Wie ich Livingstone fand. Henry M. Stanley

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Wie ich Livingstone fand - Henry M.  Stanley Edition Erdmann

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Kinnladen in einer beständigen Bewegung, die durch die schlechte Gewohnheit bedingt war, Betelnuss mit Kalk und bisweilen Tabak mit Kalk zu kauen. Sie gaben einen schnalzenden Ton von sich, ähnlich wie ein junges Ferkel beim Saugen. Er war ein frommer Mohammedaner und beobachtete die äußerlichen Zeremonien der wahrhaft Gläubigen. Er pflegte mich freundlich zu grüßen, seine Schuhe abzunehmen und in mein Zelt immer mit der Versicherung einzutreten, dass er nicht wert wäre, in meiner Gegenwart zu sitzen, und nachdem er sich gesetzt hatte, brachte er in umständlicher Weise sein Anliegen vor. Von Ehrlichkeit, wirklicher praktischer Ehrlichkeit wusste dieser Jüngling nichts; die reine Wahrheit war ihm völlig fremd; die Lügen, die er während seines kurzen Lebens gesagt hatte, schienen ihm schon den kühnen Blick der schuldlosen Jugend aus den Augen ausgelöscht, selbst den Schein aller Wahrhaftigkeit aus den Zügen verbannt, kurz ihn, ein Bürschchen von zwanzig Jahren, zu einem vollendeten Schurken und kompletten Betrüger gemacht zu haben.

      Während der sechs Wochen, die ich in Bagamoyo war und auf meine Leute wartete, hat mir dieser zwanzigjährige Bursche so viel Mühe gemacht, wie alle Schurken von New York zusammengenommen dem dortigen Polizeipräsidenten bereiten. Zehnmal den Tag ertappte man ihn auf Unehrlichkeiten, aber er schämte sich nie darüber. Er schickte zum Beispiel seine Rechnungen über das Zeug, womit er die Pagazis versehen hatte, ein und behauptete, dass er jedem 25 bezahlt hätte. Als ich jemand hinschickte, der die Sache untersuchen musste, stellte sich heraus, dass die größte Zahl 20 und die niedrigste 12 betrug. Sur Hadschi Pallu gab an, die Zeuge wären alle von erster Qualität gewesen, Ulyahtuche, welche auf dem Markt viermal so viel wert seien wie die gewöhnliche Sorte, die den Pagazis gegeben wird; aber eine persönlich angestellte Untersuchung erwies, dass es die dünnsten verkäuflichen Stoffe waren, zum Beispiel 2½ Fuß breite amerikanische Leinwand, wovon das Stück von 30 Metern in Sansibar 2¾ Dollars kostet, oder die geringste Sorte Kaniki, von denen gewöhnlich 20 Stück 9 Dollars kosten. Er kam auch noch persönlich in mein Lager, um 40 Pfd. Sami-Sami, Merikani und Bubuperlen als Poscho oder Rationen für die Karawane zu verlangen. Eine Besichtigung ihrer Vorräte vor der Abreise aus dem ersten Lager hinter Bagamoyo wies ein Manko von ungefähr 5–30 Pfund nach. Ferner betrog er mich auch um bares Geld, verlangte zum Beispiel 4 Dollars für die Kingani-Fähre für je 10 Pagazis, während das Fährgeld doch nur 2 Dollars betrug, und für Poscho eine ganz übertriebene Masse Pice (eine Kupfermünze, die ungefähr ¾ Cents beträgt). Vier Wochen lang wurde dies Betrugssystem täglich fortgesetzt. An jedem Tag entwarf er ein Dutzend neuer Pläne, jeden Augenblick schien er sich zu überlegen, wie er uns plündern konnte, bis ich schließlich nicht mehr wusste, wie ich ihn daran hindern sollte, denn wenn ich ihn der Menge seiner Genossen gegenüber enthüllte, so brachte das keine Schamröte auf seine fahlen Wangen, er hörte dann mit einem Achselzucken zu; das war alles, und dies konnte ich mir auslegen, wie ich wollte. Eine Drohung, sein Geschenk zu verkürzen, hatte gar keine Wirkung. Ein Vogel in der Hand war für ihn mehr wert als zwei auf dem Dach, und daher waren ihm gestohlene Waren im Werte von 10 Dollars, die er aber faktisch besaß, von größerem innerem Wert als 20 Dollars, deren Besitz ihm nach einigen Tagen zugesichert wurde, selbst wenn das Versprechen von einem »Musungu« herrührte.

      Farquhar und Shaw, meine Weißen, arbeiteten fleißig an wasserdichten Zelten von Hanfsegeltuch, denn ich ersah aus den vorangehenden Regengüssen, die die Annäherung der Masika bezeichneten, dass ein gewöhnliches Zelt von leichtem Zeug mich der Feuchtigkeit und meine Waren dem Verschimmeln aussetzen würden, und da jetzt noch Zeit war, alle die Irrtümer, welche sich aus Unwissenheit oder übergroßer Eile in meinen Plan eingeschlichen hatten, zu korrigieren, so dachte ich doch, dass es nicht klug wäre, die Dinge sich ganz selbst zu überlassen. Jetzt, wo ich mit ungeschwächter Gesundheit zurückgekommen bin, obgleich ich 23 Fieberanfälle in der kurzen Zeit von 13 Monaten erlitten habe, muss ich gestehen, dass ich mein Leben erstens der Gnade Gottes, zweitens dem Enthusiasmus für mein Unternehmen, welcher mich von Anfang bis zu Ende belebte, drittens dem Umstand, dass ich meine Konstitution nicht durch Unmäßigkeit oder Ausschweifungen ruiniert habe, viertens der Energie meiner Natur, fünftens einem angeborenen zur Hoffnung geneigten Temperament, das sich nie verstimmen ließ, und sechstens der Maßregel verdanke, dass ich mich mit einem geräumigen Segeltuchhaus, welches dicht gegen Wasser und alle Feuchtigkeit war, versehen habe.

