geregelt.[192] Erfolgt die Anordnung der Verfahrensbeteiligung im Ermittlungsverfahren, stehen der Gesellschaft bei der Anhörung nach h.Lit. gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 2, 426 Abs. 2 StPO die Verfahrensrechte im Zusammenhang mit der Vernehmung (also §§ 163a, 136 Abs. 1 S. 2 und 5 StPO, § 148 StPO) zu.[193] Unabhängig davon wird der Nebenbeteiligten inzwischen auch von der Rechtsprechung eine beschuldigtenähnliche Stellung im Ermittlungsverfahren zugeschrieben.[194] Uneinigkeit herrscht über den Zeitpunkt, ab dem der Nebenbeteiligten die beschuldigtenähnlichen Rechte im Ermittlungsverfahren zu gewähren sind.[195] Nicht problematisiert wird demgegenüber, in welchem Umfang sich die Nebenbeteiligte im Ermittlungsverfahren über die o.g. Verfahrensrechte hinaus auf die Betroffenenrechte berufen können soll. Das Problem stellt sich bei der Frage, ob der