Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 157
So ging in Trawies dieser Morgen an.
Auf allem Wegen liefen Leute um. Rasch, als ob es der Wintersturm hinausgeschleudert hätte in die Gegend, wurde es in allen Häusern laut: Der Pfarrherr ist erschlagen! –
Der Feuerwart saß in seiner Kammer allein, sein Angesicht war fahl wie die Wand des Ofens, sein Haupt war weit vorgebeugt – gedankenschwer.
Da ging die Thür auf und mit ernsten Mienen traten herein der Bart vom Tärn, Uli der Köhler, der Firner-Hans, der Waldhüter und Andere.
»Feuerwart,« sagte der Bart vom Tärn, »Du wirst wissen, warum wir da sind. Wir haben zu berathen, was jetzund weiter zu thun ist.«
Der Feuerwart nickte schwer mit dem Haupte und murmelte: »Es ist zu plötzlich gekommen.«
»Weiß man, wer?« fragte der Waldhüter.
»Das weiß man.«
»Wo weilt er?«
»Er ist in Sicherheit,« sagte der Feuerwart, »aber nur für heute. Für morgen nicht mehr.«
»Männer,« sagte der Bart vom Tärn und sah sie an nach der Reihe, »den heutigen Tag haben wir gemacht, wir Alle. Wir stehen für ihn ein!«
»Wir stehen für ihn ein.«
»Heute sind wir die Freien von Trawies. Nun heißt es mit Kopf und Faust auf der Wacht sein, daß uns die Schläge nicht treffen.«
»Kommt,« sagte der Feuerwart und wies sie mit der Hand von sich, »kommt am Nachmittage wieder, Ihr Männer von Trawies; jetzt geht, mir zittert das Mark in den Knochen, ‘s ist allzu plötzlich geschehen.«-
Das Wirthshaus konnte heute die Gäste nicht fassen. Alles was wissend war, kam, um zu erzählen und Alles, was nicht wissend war, kam, um zu hören und zu schaudern.
Mit einer Holzaxt den Kopf gespalten! Sie beklagten den »guten, braven Herrn«, und jene, die sonst am lautesten über ihn geflucht hatten, klagten am lautesten. Wer es gethan hat? Die Kirche und die Sacristei ist durchsucht und Niemand gefunden worden. Er ist entwischt. Ein Raubmörder? Nein. Ein Heimischer muß es sein, der Herr hat Feinde gehabt. Vielleicht sitzt der Mörder hier im Wirthshaus mitten unter uns und trinkt, und läßt sich erzählen, wie es gewesen ist.
»Man müßte ihn hängen!« riefen Mehrere.
»Köpfen, rädern, steinigen!« schrien Andere.
»Man müßte ihn auf den hintersten Trasank hinaufjagen, daß ihn die Häscher nicht finden,« meinte ein Einzelner. Da stutzten die Anderen. Männer waren darunter, die saßen schweigend da und Mancher seufzte in sich hinein: »Wenn diese Tage erst vorbei wären!« Was dann wird?! –
Mittlerweile waren an den Stufen des Altars die Kerzen niedergebrannt und verloschen.
Der Schulmeister lag vor Schreck fast ohnmächtig in seiner Stube. Das Fenster, welches gegen die Kirche ging, hatte er sich mit Leinwand zweifach verhüllen lassen. Der Küster war in allen Weiten und erzählte die Schreckensthat in den Häusern, und war ganz außer sich, und ging trotz des tiefen Schnees wie auf Flügeln, und klagte allerwärts: »Er war so gut!« und tröstete sich und Andere: »Aber vielleicht kriegen wir jetzund einen noch Besseren.«
Um die Mittagszeit kamen die Knechte des Feuerwart und trugen den Todten in den Pfarrhof, um ihn dort aufzubahren. Sie kamen ins Wirthshaus und gestanden, daß alle Beine gebrochen werden müßten, wenn man ihn so aufbahren wolle, wie andere Leute. Er sei ganz erstarrt. Ob man glaube, daß sie »brechen« dürften.
