Wie ich Livingstone fand. Henry M. Stanley

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Wie ich Livingstone fand - Henry M.  Stanley Edition Erdmann

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Zeit fand ich, dass es notwendig war, Farquhar und Shaw voneinander zu trennen; denn der Letztere hatte keine Spur von Humor in seinem Wesen, aber eine sehr leicht verletzliche Eitelkeit und einen himmelhoch fliegenden, grenzenlosen Ehrgeiz.

      Ich glaubte, Farquhar würde für sich allein viel besser daran sein als mit Shaw zusammen, der ohne Zweifel eine für Farquhars Charakter und Intelligenz höchst aufregende Manier hatte. Deshalb erwählte ich ihn dazu, die dritte Karawane ins Innere zu führen, und nachdem ich ihm dies angekündigt hatte, war der Friede sogleich zwischen den widerspenstigen Gegnern hergestellt.

      Eines Abends ertappten wir einen Pferdejungen beim Diebstahl bei den Ballen, und da war denn die Jagd nach ihm ins Land, bis er sich in den Dschungeln unseren Blicken entzog, eine der angenehmsten Zerstreuungen, welche während unserer Vorbereitungen zum Marsch vorkamen.

      Ich hatte jetzt vier Karawanen ins Innere abgesandt, und die fünfte, welche die Boote und Kasten, mein persönliches Gepäck und einige Zeug- und Perlenladungen befördern sollte, wollte ich selbst führen.

      ZWEITES KAPITEL

      Am 21. März, gerade 73 Tage nach meiner Ankunft in Sansibar, verließ die fünfte Karawane unter meiner Anführung und mit der Parole »Vorwärts« die Stadt Bagamoyo auf unserer ersten Reise nach Westen. Als der Kirangozi die amerikanische Flagge aufrollte und sich an die Spitze der Karawane stellte und Pagazis, Tiere, Soldaten und müßige Zuschauer sich in Reihen zum Marsch bereit gemacht hatten, sagten wir dem dolce far niente des zivilisierten Lebens, dem blauen Ozean, der uns den Weg in die Heimat eröffnete, den Hunderten von dunkelfarbigen Zuschauern, die sich versammelt hatten, um unsere Abreise mit wiederholten Musketensalven zu begrüßen, Lebewohl!

      Unsere Karawane besteht aus 28 Pagazis mit Einschluss des Kirangozi oder Führers; aus 12 Soldaten unter Hauptmann Mbarak Bombay, welche 17 Esel und ihre Lasten zu beaufsichtigen haben; aus meinem jungen Dolmetscher Selim mit einem Esel und einem belasteten Karren; aus einem Koch und seinem Stellvertreter, der gleichzeitig Schneider und Gehilfe für alles ist und mein graues Pferd führt; aus Shaw, dem ehemaligen Steuermann, der jetzt in einen Führer des Nachtrabs und Aufseher über die Karawane verwandelt ist und, mit einer nachenförmigen Kopfbedeckung und Wasserstiefeln versehen, auf einem guten Reitesel sitzt, und schließlich aus mir selbst, auf dem herrlichen kastanienbraunen Pferd reitend (dem Geschenk des Herrn Goodhue, eines seit Langem in Sansibar lebenden Amerikaners), als »Bana Mkuba«, der »große Herr«, wie ich von meinen Leuten genannt werde, als Leiter, Reporter, Denker und Führer der Expedition.

      Im Ganzen zählt die Expedition am Tag der Abreise 3 Weiße, 23 Soldaten, 4 Überzählige, 4 Hauptleute und 153 Pagazis, 27 Esel und 1 Karren, welche Zeuge, Perlen, Draht, Bootgerätschaften, Zelte, Kochgeräte, Schüsseln, Medizin, Pulver, Schrot, Musketen und Metallpatronen, Instrumente, kleine Lebensbedürfnisse wie zum Beispiel Seife, Zucker, Tee, Kaffee, Liebig’schen Fleischextrakt, Fleischkonserven, Lichte usw. transportieren, was alles in allem 153 Lasten ausmacht. Die Waffen der Expedition bestehen aus einem glatten, doppelläufigen Hinterlader, einer amerikanischen Winchesterflinte (einem sogenannten »Sechzehnschießer«), einer gezogenen Henryflinte (auch Sechzehnschießer), 2 Starr’schen Hinterladern, einem Jocelyn’schen Hinterlader, einer Elefantenflinte mit Kugeln, von denen 8 aufs Pfund gehen, 2 Revolvern mit Hinterladung, 24 Feuerschlossmusketen, 6 einläufigen Pistolen, einer Schlachtaxt, 2 Schwertern, 2 Dolchen (persischen Kummers, die ich selbst in Schiras gekauft habe), einem Sauspieß, 2 vierpfündigen amerikanischen Beilen, 24 Hacken und 24 Metzgermessern.

      Wir verließen Bagamoyo, von den Blicken vieler Neugieriger verfolgt, mit vielem Eklat und zogen dann eine enge Gasse hinauf, welche durch das dichte Laub zweier parallel laufender Hecken von Mimosen fast in ein Dämmerlicht gehüllt war. Wir waren alle guten Mutes, die Soldaten sangen, der Kirangozi erhob seine Stimme in einem lauten, brüllenden Ton und ließ die amerikanische Flagge flattern, welche allen Zuschauern sagte: »Siehe da, die Karawane eines Musungu!«, und mein Herz schien mir rascher zu schlagen, als es sich für das ernste Gesicht eines Führers passte, aber ich konnte es nicht zurückhalten, der Enthusiasmus der Jugend haftete mir noch an trotz meiner Reisen.

