Die Blinde. Уилки Коллинз
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Ich zog sofort meine Schlüsse.
Dank meiner Trägheit, welche mich die kostbaren Morgenstunden im Bette hatte verschlafen lassen, war Lucilla mir zuvorgekommen. Das einzige, was mir zu thun übrig blieb, war, ihr so rasch wie möglich zu folgen. Eine halbe Stunde später machte ich allein einen kleinen Spaziergang, und nahm ebenfalls meinen Weg in der Richtung des Thales von Browndown zu.
Ländliche Stille herrschte rund um das kleine einsame Haus. Ich ging an demselben vorüber und bog in die nächste Windung des Thales ein. Kein menschliches Wesen war zu sehen. Ich kehrte um und ging wieder nach Browndown, um zu recognosciren. Ich stieg die Anhöhe hinan, auf welcher das Häuschen lag, und näherte mich demselben von der Rückseite her. Alle Fenster standen offen; ich horchte. Denke niemand, daß ich dabei irgend welche Scrupel empfand. Nur eine Thörin hätte bei einer solchen Gelegenheit etwas derart empfinden können. Ich horchte mit beiden Ohren, durch ein Fenster an der Seite vernahm ich den Klang von Stimmen. Ich trat geräuschlos auf dem Rasen näher und hörte Dubourgs Stimme. Eine Frauen stimme antwortete ihm. Aha, ich hatte sie also ertappt.
»Wunderbart« hörte ich ihn sagen. »Ich glaube, Sie haben Augen in Ihren Fingerspitzen. Nehmen Sie jetzt einmal dies in die Hand und versuchen Sie ob Sie mir sagen können, was es ist.«
»Eine kleine Vase,« antwortete sie in so ruhigem Tone, als ob sie ihn seit Jahren gekannt hätte. »Warten Sie, lassen Sie mich fühlen, was für Metalles ist. Silber? Nein, Gold .Haben Sie diese Vase wirklich auch selbst gemacht wie den Kasten.«
»Ja Eine sonderbare Liebhaberei, nicht wahr getriebene Arbeiten in Gold und Silber zu machen. Vor Jahren traf ich in Italien einen Mann, der mich diese Kunst lehrte. Es machte mir damals Vergnügen und macht mir noch heute Vergnügen. Als ich im vorigen Frühjahr in der Reconvalescenz von einer Krankheit war, verfertigte ich diese Vase aus dem Metall und versah sie mit den darauf befindlichen Ornamenten.
»Da ist mir also wieder ein Geheimniß enthüllt,« rief sie aus. »Jetzt weiß ich, wozu Sie sich jene Gold – und Silberplatten aus London haben kommen lassen. Wissen Sie auch, in welchem Ruf Sie hier stehen? Es giebt hier Leute, die Sie im Verdacht haben, ein Falschmünzer zu sein!«
Beide brachen wie muntere Kinder in ein lautes Lachen aus. Ich muß bekennen, ich wünschte auch im Zimmer zu sein. Aber nein, ich hatte meine Pflicht als respectable Frau zu erfüllen. Meine Pflicht war mich noch etwas näher an das Fenster heranzuschleichen und zu sehen, ob irgend welche Vertraulichkeiten zwischen diesen beiden jungen munteren Leuten gewechselt würden. Die eine Hälfte des offenen Fensters war durch eine Jalousie geschützt. Ich stellte mich hinter die Jalousie und guckte hinein. O Pflicht, peinliche, aber nothwendige Pflicht! Dubourg saß, den Rücken gegen das Fenster gekehrt, Lucilla stand ihm gegenüber und kehrte mir ihr Gesicht zu. Ihre Wangen glühten vor Vergnügen; in ihrer Hand hielt sie die hübsche kleine goldene Vase. Ihre gewandten kleinen Finger fuhren rasch über die selbe hin, gerade wie sie am Abend vorher über mein Gesicht gefahren waren.
»Soll ich Ihnen das Muster aus Ihrer Vase beschreiben?« fuhr sie fort.
»Können Sie das wirklich?«
»Urtheilen Sie selbst. Das Muster besteht aus Blättern, auf denen in gewissen Zwischenräumen Vögel sitzen. Warten Sie, mich dünkt ich habe solche Blätter schon einmal an der Mauer des alten Theils des Pfarrhauses gefühlt. Epheu?«
Erstaunlich; es sollen wirklich Epheublätter sein.«
»Aber die Vögel,« nahm sie wieder auf, »ich werde mich nicht beruhigen, bis ich Ihnen auch gesagt habe, was es für Vögel sind. Habe ich nicht ganz ähnliche Vögel von Silber, nur viel größer, weil sie als Behälter für Pfeffer, Senf, Zucker und so weiter dienen? Eulen!« rief sie triumphirend aus, »kleine Eulen, die in Nestern aus Epheublättern sitzen. Was für ein reizendes Muster! Ich habe nie von etwas Aehnlichem gehört.«
»Behalten Sie die Vase« sagte er. »Sie würden mich dadurch ebenso sehr ehren wie erfreuen, behalten Sie die Vase.«
Sie stand auf und schüttelte den Kopf, ohne ihm jedoch die Vase zurückzugeben.
