Der Pastor von Ashbourn. Александр Дюма

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Der Pastor von Ashbourn - Александр Дюма

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zu gleicher Zeit klopfte meine gute Mutter an meine Thür, indem sie mir meldete, daß die Glocke in einer Viertelstunde läuten würde.

      Ich stand auf, kleidete mich an und suchte ein letztes Mal meine Ideen für die Predigt zu sammeln, die ich halten – Unmöglich! Mein Geist war voller Bilder und Töne, die ich seit dem gestrigen Tage gesehen und gehört hatte. Ich sah nur diese schwarz gekleidete Wittwe, diese drei, eines nach dem andern auf der Erde erlöschenden Lichter, diese Myriaden von Welten, welche sich an dem Himmel anzündeten und funkelten, diesen die Dunkelheit verjagenden Mond, und diesen Morgenstern, der, emporsteigend, den Mond verjagte und den Tag meldete. Ich hörte nur diese trostlose Mutter, welche, wie Rachel in Rama, den Verlust ihrer Töchter bejammerte, und diese melodische Nachtigall, welche, auf dem höchsten Zweige dieser Weide sitzend, die das Ende ihrer Zweige in das dunkle Wasser des Teiches tauchte, die ganze Nacht über gesungen hatte, um sie zu trösten.

      Die Stunde schlug; es befand sich in der Kirche eine vielleicht noch größere Menschenmenge als das erste Mal, wo ich gepredigt hatte. Ich schritt ohne Affectation durch diese Menge, indem ich die Augen weder erhob, noch niederschlug und vollkommen ruhig von Herzen wie im Geiste war.

      Wie das erste Mal trat ich in die Sakristei, dieses Mal nicht mehr, um eine schlechte Predigt zu verbessern, sondern um ein inbrünstiges Gebet zu verrichten. Ich kniete nieder, und nachdem ich demüthig mein Herz Gott zu Füßen gelegt, kehrte ich in die Kirche zurück und bestieg die Kanzel, indem ich noch nicht wußte, über welchen Gegenstand ich sprechen würde, aber überzeugt, daß Gott, auf den ich mich mit so viel Glauben verließ, mich in diesem entscheidenden Augenblicke nicht verlassen würde.

      Während des Gesanges blickte ich um mich und sah zu meiner Rechten in einer Seitenkapelle die ehrwürdige Wittwe des Pastors Snart knieend und die Augen auf die Wand geheftet; an dieser Wand waren drei kleine Immortellenkränze aufgehängt, und in der Mitte jedes dieser Kränze befand sich ein Anfangsbuchstabe. Ich errieth, daß diese drei Kränze den drei jungen Mädchen gewidmet wäre n und daß diese Anfangsbuchstaben die ihrer Namen seien. Ich beschwor nun im Geiste diese drei Engel der Reinheit, damit sie mich begeistern und unterstützen möchten. – In diesem Augenblicke erinnerte ich mich in der That, als ob mein Gebet erhört worden wäre, der letzten Worte der ältesten der drei jungen Mädchen: » Der Mensch ist nur ein Fremdling auf Erden,« und ich beschloß, sie zum Texte für meine Predigt zu nehmen.

      In der That, welchen schöneren Text gab es? welchen besser gewählten Text, um zu den Herzen Aller zu reden? Je zahlreicher die Versammlung war, desto größer würde die Absonderung eines Jeden erscheinen. Es war daher eine wahre Eingebung, die mir aus dem Grabe kam. Ich wandte mich nach den drei Kränzen, um sie zu begrüßen, und ich sah unsere würdige Mutter, die mich mit einem Gefühle voller Bangigkeit und Augen voller Thränen anblickte.

      Ich lächelte ihr zu, indem ich ihr einen Wink gab, um sie zu beruhigen; dann, da in diesem Augenblicke der Gesang aufhörte, wandte ich mich wieder nach meiner zukünftigen Gemeinde und zeigte mit einer zugleich sanften und ruhigen, liebevollen und festen Stimme den Text an, über den ich sprechen würde.

      Bei dieser einfachen Anzeige verbreitete sich ein wohlwollendes Gemurmel in der Versammlung.

      Ich fing an.

