Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Es nützt alles nichts«, seufzte sie schließlich. »Diese Suppe muss ich selbst auslöffeln.« Zaghaft drückte sie die Klinke hinunter und ging mit weichen Knien hinüber in die Küche.
»Guten Morgen, meine Königin«, grüßte Edgar sie strahlend wie der junge Morgen persönlich.
Er hatte nicht nur sein Versprechen eingelöst und die Küche von den Suppenflecken befreit und auf Vordermann gebracht. Auch darüber hinaus spielte er den perfekten Hausmann und hatte den Tisch gedeckt, Kaffee und Eier gekocht.
»Ich wusste nicht, ob du ein weich gekochtes Ei magst oder lieber ein hartes. Deshalb hab ich dir zwei gemacht. Das mit dem Kreuzchen obendrauf ist das weiche.«
»Morgen«, erwiderte Wendy einsilbig. Den Tag mit Edgar von Platen beginnen zu müssen, war mehr, als sie verkraftete. Noch dazu, wenn sie sich daran erinnerte, zu was sie sich hatte breitschlagen lassen. Obwohl es draußen sommerlich warm war, zog sie die dünne Strickjacke fröstelnd eng um sich.
»Soso, ich habe es also mit einem Morgenmuffel zu tun«, lachte er unbekümmert und schenkte Kaffee ein. »Hast du gut geschlafen?«
»Nein. Ich hatte fürchterliche Albträume.«
»Du Ärmste! Ich hatte eine perfekte Nacht.«
»Freut mich für dich.« Unwillig stellte Wendy fest, dass er sogar daran gedacht hatte, die Milch warm zu machen. Warum nur gab er ihr keinen Grund, wütend auf ihn zu sein? Schweigend rührte sie in ihrem Kaffee.
Als sich Edgar zu ihr gesetzt hatte, holte sie tief Luft. Besser, sie brachte es gleich hinter sich.
»Hören Sie, Edgar, ich weiß nicht, was gestern in mich gefahren ist …«
»Aber ich weiß es. Du liebst mich eben und wolltest es bisher nur nicht wahrhaben.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht.«
Überrascht von ihrer unwirschen Reaktion hob Edgar abwehrend die Hände.
»Ruhig Blut. Das war doch nur ein Witz«, versuchte er sie zu beschwichtigen. Selbst mir ist inzwischen aufgefallen, dass du mich nicht sonderlich gut leiden kannst.« Ohne den Blick von Wendy zu nehmen, rührte er sinnend in seinem Kaffee. »Ich würde sagen, uns verbindet eine klassische Hassliebe. Du hasst mich und ich liebe dich.«
Wendys Kopf dröhnte noch immer und langsam aber sicher brachte sie dieser charakterlose Schönling zur Verzweiflung.
»Ich hasse Sie nicht«, stöhnte sie und stand auf, um im Erste-Hilfe-Schrank hinter der Tür nach einer Kopfschmerztablette zu suchen. »Sie sind mir einfach egal. Alles, was ich von Ihnen will, ist mein Geld zurück. Danach können Sie gerne auf Nimmerwiedersehen aus meinem Leben verschwinden.« Wendy hatte gefunden, wonach sie gesucht hatte und füllte an der Spüle ein Glas Wasser und schluckte die Tablette. Danach kehrte sie an den Tisch zurück.
»Du bist ganz schön wütend auf mich«, stellte Edgar überflüssigerweise fest und biss in die Scheibe Brot, die er großzügig mit Wendys bestem Schinken belegt hatte. »Und keine Sorge, ich weiß, dass es einen anderen Mann in deinem Leben gibt, dem ich unmöglich das Wasser reichen kann. Aber darf ich dich wenigstens daran erinnern, dass wir Brüderschaft getrunken haben?«
Entsetzt riss Wendy die Augen auf. Was war denn noch alles passiert, woran sie sich nicht erinnern konnte?
»Habe ich dich etwa geküsst?«, fragte sie vorsichtig.
Eine Wolke huschte über Edgar von Platens gut geschnittenes Gesicht.
