Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters. Александр Дюма

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Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters - Александр Дюма

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wegzunehmen, Stroh auf dem Boden meines Wagens auszubreiten, und mich darauf zu legen, indem ich mir aus meinem Mantelsacke ein Kopfkissen machte. So von Verbesserung zu Verbesserung schreitend, wurde mein Zustand am Ende beinahe erträglich.

      Mein Postillon ließ mich nach und nach vor dem Schlosse von Garchina, wohin Paul I. während der ganzen Zeit der Regierung Katharinas verbannt war, und vor dem Palast von Zarsko-Selo, der Sommer-Residenz des Kaisers Alexander, anhalten; aber ich war so ermüdet, daß ich mich nur den Kopf zu erheben begnügte, um diese beiden Wunder anzuschauen, indem ich mir vornahm, später in einem bequemeren Wagen zurückzukehren, um sie zu sehen.

      Beim Hinausfahren aus Zarsko-Selo brach plötzlich die Achse einer Droschke, welche vor mir fuhr, und der Wagen legte sich ohne umzuwerfen auf die Seite. Da ich auf Hundert Schritte hinter der Droschke war; so hatte ich Zeit, bevor ich sie einholte, aus derselben einen langen und mageren Herrn steigen zu sehen, der in der einen Hand einen Claquehut, und in der anderen eine jener kleinen Violinen hielt, die man Sackgeigen nennt. Er war in einen schwarzen Rock, wie man sie im Jahre 1812 in Paris trug, in schwarze Beinkleider, schwarzseidene Strümpfe und Schnallen-Schuhe gekleidet, und sobald er sich auf der Heerstraße befand, begann er Battierungen mit dem rechten Beine, dann mit dem linken Beine, hierauf Entrechats mit allen beiden Beinen zu machen, und endlich sich dreimal um sich selbst zu drehen, ohne Zweifel um sich zu überzeugen, daß er nichts gebrochen hätte. Die Besorgniß, welche dieser Herr für seine Erhaltung zeigte, fesselte mich dermaßen, daß ich nicht an ihm vorüber gehen zu können glaubte, ohne still zu halten und ihn zu fragen, ob ihm etwa ein Unfall begegnet sey.

      – Keiner, mein Herr, keiner, antwortete er, wenn es nicht der ist, daß ich meine Stunde verfehlen werde, eine Stunde, die man mir mit einem Louisdor bezahlt, mein Herr, und der hübschesten Person von St. Petersburg, an Fräulein von Vlodeck, welche übermorgen Philadelphie, eine der Töchter des Lord Warton, in dem Tableau Anton Vandyks bei dem Feste vorstellt, welches der Hof der Erb-Herzogin von Weimar gibt!

      – Mein Herr, antwortete ich ihm, ich verstehe nicht recht, was Sie mir sagen, aber es macht nichts, wenn ich Ihnen in etwas dienen kann?

      – Wie, mein Herr, ob Sie mir in etwas dienen können? Mein Gott, Sie können mir das Leben retten. Denken Sie sich, mein Herr, ich komme so eben von einer Tanzstunde, welche ich der Prinzessin Lubomirska gegeben habe, deren Landhaus zwei Schritte weit von hier ist, und die die Cornelia vorstellt. Eine Stunde von zwei Louis d’or, mein Herr, ich gebe für weniger keine; ich habe den Zulauf, ich benutze ihn; das ist ganz einfach, es gibt in St. Petersburg keinen andern französischen Tanzmeister, als mich. Nun denken Sie sich, daß dieser Schelm da mir einen Wagen gibt, der zerbricht, und der mich beinahe lahm gemacht hätte; glücklicher Weise sind die Beine heil. Ich werde mir Deine Nummer merken, geh, Schurke.

      – Wenn ich mich nicht irre, mein Herr, antwortete ich ihm, so besteht der Dienst, welchen ich Ihnen erweisen kann, darin, daß ich Ihnen einen Platz in meinem Wagen anbiete?

      – Ja, mein Herr, Sie haben es gesagt, das würde ein unermeßlicher Dienst sein, aber wahrlich, ich wage nicht . . .

      – Wie denn, unter Landsleuten . .

      – Mein Herr ist Franzose?

      – Und unter Künstlern . . .

      – Mein Herr ist Künstler? Ach! mein Herr, St. Petersburg ist ein recht schlechter Platz für Künstler. Der Tanz, vor allen der Tanz; o! er geht nur auf einem Beine. Mein Herr ist doch nicht zufällig Tanzmeister?

      – Wie, der Tanz geht nur noch auf einem Beine, aber Sie sagten mir doch eben, daß man Ihnen die Stunde mit einem Louis d’or bezahlt: sollte das vielleicht zufällig sein, um auf einem Beine hüpfen zu lernen? Ein Louis d’or, mein Herr, das ist inzwischen ein hübsches Geld, wie mir scheint?