      Sie machen sich keinen Begriff, mein lieber Petrus, mit welcher Klarheit sich die Ideen meinem Geiste und die Worte meinem Munde boten. Ich hatte keine Furcht, keine Verlegenheit, keine Unschlüssigkeit. Bei den ersten Worten, die ich aussprach, blickten sich meine Zuhörer voller Erstaunen an, wie um sich einander zu fragen, ob ich wirklich dieselbe Person wäre, welche ihnen drei Monate vorher jene geschraubte, weitschweifige, unverständliche Predigt gehalten hatte . . . Ich nahm den Menschen von seiner Geburt an; ich verglich ihn mit einem in seiner Jugend mit grünen Blättern bedeckten Baum, der jedes Jahr seine Blätter verliert, die mit jedem Jahre wieder wachsen – die aber gegen eine gewisse Zeit anfangen, weniger frisch, weniger lebenskräftig, weniger zahlreich zu wachsen – bis daß er endlich, alt und entlaubt, einsam und vertrocknet, nichts mehr über diese Erde ausbreitet, die er einen Augenblick lang mit Schatten bedeckt hat, als einen knorrigen Stamm und abgezehrte Arme. Ich zeigte nicht allein den Menschen wie eine vorüberkommende Erscheinung, sondern auch noch die Generationen, die sich wie Schatten einander folgten, eine unermeßliche Prozession, schnell vergänglich durch die Einheit, ewig durch ihre Masse; den Menschen, wie er nackend und wankend aus der Erde hervorgeht, die er einen Augenblick lang bewohnt, indem er sich nach dem Himmel sehnt, und der nach vierzig, fünfzig, sechszig Jahren, das heißt nach einer Stunde, einer Minute, einer Sekunde nach der Rechnung der Ewigkeit, seinen wankenden und nackten Leib dieser Erde zurückgiebt, aus der er hervorgegangen ist, während die unsterbliche Seele wieder zum Himmel aufsteigt, das heißt zu der göttlichen Wohnung, aus der sie herabgekommen ist, und wo – eine Fremde auf Erden – sie die hohe Belohnung aus den Händen der höchsten Güte erwartet. Ich zeigte in dem Maße, als der Mensch in das Leben eintritt, diesen Menschen, wie er Alles verliert, was er geliebt hat; zuerst den Vater, der ihm das Dasein gegeben hat, dann die Mutter, die ihn ernährt hat; dann nach ihrer Reihe die Kinder, die er erzeugt, erzogen, genährt hat, wie sie ihn nicht für den Tod, sondern für das Leben verlassen: der Gatte, um in einer anderen Stadt, einer anderen Gegend, in einer anderen Welt die für seinen Lebensunterhalt, für den Lebensunterhalt seiner Frau, für den Lebensunterhalt seiner Kinder nöthigen Mittel zu suchen; die Gattin, um ihrem Gatten überall hin zu folgen, wohin er geht; ich zeigte ihn, wie er in dem Maße, als er dem Grabe zuschreitet, an jeder Ecke des Weges einen Bruder, einen Verwandten, einen Freund verliert, so daß er, wenn er jemals auf diesem Wege des Jammers und der Thränen zurückkäme, er ihn Schritt vor Schritt wegen der Gräber wieder einschlagen könnte, die er wie Meilensteine auf der ganzen Länge und auf beiden Seiten seines Weges wiederfinden würde.

      Indem ich mich dann endlich nach meiner guten Mutter umwandte, welche mich anhörend und mich anblickend, Thränen der Rührung und der Wonne vergoß, die drei Kränze zeigte, vor denen diese Frau kniete, die dreimal das gelitten hatte, was die Mutter Gottes gelitten, rief ich aus:

      – Ja, ja, der Mensch ist ein Fremdling auf dieser Erde, er erscheint, er wächst, er leidet, er geht vorüber . . . und einige vertrocknete Blumen, der erste Buchstabe eines Namens, die Furche, die er gegraben, die er mit seinen Thränen benetzt hat und die sich hinter ihm über dem Abgrunde der Vergangenheit wieder schließen wird, wie die Furche eines Schiffes auf dem Abgrunde des Oceans, das ist es, was er von sich, nach sich zurückläßt! . . . Aber beruhigt Euch, Ihr, die Ihr entweder eine Mutter oder einen Vater, oder einen Gatten, oder ein Kind beweint, beruhigt Euch! Fremdlinge auf dieser Erde, haben Euch die, welche Euch verlassen haben, nur für eine Zeit lang verlassen, und sie sind hingegangen, Euch in dem Himmel, jener Heimath, zu erwarten, wo Ihr Euch eines Tages in der glückseligen Ewigkeit und in dem unendlichen Glanze wieder mit ihnen vereinigen werdet!

      Ich vermag Ihnen nicht auszudrücken, mein lieber Petrus, zu welchem Grade der Rührung ich, als ich dazu kam, meine Zuhörer geführt hatte; es gab nicht eine einzige Person unter dieser Menge, die nicht in Thränen ausbrach, und ich selbst, als der erste, vergoß reichliche Thränen, indem ich an meinen würdigen Vater und an meine ehrwürdige Mutter dachte. Nun aber wissen Sie, daß die besten Freunde, die zuverlässigsten Freunde die sind, welche mit einander geweint haben. Als ich die Kanzel verließ, fand ich alle Arme offen, um mich zu empfangen; ich wurde im Triumph in die Sakristei getragen; die Greise, die, da sie bereits das Meiste auf dieser Welt verloren haben, mich am besten verstehen mußten, die Greise umarmten mich, drückten mich an ihr Herz und riefen mit einem Gefühle aus, das an Begeisterung grenzte:

      – O, Sie werden unser Pastor werden, wir wollen keinen anderen als Sie; wir werden Sie von dem Herrn Rector verlangen, und müßten wir auch Alle nach der Stadt gehen, um diese Forderung an ihn zu stellen, wir werden Sie erlangen!

      Einen Augenblick lang hätte man glauben können, daß diese Forderung unnöthig wäre, denn es versicherte Jemand, den Herrn Rector erblickt zu haben, wie er in einem der dunkelsten und entlegensten Winkel der Kirche meine Predigt angehört hätte, wohin

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