»Dazu kam es leider, leider nicht. Obwohl ich es mir so gewünscht hatte.«
»Wenigstens etwas!«, seufzte Wendy, auch wenn sie nicht sonderlich erleichtert war.
Edgar von Platen fixierte seine Gastgeberin mit einem, wie er meinte, verliebten Blick und beugte sich weit über den Tisch. Je näher er kam, umso weiter wich Wendy zurück.
»Dann bekomme ich also wirklich keine zweite Chance?«, versuchte er hartnäckig noch einmal sein Glück.
Sie bestätigte seinen Verdacht mit einem so energischen Nicken, wie es ihr in Anbetracht ihres angeschlagenen Zustands möglich war.
»Hast du Alex schon wieder vergessen? Und das, was ich machen werde, wenn du mir mein Geld nicht zurückgibst?«, erinnerte sie ihn schonungslos.
Seufzend lehnte er sich zurück.
»Aber auf dein Wort kann ich mich trotzdem verlassen?« Zum ersten Mal, seit Wendy den smarten Geschäftsmann kannte, stand eine echte Sorge in seinen Augen. »Dass ich ein paar Tage bei dir wohnen kann, bis ich meine Geschäfte hier abgewickelt habe? Ein Hotel kann ich mir nicht leisten, das habe ich dir doch lang und breit erklärt.«
Natürlich hatte Wendy ihm diese Bitte in der Nacht zuvor sofort abgeschlagen. Aber Edgar hatte sich nicht beirren lassen und ihr im Gegenzug das schuldige Geld versprochen. Mit Engelszungen hatte er auf sie eingeredet und mit seinem treuen Hundeblick gespielt, dass sie in ihrem angetrunkenen Zustand schließlich schwach geworden war. Zumal er ihr versprochen hatte, dass er sie dann nie wieder belästigen würde.
»Vier Tage. Mehr nicht«, traf Wendy schließlich eine Entscheidung und ärgerte sich schon wieder über sich selbst. Aber sie hätte sich auch geärgert, wenn sie auf das Geld verzichtet hätte. Was auch immer sie tat, es konnte nur falsch sein. Wieder einmal hatte Edgar von Platen sie in eine Falle gelockt. Und sie konnte nur hoffen, dass es ihr gelang, sich unversehrt zu befreien. Alexander Gutbrodt war ihr dabei eine große Hilfe. Seine bloße Existenz schien zu genügen, um Edgar einzuschüchtern. Das war das Einzige, das ihr Mut machte.
*
Nach einer ersten Untersuchung wurde Manfred Holler zur Kernspintomographie geschickt. Danach sollte er sich wieder bei der Orthopädin Dr. Verena Schreiner einfinden.
»Herr Dr. Norden, das ist ja eine Überraschung!«, staunte er nicht schlecht, als er ins Zimmer der Ärztin zurückkehrte und den Arzt dort vorfand.
Daniel hatte seine Patientin bei der Kollegin Kober abgeliefert und war dann auf direktem Weg in die Orthopädie gegangen.
»Haben Sie kein Wochenende?«, fragte Manfred.
»Im Normalfall schon. Aber in wichtigen Fällen mache ich durchaus eine Ausnahme.«
»Was sagt Ihre Frau dazu?« Unwillkürlich musste Manfred an Nataschas enttäuschtes Gesicht denken.
»Meine Frau stammt auch aus einer Arztfamilie. Sie ist es also gewohnt. Außerdem ist sie selbst Ärztin und teilt meine Leidenschaft für diesen Beruf.«
»Sie haben es gut«, seufzte Dr. Verena Schreiner, eine aparte Frau in den Vierzigern. »Meine Beziehungen zerbrechen regelmäßig an meinen Arbeitszeiten. Am Anfang sind die Herren der Schöpfung immer voller Bewunderung. Aber irgendwann hat noch jeder Mann angefangen, sich zu beschweren. Doch gegen meinen Beruf hat keiner eine Chance. Entweder der Mann akzeptiert ihn. Oder eben nicht. In diesem Fall ist er der Falsche für mich. Und das war bisher immer so.« Sie hatte die