      Ich war noch nicht lange in Bagamoyo, als ich nach dem Lager Mussoudis hinüberging, um die »Livingstone-Karawane« zu besuchen, welche der britische Konsul am 1. November 1870 ausgeschickt hatte, um Livingstone Hilfe zu leisten. Die Zahl ihrer Traglasten betrug 35, und diese bedurften ebenso vieler Menschen, um nach Unyanyembé transportiert zu werden. Die Leute, die diese Karawane zu begleiten hatten, bestanden aus sieben Johannesen und Wahiyau. Von diesen sieben waren vier Sklaven. Sie führten hier ein vergnügtes Leben, ohne an ihren Auftrag zu denken oder sich um die Folgen zu bekümmern. Was diese Leute die ganze Zeit über in Bagamoyo getan haben, außer ihren lasterhaften Neigungen zu frönen, begreife ich nicht.

      Wenn der britische Konsul sich damit entschuldigt, er habe gar nicht gewusst, dass seine für Livingstone bestimmten Vorräte noch in Bagamoyo wären, so beweist mir das nur, dass er in strafwürdigster Weise seine Pflicht gegen einen britischen Untertan und Kollegen vernachlässigt hat, der selbst bis auf seinen Lebensunterhalt völlig von ihm abhing. Denn am ersten Abend meiner Ankunft in Sansibar erfuhr ich, dass eine Karawane in Bagamoyo im Begriff stand abzureisen, um dem Dr. Livingstone Vorräte ins Innere zu bringen. Damals wusste ich noch gar nicht, ob es ein schweres oder leichtes Ding sei, eine Karawane ins Innere zu expedieren. Man kann sich daher meine Verwunderung leichter vorstellen, als ich sie zu beschreiben vermag, wie ich die Entdeckung machte, dass diese Karawane, die nur 35 Mann brauchte und vom britischen Konsul abgeschickt worden war, Sansibar am 1. oder 2. November 1870 verlassen hatte und sich noch am 10. Februar 1871, also volle hundert Tage, in Bagamoyo im Lager befand.

      Ungefähr am 10. Februar verbreitete sich das Gerücht in den Bazaren von Bagamoyo und von dort aus in meinem Lager, dass der »Balyuz« (technischer Ausdruck für Gesandter) nach Bagamoyo kommen werde, um den Abgang der Livingstone-Karawane zu beschleunigen. An demselben Abend nun oder am nächsten Morgen ging dieselbe aus Furcht ins Innere ab, aber nur mit vier Mann Begleitung.

      Bagamoyo hat ein sehr angenehmes Klima. Es ist in jeder Beziehung dem von Sansibar sehr vorzuziehen. Wir konnten in freier Luft schlafen und standen am Morgen erfrischt und gesund auf, um unser Frühbad im Meer zu genießen, und bei Sonnenaufgang waren wir schon mit verschiedenartigen Vorbereitungen für unsere Abreise beschäftigt. Unsere Tage wurden durch Besuche von den Arabern belebt, die auch nach Unyanyembé gehen wollten. Ferner kamen komische Szenen im Lager vor; bisweilen Kriegsgerichte, die über die Widerspenstigen abgehalten wurden; Boxkämpfe zwischen Farquhar und Shaw, die auch mein Einschreiten erforderlich machten, wenn sie gar zu hitzig wurden; hin und wieder ein Jagdausflug nach der Ebene und dem Fluss Kingani; gesellige Unterhaltungen mit dem alten Hauptmann und seiner Belutschenbande, die nie müde wurden, mich vor der Ankunft der Masika zu warnen und mir den Rat zu erteilen, mich so rasch wie möglich auf den Weg zu machen, ehe die Reisezeit vorüber sei.

      John Shaw pflegte sehr verdrießlich zu werden, so oft diese Besuche von den schwarzen Magnaten von Bagamoyo stattfanden. Bei diesen Gelegenheiten war es nämlich meine erste Pflicht, nach der Sitte der Araber, ihnen Erfrischungen und Kaffee anzubieten, und zwar sie zuerst zu bedienen und dann erst das Präsentierbrett den Weißen darzureichen.

      Ich bemerkte hierbei, dass Shaw sehr ungehalten aussah, und als ich mich nach der Ursache erkundigte, sagte man mir, ich habe ihn dadurch sehr beleidigt, dass ich die Araber oder »Niggers«, wie er sie zu nennen beliebte, eher als ihn, einen Weißen, habe bedienen lassen. Der arme Shaw war unwissend wie ein Kind in Bezug auf die ihm in jenem Land, nach welchem sich jetzt seine Gedanken richteten, noch bevorstehenden Widerwärtigkeiten. Was würde er nicht darum gegeben haben zu wissen, dass noch ganz andere Beschwerden, als diese seiner Farbe angetane Beleidigung, ihm auf dieser gefahrvollen Expedition bevorständen. Er bewies es deutlich, dass der ungebildete Angelsachse nicht geeignet ist, zu reisen und mit anderen Rassen in Verkehr zu treten.

      

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