Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Entschieden nahm Verena die Hände aus den Taschen und lächelte aufmunternd.
»Keine Angst. Wir werden schon rausfinden, was Ihnen fehlt, und die Ursache für ihre Ausfälle so schnell wie möglich beheben.«
»Wenn Ihnen das gelingt, sind Sie Ehrengast auf meiner Hochzeit«, versprach Manfred und setzte sich neben die beiden Ärzte, um die Aufnahmen zu betrachten.
Verena schob die CD ins Laufwerk des Computers. Zunächst lächelte sie noch. Doch dann gefror nicht nur ihre sondern auch die Miene ihres Kollegen Daniel Norden. Geübt im Interpretieren solcher Bilder wusste er sofort, dass mit diesem Befund nicht zu spaßen war.
»Kann ich offen mit Ihnen reden?«, war er es denn auch, der das sensible Gespräch übernahm.
Manfred konnte nur helle und dunkle Schatten auf dem Bildschirm ausmachen. Er schluckte.
»Was ist es? Ein Bandscheibenvorfall, der nur durch eine Operation behoben werden kann?«, ging er in die Offensive.
Verena Schreiner und Daniel Norden sahen sich kurz aber vielsagend an.
»Sehen Sie selbst«, forderte Dr. Schreiner ihren Patienten freundlich auf. »Ich erkläre es Ihnen.«
Zögernd rollte Manfred mit seinem Stuhl auf den Platz, den Dr. Norden für ihn frei gemacht hatte.
»Wir haben es hier mit einem Tumor zu tun, der bereits in den Rückenmarkkanal hineinreicht«, redete sie nicht lange um den heißen Brei herum und deutete auf die entsprechenden Bereiche der Aufnahmen. Dann sah sie ihren Patienten fragend an. »Seit wann haben Sie denn Beschwerden?«
Manfred war blass geworden.
»Als Leistungssportler leide ich quasi immer unter irgendwelchen Schmerzen«, erklärte er mit rauer Stimme. »Deshalb habe ich die Rückenschmerzen auch gar nicht sonderlich ernst genommen. Die habe ich seit ungefähr zwei, vielleicht drei Monaten. Ich dachte, das vergeht schon wieder.«
»Demnach haben Sie die Schmerzen gar nicht mit dem Wegknicken der Beine in Zusammenhang gebracht?«, erkundigte sich Daniel Norden.
»Nein.« Manfred Holler schüttelte den Kopf. »Auf diese Idee wäre ich niemals gekommen.« Sein völlig verunsicherter Blick wanderte von einem Arzt zum anderen. »Können Sie schon sagen, ob es sich um einen gutartigen Tumor handelt?« Seine Gedanken eilten weiter, und er wagte es kaum, seinen schrecklichen Verdacht auszusprechen. Doch es musste sein. Er konnte die Tatsachen nicht länger verleugnen. »Oder um Krebs?«
»Eine solche Aussage zu wagen, wäre unseriös«, antwortete Dr. Verena Schneider ohne Zögern. »Sicher ist nur, dass wir um einen Eingriff nicht herumkommen werden.« Sie hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. »Wir sollten schnell handeln, bevor der Tumor die Nerven immer weiter beeinträchtigt und irreversible Schäden verursacht.«
Manfred starrte auf den Bildschirm, der vor seinen Augen verschwamm.
»Ich wollte in ein paar Wochen heiraten«, wiederholte er mit einer Stimme, die von weit, weit her kam. »Natascha ist meine große Liebe. Die erste Frau, mit der ich mir vorstellen kann, alt zu werden.« Wieder tauchte ihr enttäuschtes Gesicht vor ihm auf. »Ich kann doch die Hochzeit nicht einfach so absagen.« Er schickte den Ärzten einen hilflosen Blick.
»Nach allem, was Sie von ihr erzählt haben, bin ich sicher, dass Ihre Verlobte eine großartige Frau ist«, versuchte Daniel Norden, seinen verzweifelten Patienten zu trösten. »Natascha wird nicht nur Verständnis dafür haben sondern darüber hinaus auch noch froh sein, wenn Sie den Eingriff nicht unnötig lange hinauszögern und damit ein unkalkulierbares Risiko eingehen.« Daniel Norden räusperte sich. Er hatte tiefes Mitgefühl mit dem sympathischen Lehrer. Und es tat ihm in die Seele hinein leid, dass das noch nicht alles war, was er ihm sagen musste.