      Und vor mir glänzte die Sonne der Verheißung auf ihrem Wege gen Westen. Um mich war alles lieblich; ich sah fruchtbare Felder, eine lachende Vegetation, merkwürdige Bäume; ich hörte das Zirpen der Heimchen, das Geschrei des Kiebitzes und das Summen vieler Insekten, welche mir alle zu sagen schienen: Endlich bist du auf dem Wege! Was konnte ich anderes tun, als das Gesicht gegen den wolkenlosen Himmel zu erheben und zu rufen: »Gott sei Dank!«

      Das erste Lager, Schamba Gonera, ungefähr 3¼ englische Meilen entfernt, erreichten wir in 1 Stunde 30 Minuten. Diese erste oder »kleine« Reise lief verhältnismäßig sehr gut ab. Der Knabe Selim warf nicht mehr als dreimal den Wagen um. Der Soldat Zaidi ließ seinen Esel, der einen von meinen Kleiderkoffern und einen Munitionskasten trug, in einen Pfuhl schmutzigen Wassers fallen. Die Kleider mussten wieder gewaschen werden; der Munitionskasten war, dank meiner Vorsicht, wasserdicht.

      Die folgenden drei Tage wurden dazu verwendet, die Vorbereitungen für die lange Landreise ganz zu vollenden und unsere Vorsichtsmaßregeln gegen die Masika, die jetzt bedenklich nahe war, zu treffen, sowie unsere Rechnungen zu bezahlen. Die Soldaten und Pagazis benutzten noch die Zwischenzeit, um ihre Freundinnen zu besuchen.

      »Sofari – sofari leo! – Pakia, pakia!« (Eine Reise – eine Reise heute! – Macht euch auf den Weg – macht euch auf den Weg!) ertönte am Morgen des vierten Tages, der in allem Ernst für die Abreise bestimmt war, die muntere Stimme des Kirangozi, welche ihren Widerhall fand in der meines arabischen Knaben Selim, des Tambourmajors, Dieners und Faktotums. Als ich meine Leute zu ihrer Arbeit antrieb und kräftig mithalf, die Zelte abzubrechen, beschloss ich in meinem Geiste, dass, wenn meine vorangeeilten Karawanen mir reinen Weg gemacht hätten, ehe drei Monate vergangen wären, Unyanyembé unser Ruheort sein solle. Um 6 Uhr morgens war unser zeitiges Frühstück abgemacht, und die Esel und Pagazis zogen vom Lager Gonera ab. Selbst in dieser frühen Stunde hatte sich auf dem Lande eine ganze Menge neugieriger Eingeborener versammelt, denen wir das Abschieds-»Quahary« herzlich zuriefen. Mein kastanienbraunes Pferd erwies sich mir als unschätzbar für den Dienst des Quartiermeisters eines Transportzuges; denn mit einem solchen musste ich mich vergleichen. Ich konnte zurückbleiben, bis der letzte Esel das Lager verlassen hatte, um nach einem Galopp von wenigen Minuten mich wieder an die Front zu begeben und Shaw den Nachtrab zu überlassen.

      Der Weg war ein bloßer Fußpfad und führte über einen Boden, der, obgleich sandig, von merkwürdiger Fruchtbarkeit war und Korn und andere Pflanzen, die in ganz ungeschickter Weise gesät und gepflanzt worden, hundertfältig hervorbrachte.

      In etwa einer halben Stunde hatten wir das hohe Matama und die Felder von Wassermelonen, Gurken und Maniok hinter uns gelassen und befanden uns, nachdem wir ein Binsenmoor überschritten hatten, in einem offenen Wald von Ebenholz- und Kalabassenbäumen.

      Alsbald erreichten wir den trüben Kingani, der wegen seiner Flusspferde berühmt ist, und gingen durch das Schilfmoor längs seines rechten Ufers, bis uns durch einen engen Graben, der einen unmessbar tiefen schwarzen Schlamm enthielt, geradezu Halt geboten wurde. Die Schwierigkeit, die uns dieser darbot, war sehr groß, obgleich er kaum 8 Fuß breit war. Man konnte nämlich die Esel und vor allen Dingen die Pferde nicht dazu bringen, die beiden Stangen zu überschreiten, wie es unsere zweibeinigen Lastträger taten. Auch konnte man sie nicht in den Graben treiben, weil sie dort rasch untergegangen wären. Die einzige Möglichkeit, ihn mit Sicherheit zu überschreiten, war durch eine Brücke, welche in diesem konservativen Land Generationen lang als das Werk der Wasungu bestehen würde. So begaben wir uns denn an die Arbeit, da wir es nicht vermeiden konnten, und bauten mit den amerikanischen Äxten, welche unzweifelhaft die ersten waren, deren Streiche in diesem Teile der Welt gehört wurden, eine Brücke. Man kann sich darauf verlassen, dass sie rasch gemacht wurde, denn wo der zivilisierte Weiße sich einfindet, muss jede Schwierigkeit

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