»Ich würde sie annehmen können, wenn Sie nicht ein Fremder wären,« sagte sie. »Warum theilen Sie uns nicht mit, wer Sie sind und was Sie für Gründe haben, ganz allein in diesem einsamen Häuschen zu wohnen?«
Er stand vor ihr mit gesenktem Kopf und seufzte schwer.
»Ich weiß, ich müßte mich erklären antwortete er, »ich darf mich nicht wundern, wenn die Leute Verdacht gegen mich schöpfen,« er hielt einen Augenblick inne und fuhr dann sehr ernst fort: »Ich kann es Ihnen nicht sagen. Nein, Ihnen nicht!«
»Warum nicht?«
»Fragen Sie mich nicht!«
Sie fühlte mit ihrem elfenbeinernen Stock nach dem Tisch und setzte mit sichtlichem Widerstreben die Vase auf denselben nieder. »Guten Morgen, Herr Dubourg,« sagte sie.
Schweigend öffnete er ihr die Thür des Zimmers.
An die Seitenmauer des Hauses gelehnt, sah ich sie unter dem bedeckten Eingange des Hauses erscheinen und den kleinen ummauerten Platz vor dem Hause überschreiten. Als sie auf den jenseits desselben liegen den Rasen trat, wandte sie sich um und redete ihn noch einmal an.
»Wenn Sie mir Ihr Geheimniß nicht mittheilen wollen,« sagte sie, »würden Sie es jemand Anderen würden Sie es einer Freundin von mir anvertrauen?«
»Welcher Freundin?« fragte er.
»Der Dame, welcher Sie gestern Abend mit mir begegneten.«
Er zauderte einen Augenblick und sagte dann: »Ich fürchte, ich habe die Dame beleidigt.«
»Das wäre ja nur ein Grund mehr für Sie sich – zu erklären«; erwiderte sie. »Wenn Ihre Auskunft nur, meine Freundin befriedigt, so könnte ich Sie bitten, « uns zu besuchen, könnte sogar die Vase von Ihnen annehmen.« Mit diesem sehr deutlichen Wink ging sie nun, nachdem sie ihm die Hand gereicht hatte, wirklich fort. Ihre bei dieser Gelegenheit bewiesene vollkommene Selbstbeherrschung, ihre ebenso kühne wie naive, bequeme Vertraulichkeit im Verkehr mit diesem Fremden setzte mich in das höchste Erstaunen. »Ich werde Ihnen noch diesen Morgen meine Freundin schicken,« sagte sie in gebietenden Tone, indem sie mit ihrem Spazierstock auf den Rasen schlug. »Ich bestehe darauf, daß Sie ihr die volle Wahrheit mittheilen.« Dabei gab sie ihm ein Zeichen, daß er sie nicht weiter begleiten möge, und trat ihren Rückweg nach dem Dorfe an. War es nicht in der That erstaunlich? Statt daß ihre Blindheit sie, wie man hätte erwarten sollen, in Gegenwart eines ihr unbekannten Mannes befangen gemacht hätte, schien dieselbe gerade die entgegengesetzte Wirkung zu haben. Ihre Blindheit machte sie furchtlos. Er blieb auf der Stelle, wo sie ihn verlassen hatte, stehen und beobachtete sie, bis sie seinen Blicken ganz entrückt war. Sein Benehmen gegen sie in und außerhalb des Hauses war, wie ich anerkennen muß, ebenso bescheiden wie rücksichtsvoll gewesen. Schüchtern war bei ihrer Unterhaltung nur er gewesen. Ich trug ein kurzes Kleid, welches kein Geräusch auf dem Grase verursachte. Ich ging längs der Umfassungsmauer hin und trat, ohne daß er mich hätte gewahr werden können, von rückwärts an ihn heran. »Das reizende Geschöpf,« sagte er zu sich selbst, indem er sie noch mit den Blicken verfolgte. In dem Augenblick, wo er diese Worte aussprach, berührte ich mit meinem Sonnenschirm seine Schulter.
»Herr Dubourg,« sagte ich, »ich komme, um Ihre Mittheilung der Wahrheit entgegenzunehmen.«
Er fuhr heftig zusammen und stand mir in sprach losem Entsetzen gegenüber, indem er wiederholt die