Doch er war nicht allein. Verena Schreiner war sensibel genug, um die Not des Kollegen zu erkennen. Sie ließ ihn nicht im Stich.
»Leider muss ich Ihnen sagen, dass eine Operation angesichts der Lage des Tumors einige Gefahren birgt, die wir im Augenblick noch nicht abschätzen können.«
Wenn möglich, wurde Manfred noch blasser. Er klammerte sich an den Lehnen seines Stuhls fest, dass seine Knöchel weiß wurden.
»Was heißt das genau?«, versuchte er, die Fassung zu wahren. Wenigstens noch so lange, bis er dieses Zimmer verlassen hatte und allein war.
Verena antwortete nicht sofort. Es gehörte zu den schwierigsten Aufgaben dieses Berufs, solche Hiobsbotschaften zu übermitteln. Viele Kollegen brachten diese Angelegenheiten mit wenig Empathie – kurz und schmerzvoll – hinter sich und ließen ihre Patienten mit ihren furchteinflößenden Gedanken, der namenlosen Angst und den vielen Fragen allein. Nicht so Daniel Norden, Jenny Behnisch und ihr gesamtes Team. Sie alle hatten sich einem gefühlvollen Umgang mit diesen sensiblen Themen auf die Fahne geschrieben und handelten entsprechend. Trotzdem blieb ihnen allen manchmal nichts anderes übrig als ihren Patienten reinen Wein einzuschenken.
»Das bedeutet, dass wir nicht genau wissen, ob Sie Ihre Beine nach dem Eingriff noch gebrauchen können.«
Manfred sah zwar, dass sich Daniel Nordens Hand auf seinen Arm legte. Doch er fühlte es nicht.
»Ich werde möglicherweise für den Rest meines Lebens behindert sein?«, stammelte er fassungslos und starrte Dr. Verena Schreiner ins Gesicht.
»Es könnte sein«, musste Daniel Norden gestehen. »Aber es ist nicht sicher. Wir fällen hier kein Urteil über Ihr Schicksal. Wir sind nur verpflichtet, Sie über die möglichen Risiken aufzuklären.«
Manfred Hollers Gedanken schossen hierhin und dorthin. Er dachte an seinen geliebten Sport, an seinen Beruf. Und nicht zuletzt natürlich an seine junge Frau. An Natascha, die sich schon jetzt auf eine Familie freute, auf Kinder … Kinder? Wie unter einem Peitschenhieb zuckte er zusammen.
»Kann ich denn dann noch Kinder haben? Kann ich es meiner jungen Verlobten überhaupt zumuten, mit einem Behinderten alt zu werden?«
»Ein Unglück kann immer passieren«, versuchte Dr. Schreiner, ihrem verzweifelten Patienten Mut zu machen. »Dieses Risiko gehört einfach zum Leben. Schließlich könnte Ihrer zukünftigen Frau auch etwas zustoßen. Dann würden Sie sie doch auch nicht verlassen.«
Manfreds Gesicht war verzerrt, als er abwehrend die Hände hob.
»Ich bitte Sie, wir leben doch nicht in einem Märchen!«, gab er unwirsch zurück. »Natascha ist zehn Jahre jünger als ich. Ich könnte es schon vor meinem Gewissen nicht verantworten, sie unter diesen Umständen an mich zu binden. Jeden Tag würde ich mir Vorwürfe machen, Sie an mich gefesselt, ihr das Recht auf ein unbeschwertes Leben genommen zu haben, das ich mir in der Vergangenheit durchaus gegönnt habe.« So schnell sein Zorn gekommen war, so rasch war er auch wieder verflogen, und ermattet ließ Manfred die Arme sinken. Jetzt wirkte er wie ein mutloser, entsetzlich trauriger, großer Junge.
Eine Weile saßen die drei noch zusammen und beantworteten die Fragen des Lehrers so gut es ging. Schließlich war alles gesagt, und es gab keinen Grund mehr für Manfred, noch länger zu bleiben.