Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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er versuchte es auch mit Gedichten leichterer Art – wie er sie in den Zeitschriften gedruckt sah –, wenn er auch den Kopf verlor und zwei ganze Wochen auf eine Tragödie in Jamben vergeudete, die zu seinem großen Erstaunen gleich von einem Dutzend Zeitschriften zurückgeschickt wurde. Dann entdeckte er Henley, nahm sich die ›Hospital-Skizzen‹ zum Beispiel und schrieb eine Reihe von Seegedichten. Es waren einfache Gedichte mit Licht und Farbe und romantischen, abenteuerlichen Geschehnissen. »Seelyrik« nannte er sie, und er hielt sie für das Beste, was er bis jetzt geschrieben hatte. Es waren alles in allem dreißig Gedichte, und er schrieb sie in einem Monat, jeden Tag eines, wenn er seine Tagesarbeit geschrieben hatte, ein Pensum, das einem gewöhnlichen Autor von Ruf für eine Woche genügt hätte. Er fürchtete die Arbeit nicht, ja, für ihn war es gar keine Arbeit. Er begann in die Geheimnisse der Sprache einzudringen, und all ihre Schönheit und all ihre Herrlichkeit, für die seine Lippen jahrelang keinen Ausdruck hatten finden können, strömte jetzt in einem alles besiegenden männlichen Reichtum hervor.

      Er zeigte die »Seelyrik« keinem, nicht einmal den Redakteuren. Er hatte begonnen, Redakteuren gegenüber etwas mißtrauisch zu sein. Aber es war nicht dieses Mißtrauen, das ihn hinderte, ihnen die »Seelyrik« zu zeigen. Diese Gedichte waren in seinen Augen so schön, daß ihm schien, er müsse sie aufheben, um sie dereinst mit Ruth zu teilen, wenn er in einer strahlenden, fernen Zukunft Mut genug hätte, ihr vorzulesen, was er geschrieben hatte. Bis dahin aber wollte er die Gedichte für sich behalten, und er las sie sich laut vor und ging sie immer wieder durch, bis er sie auswendig konnte.

      Er erlebte jeden Augenblick seiner wachen Stunden, und er erlebte seinen Schlaf, wenn sein Gehirn in den fünf Stunden mit ihm durchging und die Gedanken und Ereignisse des Tages zu grotesken, ungewöhnlichen Wundern verwandelte. Tatsächlich ruhte er nie, und wenn sein Körper schwächer oder sein Gehirn weniger gut abgewogen gewesen wäre, so würde alles mit einem ernsten Zusammenbruch geendet haben. Seine Nachmittagsbesuche bei Ruth wurden seltener, denn es war jetzt nicht mehr lange bis zum Juni, und dann sollte sie ihr Abschlußexamen an der Universität machen. Wenn er an ihr Examen dachte, so war ihm, als flöhe sie von ihm – flöhe weit schneller, als er ihr folgen konnte.

      Einen Nachmittag in der Woche opferte sie ihm, und dann kam er gewöhnlich spät, blieb zum Essen und hörte hinterher Musik. Das war sein großer Tag. Die Atmosphäre des Hauses, die in einem schneidenden Gegensatz zu der stand, in der er selber lebte, bestärkte ihn immer wieder in seinem Entschluß, die Höhen zu erreichen. Trotz all der Schönheit, die in ihm wohnte, und seinem fast qualvollen Schaffensdrang kämpfte er doch um Ruths willen. In allererster Reihe war er Liebender. Alles andere ordnete er seiner Liebe unter. Denn weit wichtiger als seine abenteuerlichen Fahrten ins Reich der Gedanken waren seine Liebesabenteuer. Die Welt selbst war nicht so erstaunlich wegen der Atome und Moleküle, aus denen sie – infolge gewisser unwiderstehlich zwingender Kräfte – zusammengesetzt war; was sie so überraschend machte, war der Umstand, daß Ruth in ihr lebte. Sie war das Überraschendste, das er je gekannt, geträumt oder geahnt hatte.

      Aber immer bedrückte ihn ihre Ferne. Sie war so weit fort, und er wußte nicht, wie er sich ihr nähern sollte. Er hatte stets viel Glück bei den Frauen seiner eigenen Klasse gehabt, nie aber hatte er eine von ihnen geliebt; sie aber liebte er, und dazu war sie nicht nur aus einer andern Klasse, seine Liebe selbst hob sie hoch über alle Klassen. Sie war ein Wesen für sich – so sehr, daß die Möglichkeit, sich ihr als Liebender zu nähern, ihm gar nicht in den Sinn kam. Es ist wahr: als er sich allmählich Kenntnisse verschaffte, ihre Sprache sprechen lernte und entdeckte, daß sie gemeinsame Interessen und Freuden hatten, kam er ihr näher; aber das befriedigte nicht seine Liebessehnsucht. In seinen Gedanken hatte er sie zu heilig, zu überirdisch gemacht, als daß je eine körperliche Gemeinschaft zwischen ihnen hätte bestehen können. Seine eigene Liebe war es, die sie von ihm fortschob und unerreichbar erscheinen ließ. Seine Liebe selbst verweigerte ihm das einzige, was er erträumte.

