Moderne Geister. Georg Brandes

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Moderne Geister - Georg Brandes страница 26

Moderne Geister - Georg Brandes

Скачать книгу

Künstler, die Wissenschaften und Prospero gegen den päpstlichen Legaten: „Ich will ihn nicht ausliefern, sondern ausnützen“.

      Prospero resignirt, und die Moral des Stückes wird vom Prior des Karthäuser-Klosters ausgesprochen: „Ist er nur ordentlich gekämmt und gewaschen, so wird Caliban sehr präsentabel“.

      Es liegt eine Verachtung, deren Tiefe sich schwer ermessen lässt, in dieser Huldigung der einst revolutionären, jetzt moderaten oder conservativen Demokratie. Und ebenso birgt sich eine tiefe Ueberzeugung von der Nichtigkeit des Weltlebens hinter dem leichten Spiel der Handlung.

      Das Gespräch der Hofleute im zweiten Acte erörtert die Frage nach einem festen Halt im Leben. Die Familie, schlägt der Eine vor. – Da müsste man überzeugt sein, die eigene Familie sei die beste, und sich sogar davon nicht beirren lassen, dass alle Anderen der gleichen Ueberzeugung sind. Das ist denn also Vorurtheil, Eitelkeit. Und was von der Familie gilt, gilt auch vom Vaterlande. Man geht nur darin auf, so lange man an dessen besondere Vortrefflichkeit glaubt. – Nein, sagt ein Zweiter, auserlesene Genüsse, das ist das einzig Solide. – Gut, wenn nun aber Alle geniessen wollen? – So halten wir sie mit gewappneter Hand nieder. – Wie aber, wenn die Waffe sich gegen den kehrt, der sie gebrauchen will? Nein, besser doch, sich auf die Nation zu stützen. – Was wir unter Nation verstehen, entspricht nur den Interessen einer Minderzahl. Wie soll man in der Zukunft die Vielen dazu bringen, ihr Leben für die Interessen der Wenigen aufs Spiel zu setzen? – Dadurch, dass man sie aufklärt? – Keineswegs, gerade im Gegentheile. Sich für eine Sache todtschlagen zu lassen, ist eine grosse Naivetät, die grösste Naivetät, da sie nicht wieder gut zu machen ist. Bedenken Sie, dass Millionen sich todtschlagen liessen für collective Wesen, wie der Staat, die Kirche! – Gleichviel. Nun wären sie dennoch todt. – Wenn Türken und Christen sich schlagen, so glauben sie ins Paradies zu kommen, wofern sie in dem heiligen Kriege fallen. Gibt es aber das Paradies der Einen, so gibt es das der Anderen nicht. Noch denken sie nicht, dass es also wahrscheinlich keines der beiden Paradiese gebe. Eitelkeit! – Sehen Sie die Türken! Man treibt sie mit Hilfe falscher Wechsel auf das ewige Leben in die Schlacht. – Solche falsche Wechsel sollten verboten werden. Sie führen eine Inferiorität der civilisirten Völkerschaften, die nicht daran glauben, herbei. Der Roheste bleibt Sieger und wird als Sieger noch roher. – Mit anderen Worten: Die Aufklärung vernichtet die Widerstandskraft der Völker. Alles ist eitel. Die Philosophie, welche die Vorurtheile zerstört, zerstört damit das Fundament des Lebens selbst.

      Nur die Schönheit tritt während dieser Niedermetzlung anerkannter Mächte, in der Gestalt Imperia's verkörpert, als eine bewunderte Wirklichkeit hervor. Wie zum Trotze, doch nicht aus Trotz hat Renan in seinem Schauspiele die grosse Courtisane zur Vertreterin der Schönheit und Liebe gemacht. Sie personificirt die Welt der Schönheit, wie Prospero die des Gedankens. Balzac hatte sie mit künstlerischer Begeisterung gemalt; Renan erkennt sie als vollberechtigte Lebensmacht an und verhandelt mit ihr wie von Macht zu Macht.

      Er lässt sie die Unvergänglichkeit der Schönheit und der Liebe verkünden. Alles ist flüchtig, doch das Flüchtige ist zuweilen göttlich. Seht den Schmetterling. Nur innerhalb eines ganz kurzen Abschnittes im Leben des Wurmes existirt er, wie im Dasein der Pflanze nur wenige Augenblicke die Blume ist. Die Liebe aber thut das Wunder, dass das plumpe kriechende Insect beflügelt und ideal wird. Das Leben des Falters ist während einiger Stunden das Höchste: blühen, lieben, sterben.

      Imperia kommt aufs neue als Brunissende, die Liebhaberin des Papstes, im Schauspiele „Der Jungbrunnen“ vor, hier leichtfertiger, doch in den Augen Renan's deshalb nicht minder sympathisch. Sie ist hier tiefer weiblich, ist eitel Stärke und Schmachten. Sie hat jede Schwäche und nimmt dennoch die Welt in Besitz. Sie vertheilt alle Einnahmen des päpstlichen Stuhles nach Lust und Laune. Um so besser! heisst es. Des Weibes Schönheit ist ein Gut von höchstem Range, von gleich hohem Range wie Vernunft und edle Gesinnung: „Alle geistlichen Einnahmen sollten zu Toiletten-Ausgaben für schöne Frauen und zu Jahrgeldern für geistvolle Männer verwendet werden“.