Da gab Einer den Bescheid: »Wollt’ Euch’s nicht rathen! Beinbrechen ist criminalistisch!«
»Heißt das, wenn man verklagt wird,« warf ein Anderer ein, »aber der Herr Franciscus, und das ist das Beste an ihm, verklagt Keinen mehr.«
Keinen mehr!
Endlich am Nachmittage, da es schon zu dunkeln anhub und sich die Leute in ihre Häuser zurückzogen, um in denselben einer Gespensternacht entgegen zu bangen, versammelten sich die Ältesten von Trawies in der Oberstube des Feuerwart um einen Eichentisch, auf dem zwei Kerzen brannten.
»Das Allererste ist,« hub Gallo Weißbucher, der Feuerwart an, »daß wir seinen Leib in die Erde schaffen. Ich habe ihn zur Bahre legen lassen und meine Knechte sind jetzt auf dem Gottesacker und bereiten das Grab. es wird wohl Jeder mit mir einverstanden sein, wenn ich sage, der Herr muß in christlichen Ehren bestattet werden.«
»So sage ich auch,« versetzte der Bart vom Tärn, »je eher, desto besser, bevor sich das Gerede noch über die Haide hinauszieht; kommen die Fremden, dann sind wir nicht mehr Herr im Haus. Warten, ob er etwan wieder munter wird, das ist bei dem nicht vonnöthen, so ist meine Antwort, daß wir ihn morgen früh in die Erde thun.«
»Daß die Eile nur nicht auffallend ist!« meinte der Firner-Hans.
»Sollten wir darüber einmal wortangelassen werden, so sagen wir, was wahr ist: Die Leute wären in einen Aufruhr gerathen, Jeder hätte die schreckliche Wunde sehen wollen und sie haben vor Erregtheit nicht gewußt, was sie thun, und ist das Trawieser Dörfel nicht mehr sicher gewesen. Wem liegt es an, als uns, daß wir Ordnung halten!« so sprach Uli der Köhler.
»Es ist ganz schreckbar,« seufzte der Feuerwart, »solcher Gestalt! am Altar, vor aller Leut’ Augen. Ungeschickter hätte er es nimmer machen können. Wir werden arg zu thun haben, meine lieben Männer, daß wir uns aus der Patsche schleifen!«
Ob mehrere Trawieser Leute eine Ahnung hätten, was dahintersteckt? wurde gefragt.
»Auf unserem Johannesberg droben,« berichtete der Firner-Hans, »heißt’s allerwege, ein Raubmörder aus dem Ritscherwald herüber habe es gethan. Dem sei um das Silbergeräthe zu thun gewesen und er habe während der Rorate in der finsteren Sacristei die Laden durchsucht, sei dann nach der Messe vom Pfarrherrn überrascht worden. Er hätte dem Herrn noch den vergoldeten Kelch wollen aus der Hand reißen; der Herr Franciscus wollt’s aufnehmen mit dem Wicht, sollen miteinander noch Eins gerungen haben, und da habe ihm dieser mit einem Hieb den Kopf auseinandergehauen. Der Mörder habe hierauf eilends fliehen und seinen Raub zurücklassen müssen. Am Vormittage darauf soll er noch im hinteren Trasankthale gesehen worden sein, mit der blutigen Axt.«
So berichtete der Firner-Hans und setzte noch bei: »Ich habe allen Leuten, mit denen heute davon die Rede war – und es spricht kein Mensch was Anderes, als vom Morde – gesagt, es könne wohl nicht anders sein, aber des Verbrechers dürfte bei so unsicheren Zeiten schwer habhaft zu werden sein.«
»Daß es so steht,« versetzte der Feuerwart, »das ist mir recht lieb.«
»Und,« meinte der Waldhüter, »der Mensch kann um Mitternacht in die Sacristei gestiegen sein – die Sturmnacht ist ihm gut zustatten gekommen – und – was ich übernehme – ein ausgehobenes Fenstergitter mag sich morgen, wenn man die Sache erst untersuchen wird, leicht finden lassen. – Wir sind hernach ledig.«
Jetzt fuhr sich der Bauer vom Tropperhof mit seiner rauhrindigen Hand über das Gesicht und that, als ob er reden wollte.
»Weißt