      Und dann eines Tages wurde, ganz unerwartet, plötzlich die Kluft zwischen ihnen überbrückt, und wenn sie auch noch vorhanden war, so wurde sie doch von nun an immer kleiner. Sie hatten Kirschen gegessen, große reife Kirschen mit einem Saft wie dunkler Wein. Und als sie ihm später »Die Prinzessin« vorlas, bemerkte er zufällig, daß ihre Lippen dunkel gefärbt waren. Für einen Augenblick war sie ihm keine Göttin mehr, sondern ein Mensch. Schließlich war sie auch nur Lehm – gewöhnlicher Lehm – und denselben Gesetzen wie er und alle andern unterworfen. Ihre Lippen waren Fleisch wie die seinen, und sie färbten sich von Kirschen, wie auch die seinen es taten. Und wie ihre Lippen, so war ihre ganze Persönlichkeit. Sie war ein Weib – nur ein Weib wie alle andern. Das war eine Offenbarung für ihn, die ihm fast den Atem benahm. Es war, als hätte er die Sonne vom Himmel fallen sehen, oder als wäre die Schönheit, die er anbetete, entweiht.

      Aber dann ging ihm plötzlich auf, was das alles bedeutete, und sein Herz begann zu klopfen und ihn anzutreiben, als Liebender vor dieses Weib zu treten, das kein Geist aus andern Welten, sondern eine Frau wie alle andern war, mit Lippen, die von Kirschen gefärbt werden konnten. Er zitterte bei dem Gedanken, so kühn erschien er ihm, aber seine Seele sang, und in einem triumphierenden Siegessang gab seine Vernunft ihm recht. Sie mußte eine dunkle Ahnung von der mit ihm vorgegangenen Veränderung haben, denn sie hörte plötzlich mit Lesen auf, sah ihn an und lächelte. Sein Blick schweifte von ihren Augen zu ihren Lippen, und es war, als brächte der Anblick der Kirschenflecken ihn fast von Sinnen. Er mußte sich beherrschen, um nicht den Arm auszustrecken und sie zu umfassen, wie er es in seinen alten, gedankenlosen Tagen getan hätte. Sie schien sich vorzulehnen und zu warten, und er bedurfte seiner ganzen Willenskraft, um sich zurückzuhalten.

      »Sie hören ja nicht ein Wort von dem, was ich lese«, schmollte sie.

      Dann lachte sie ihm zu und belustigte sich über seine Verwirrung, und als er ihr in die freimütigen Augen sah, wußte er, daß sie nichts von seinen Gefühlen erraten hatte, und schämte sich. Er hatte sich in seinen Gedanken zu weit gewagt. Alle Frauen, die er kannte, hätten es erraten – außer ihr. Sie aber hatte es nicht. Das war der Unterschied. Sie war anders. Er erschrak über seine eigene Plumpheit, ihre reine Unschuld zwang ihn auf die Knie, und er starrte sie wieder über einen klaffenden Schlund hinweg an. Die Brücke war zerbrochen.

      Aber doch hatte der Vorfall ihn ihr nähergebracht. Die Erinnerung daran blieb, und in den Augenblicken, wenn er am meisten niedergedrückt war, klammerte er sich an sie. Die Kluft wurde nie mehr so breit, wie sie gewesen war. Ja, Ruth war rein, von einer Reinheit, wie er sie nie geahnt hatte, aber wenn sie Kirschen aß, färbten sich ihre Lippen doch. Sie war den Gesetzen des Universums ebenso unentrinnbar unterworfen wie er. Wie er mußte sie essen, um zu leben, und erkältete sich, wenn sie nasse Füße bekam. Aber das war nicht das Entscheidende. Wenn sie Hunger und Durst, Kälte und Hitze fühlen konnte, so konnte sie auch Liebe fühlen – Liebe zu einem Manne. Nun, und er war ein Mann. Warum sollte er nicht der Mann werden können? »Ich muß es zu etwas bringen«, murmelte er leidenschaftlich. »Ich will der Mann sein. Ich will mich selbst zu dem Manne machen. Ich will vorwärtskommen.«

      Zwölftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Als Martin eines Tages gegen Abend mit einem Sonett kämpfte, das alle Schönheit und allen Gedankenreichtum, der in ihm glühte und wogte, verzerrte, wurde er ans Telephon gerufen. »Die Stimme einer Dame –, einer sehr feinen Dame«, spöttelte Herr Higginbotham, der ihn gerufen hatte.

      Martin trat an das Telephon in der Ecke der Stube und fühlte eine warme Woge sein ganzes Wesen durchströmen, als er Ruths Stimme hörte. In seinem Kampf mit dem Sonett hatte er ihre Existenz ganz vergessen, und beim Klang ihrer Stimme fühlte er seine Liebe plötzlich wie einen Schlag. Und wie war diese Stimme doch! – fein und sanft wie Musik in der Ferne, oder eher wie eine Silberglocke mit einem reinen, kristallklaren Ton. Kein irdisches Weib hatte eine solche Stimme. Es war etwas Himmlisches

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