Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Wie geht es ihr? Wie ist es passiert?«, fragte er.
Mit schreckensvollen Augen sah Melanie ihn an. Sie war jetzt ganz fahl.
»Ja, danke, Ursula«, hörte sie ihren Mann sagen, aber seine Stimme schien von weither zu kommen. Und dann kam er auf sie zu und nahm sie in die Arme.
Er erzählte ihr, was er von Ursula erfahren hatte.
»Sei ruhig, Liebes«, tröstete er sie. »Es ist ihr nicht viel passiert. Sie war nur zu leicht angezogen, und es ist möglich, dass sie eine Lungenentzündung bekommt. Aber sie hat ja die beste Pflege. Ihre Mutter selbst wird sie pflegen.«
Mit leerem Blick sah Melanie an ihm vorbei.
»Ich bin schuld«, flüsterte sie. »Sie hat sich nie allein angezogen. Ich habe sie allein gelassen. Sie wollte fort von mir.«
»Wir werden ja erfahren, was sie sich dabei gedacht hat, Melanie. Es ist schlimm, gewiss, aber vielleicht sollte es so sein.«
»Ich soll sie hergeben? Du willst, dass ich sie hergebe, Alf? Ich liebe sie doch! Sie war mein Kind!«
Ihre Verzweiflung war so echt, dass er seine eigenen Gedanken verdrängte. Er küsste und streichelte sie und redete begütigend auf sie ein.
»Wenn du dich beruhigt hast, fahren wir zur Sternseeklinik«, sagte er.
*
Auch Ursula wurde von allen getröstet. Es war rührend, wie man sich um sie bemühte.
Sie, die in ihrem Leben so viel herumgestoßen worden war, empfand es mit Dankbarkeit.
Man kannte sie doch kaum, und dennoch tat man so, als würde sie schon lange hierhergehören. Auch Sabine Allard kam aus ihrem Haus herüber und sagte ihr mit warmen Worten, dass sie Vertrauen zu ihnen haben solle.
Vertrauen – welch ein schönes Wort. Zu wem hatte sie schon Vertrauen haben können? Immer war sie enttäuscht worden, am meisten von Dagmars Vater. Und doch liebte sie das Kind.
Sie wusste es erst jetzt so richtig, wie sehr sie Dagmar vermisst hatte.
Dagmar hatte jetzt Fieber. Sie wälzte sich unruhig hin und her.
Es ging natürlich nicht an, dass Ursula nur an ihrem Bett blieb. Die anderen Kinder mussten auch versorgt werden, und sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie das Entgegenkommen, das man ihr zeigte, ausnützen wollte.
Sie erinnerte sich auch, dass sie Maxi versprochen hatte, wieder zu ihm zu kommen.
Sein Vater war noch bei ihm. Er erhob sich rasch von seinem Stuhl, als sie eintrat, und machte eine höfliche Verbeugung.
»Das ist mein Papi, Schwester Ursula«, sagte Maxi.
»Ja, wir kennen uns schon, Sohnemann«, erklärte Hartmut Raimund. Ursula fand das besonders nett.
»Ich habe jetzt noch zu tun, aber nachher komme ich wieder zu dir, wenn dein Papi gegangen ist, Maxi«, bemerkte sie.
»Du sollst jetzt auch ein bisschen dableiben, Schwester Ursula«, bettelte. Maxi. »Ich habe Papi schon gesagt, dass ich dich sehr gern mag, weil du so lange sprichst. Oder musst du zu deinem kleinen Mädchen?«
Er wusste es also schon. Unwillkürlich errötete Ursula.
»Schwester Dorle hat es mir erzählt, dass dein kleines Mädchen überfahren worden ist«, berichtete Maxi. »Das ist sehr traurig. Ich habe nämlich gefragt, wo du bist. Wie heißt dein kleines Mädchen?«
»Dagmar«, erwiderte Ursula leise.
»Ist es sehr schlimm?«, erkundigte sich Maxi.
»Es tut mir leid«, äußerte Hartmut Raimund teilnahmsvoll. »Da haben Sie ebenso große Sorgen wie ich. Hoffentlich geht es ihr bald besser«
Er sprach stockend. Er war schüchtern und unbeholfen, aber es tat Ursula wohl, wie besorgt er sich erkundigte. Sie war froh für ihn, dass es Maxi schon wieder so viel besser ging.
»Bis nachher dann«, sagte sie. »Ich lese dir am Abend etwas vor, Maxi.«
*
»Sie ist doch sehr lieb, nicht wahr, Papi?«, fragte Maxi. »Sie hat so schöne weiche Hände. Es tut gar nichts mehr weh, wenn sie streichelt. Und ihre Stimme streichelt auch, finde ich.«
Wie feinfühlig der Junge doch war! Wenn Hartmut an seine Frau Hanna dachte, und das tat er nicht gern, erschien es ihm unbegreiflich, dass eine solche Frau ein Kind wie Maxi zur Welt bringen konnte.
Warum habe ich sie eigentlich geheiratet, überlegte er. Aber dann verzieh er sich und ihr dies, weil er ja Maxi hatte.
»Wo tut es denn weh?«, fragte er ihn.
»Nirgendwo, Papi. Mir ist es ganz leicht. Früher hat es oft viel mehr weh getan.«
»Warum hast du es mir nicht gesagt, Sohnemann?«
»Damit du dich nicht aufregst, Papi. Mag dir gar keinen Kummer bereiten. Hab’ dich ja so sehr lieb.«
»Und ich dich, mein Kleiner«, erwiderte Hartmut zärtlich.
»Schwester Ursula hat ihr kleines Mädchen gewiss auch sehr lieb«, meinte Maxi. »Ich werde Dagmar doch mal kennenlernen, nicht wahr?«
»Sicher wirst du das, wenn du erst aufstehen kannst, Maxi.«
»Ob sie auch so einen lieben Papi hat wie ich?«, überlegte der Kleine.
»Pst! Du darfst noch nicht so viel reden«, lenkte Hartmut ab, weil es ihm durch den Sinn ging, dass dies wohl nicht der Fall war, denn dann müsste Schwester Ursula nicht einen Beruf ausüben, der so viel Einsatz erforderte.
Er hatte vorhin einige Gesprächsfetzen zwischen Schwester Selma und Schwester Dorle aufgefangen, aus denen er schloss, dass die kleine Dagmar keinen Vater hatte, der für sie sorgte.
Was war nun eigentlich schlimmer? Wenn ein Kind keinen Vater oder wenn es keine Mutter hatte?
Es kam wohl auf denjenigen an, der das Leben des Kindes gestaltete, der es liebte und ihm den anderen Elternteil zu ersetzen versuchte.
Hartmut Raimund war ein sensibler, tiefgründiger Mensch. Schwester Ursulas Schicksal beschäftigte ihn noch auf dem Rückweg.
Aber daheim, in dem hübschen kleinen Haus, das er selbst in Ordnung hielt, wartete ein Stoß Hefte auf ihn, den er korrigieren musste.
*
Die Lungenentzündung bei Dagmar war nicht aufzuhalten gewesen. Der zarte Kinderkörper wurde von Fieber und Schüttelfrösten hin und her geworfen.
»Wir haben ja die besten Mittel, Schwester Ursula«, sagte Dr. Fernand beruhigend. »Dieses Stadium wird bald überwunden sein.«
Die