      – Ja, ja, in diesem Augenblicke, wegen der Umstände, ohne Zweifel, aber, mein Herr, es ist nicht mehr das alte Rußland. Die Franzosen haben alles verdorben. Mein Herr ist doch nicht Tanzmeister, denke ich?

      – Man hat mir inzwischen von St. Petersburg als von einer Stadt gesprochen, in der jeder sich Auszeichnende gewiß wäre, eine gute Aufnahme zu finden?

      – Ach ja! ja, mein Herr, früher war es so bis zu dem Grade, daß es daselbst einen elenden Perückenmacher gab, der bis auf 600 Rubel täglich verdiente, während dem ich Mühe habe, wenn ich deren 80 verdiene. Mein Herr ist doch nicht Tanzmeister, hoffe ich?

      – Nein, mein lieber Landsmann, antwortete ich endlich, indem ich Mitleiden mit seiner Besorgniß hatte, und Sie können ohne Furcht, sich neben einem Nebenbuhler zu befinden, in den Wagen steigen.

      – Mein Herr, ich nehme es mit dem größten Vergnügen an, rief sogleich mein Vestris aus, indem er sich neben mich setzte. Und Dank sei Ihnen, ich werde noch zu rechter Zeit in St. Petersburg sein, um meine Stunde zu geben.

      Der Kutscher fuhr im Galopp davon; drei Stunden nachher, das heißt, mit einbrechender Nacht zogen wir in Petersburg durch das Thor von Moskau ein, und zu Folge der Auskunft, welche mir mein Reisegefährte gegeben, der mir, seitdem er die Ueberzeugung erlangt, daß ich kein Tanzmeister wäre, eine bewunderungswürdige Artigkeit gezeigt, stieg ich in dem Hotel von London, auf dem Admiralitäts-Platze, an der Ecke der Newskischen Perspective, ab.

      Dort verließen wir uns; er sprang in eine Droschke, und ich trat in das Hotel.

      Ich habe nicht nöthig zu sagen, daß, welche Lust ich auch hatte, die Stadt Peter I. zu besuchen, ich die Sache auf den andern Tag verlegte, ich war buchstäblich zerschmettert, und konnte mich nicht mehr auf meinen Beinen halten: kaum hatte ich die Kraft, in mein Zimmer hinauf zu gehen, wo ich glücklicher Weise ein gutes Bett fand, ein Möbel, das ich seit Wilna gänzlich entbehrt hatte.

      Am andern Tage erwachte ich um Mittag, das erste, was ich that, war an mein Fenster zu eilen: ich hatte den Admiralitäts-Palast mit seinem langen, von einem Schiffe überragten goldenen Pfeile und seinem Baumgürtel vor mir; zu meiner Linken befand sich das Senats-Gebäude, zu meiner Rechten der Winterpalast und die Eremitage, dann in Zwischenräumen jene glänzenden Monumente, schmale Aussichten auf die Newa, die mir breit wie ein Meer schien.

      Ich frühstückte während des Ankleidens, und sobald ich angekleidet war, eilte ich auf den Kai des Palastes, den ich bis an die Troitskoi-Brücke hinaufging, eine Brücke, die im Vorbeigehen gesagt, achtzehn Hundert Fuß lang ist, und von wo aus zuerst die Stadt zu übersehen man mich aufgefordert hatte. Das war der beste Rath, den ich in meinem Leben empfangen habe.

      In der That, ich weiß nicht, ob es in der ganzen Welt ein dem ähnliches Panorama gibt, als das, welches sich vor meinen Augen entfaltete, als ich, den Rücken nach dem Stadtviertel von Wiborg drehend, meine Blicke bis nach den Inseln von Volnoi und nach dem Finnischen Meerbusen schweifen ließ.

      Neben mir zu meiner Rechten, durch zwei leichte Brücken wie ein Schiff vor Anker liegend, erhob sich auf der Insel Aptekarsko die Festung, die erste Wiege von St. Petersburg, über deren Mauern sich der goldene Pfeil der Sanct Peters- und Sanct Pauls-Kirche, in welcher die Czaren begraben sind, schwenkte, und das ganz grüne Dach des Münzgebäudes. Der Festung gegenüber und auf dem andern Ufer hatte ich zu meiner Linken den Marmor-Palast, dessen großer Fehler ist, daß der Baumeister ihm ein Façade zu geben vergessen zu haben scheint; die Eremitage, eine von Katharina II. gebaute allerliebste Zufluchtsstätte gegen das Hofceremoniell, der kaiserliche Winterpalast, merkwürdiger durch seine Masse, als durch seine Gestalt, durch seine Großartigkeit, als durch seine Bauart, die Admiralität, mit ihren beiden Flaggen und ihren Granittreppen, die Admiralität, dieses riesenhafte Centrum, von wo aus die drei Hauptstraßen von St. Petersburg auslaufen; die Newskische Perspective, die Erbsenstraße, und die Auferstehungsstraße; – endlich, jenseits der Admiralität, der englische Kai mit seinen prachtvollen Gebäuden, welche

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