      „Der Born der Jugend“ ist trotz seiner Mängel ein von Geist sprudelndes Stück. Es spielt am päpstlichen Hofe in Avignon und hat eine ganz schwache Localfärbung, auch keine stark historische, die sie sogar ausdrücklich vermeiden will.

      Renan hat hier seinen Prospero wieder aufgenommen und ihn als die überlegene Intelligenz erscheinen lassen, die zur Zeit ihrer Autorität über die Menschheit verlustig geworden ist. Seine magischen Mittel haben ihre Kraft verloren. Doch ob schwach und entwaffnet, er verfolgt gleichwohl sein Problem: die Erlangung der Macht mittelst der Wissenschaft. Er hat verschiedene wunderbare Essenzen erfunden, darunter ein Lebenselixir, das verjüngende Kraft besitzt. Der Papst, der nach einer etwas übermässig angestrengten Jugend sehr mitgenommen ist, behält ihn in seiner Nähe, um von den Resultaten seiner wissenschaftlichen Versuche Nutzen zu ziehen. Doch hat er grosse Mühe, ihn vor den Nachstellungen der Inquisition zu schützen.

      Man glaubt, dass Prospero Gold machen könne. Er hegt gar nicht diesen Wunsch. Wozu auch? Könnte man doch, wenn es möglich wäre, ebensogut Blei machen wollen. Er zieht es vor, Licht aus Koth, Geist aus Stoff zu erschaffen. Und er zweifelt nicht, dass es einst gelingen werde, denn langsam sickert Vernunft in die Welt; vielleicht, dass zuletzt sogar ein wenig Gerechtigkeit in sie dringt. (Renan's ganze Skepsis äussert sich in diesem Satze.)

      Prospero ist der Ueberzeugung, dass die Welt beinahe gänzlich von Brutalität regiert werde. Die unabhängigen Bauern der Schweiz, sagt er mit feiner Ironie, sind nicht viel aufgeklärter als die Herren. (Man erwartete die umgekehrte Wendung.) Ungerechtigkeit ist demzufolge das eigentliche Princip im Laufe der Welt. Allen Wohlthätern der Menschheit ergeht es übel. Man verbrennt sie auf dem Scheiterhaufen ihrer Entdeckung, und Andere nützen aus, was sie gefunden haben.

      Ein Grundgedanke wird im Zusammenhange damit ausgesprochen, der sicherlich schon Manchem gekommen ist, ehe er ihn bei Renan fand. Prospero, der sich collegial mit Papst Clemens unterredet, sagt diesem offen, dass ihn der Papst enttäuscht habe. Er spricht (schon um das Jahr 1310) das gewichtige Wort: „Ich hatte von einer Papstmacht geträumt, die an der Spitze der Renaissance schritt“. – Der Papst: „Also das Christenthum durch das Papstthum zerstört?“ – Prospero: „Ja!“.

      Renan berührt hier eine für den denkenden Betrachter der Geschichte fesselnde Frage, die Nietzsche so stark beschäftigende, ob die lutherische Reformation die Renaissance nicht abgebrochen und vereitelt habe, ob nicht die Deutschen aus Mangel an Verständniss für das, was damals in Europa vorging, sie vergeudet.

      Was sah Luther in Rom? Sehr wenig. Nicht einmal Michelangelo. Er beobachtete mit Entsetzen die schlechten Sitten der Geistlichen, sah, dass ihnen weder Dogmen noch evangelische Vorschriften am Herzen lagen. Das war so ungefähr Alles. Die Renaissance hatte alle Bedingungen wie auch den Willen, von oben her, mittelst der päpstlichen Macht die Menschheit zu befreien. Einzelne Päpste hatten – gleichwie die grössten Kaiser des frühen Mittelalters (Friedrich II., der Hohenstaufe zum Beispiel) – sich an die Spitze einer Bewegung für Wiedereinführung der tausend Jahre brach gelegenen Cultur gestellt. Da kam Luther, zwang den Katholicismus in die Gegen-Reformation hinein und machte das Papstthum reactionär.

      Prospero hat das richtige Gefühl, dass das allmächtige Papstthum, geschirmt von der Ehrfurcht, die es einflösste, fast all den Aberglauben und die Irrthümer, deren Haupt es war, zu unterdrücken vermöchte. Doch stattet Renan seinen Helden mit der prophetischen Furcht aus, das Papstthum werde, erschreckt von seiner eigenen Kühnheit, die Segel reffen und die Bewegung, die es selbst begünstigt habe, ins Stocken zu bringen suchen. Mit anderen Worten, er lässt Prospero vorhersagen, was wirklich eintraf. Er lässt auch Brunissende mit Prospero sympathisiren: „Wir Frauen sind von den gleichen Gedanken erfüllt wie du. Der Aberglaube hat das Leben verringert. Wir wollen es aus dem Vollen leben“. Und sie fragt Prospero: „Willst du nicht uns Frauen ein Buch schreiben?“ Renan erwidert durch seinen Wortführer: „Andere werden dies thun, schöne Brunissende. Ich bin zu alt, mein Ende ist nahe“. Wohl nie zuvor hat Renan sich auf so directe

Скачать книгу