Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох страница 11
Sie nahm es an die Brust, setzte sich unter den Weißdornstrauch, wo er den vollsten Schatten gab und sprach zu ihm süße Worte wie Küsse, zärtliche Diminutive, wie sie keine andere Sprache besitzt, halb singend, halb zwitschernd, sodaß ein neugieriges Rotkehlchen aufmerksam wurde, geflogen kam und von dem obersten Aste des Weißdornes mit den klügsten schwarzen Augen ernsthaft zusah.
Alle hatten mich begrüßt und dann etwas gemustert.
Jetzt kam über den Weg herüber ein alter Bauer. Ihm gehörte das nächste Feld, er beaufsichtigte seine Leute bei der Arbeit, hatte mich gesehen und kam, mit jener unserem russischen Bauern angeborenen guten Art, mir Gesellschaft zu leisten. Auf zehn Schritte weit zog er den Hut ab und wünschte mir und meinen Enkeln und Enkelkindern ein ungemessenes Wohlergehen. Als er den Hut abhatte, war sein Gesicht mit dem energischen Schnitte, dem wehmütigen Munde, von einem weißen Schnurrbart eingefaßt, der gewölbten Stirne, zur Hälfte von dem abgeschnittenen, grauen Haar bedeckt, zugleich schön und sympathisch. Er hatte einen groben, zottigen Rock an, mit Kapuze rückwärts, grau, an den Nähten mit blauen Schnüren besetzt, einen Rock, den die Reiter Dschingis Chans getragen haben mögen und den der galizische Bauer als ein Erbstück der Tartarenzeiten in seiner Tracht bewahrt.
Wir gingen zwischen den Garben auf und ab, sprachen von der Ernte und kamen allmählich bis zu dem Tartarenhügel, welcher gegen die untergehende Sonne wie ein schwarzer Sarg stand. Ich legte meine Flinte an seinem Abhange nieder und setzte mich in den Schatten. Der Bauer bedachte sich einen Augenblick, blickte umher, dann setzte er sich in einiger Entfernung gleichfalls nieder.
Je weniger ich sprach, um so mehr bemühte sich der alte Mann, mich zu unterhalten.
»Heute werden wir fertig«, sagte er, »die Leute vom Hofe auch, dann halten wir zusammen das Erntefest.« »Ihr seid also in einem guten Verhältnis zu Euerem früheren Gutsherrn?« bemerkte ich.
»Und warum nicht!« erwiderte der Bauer; »er gehört zu uns, er ist ein Russe so wie wir. Mit den polnischen Gutsherren ist es anders. Das ist eine alte Feindschaft, die Volkslieder wissen davon zu erzählen. Herr Lesnowicz dagegen ist, um es recht zu sagen, mit uns wie ein Bruder mit Brüdern. Er hat uns geholfen die Schule bauen, er hat uns auch einen streitigen Wald gegeben, wir werden ihn also zum Deputierten wählen.«
»Ihr habt hier eine gute Schule, und was ich von der Wirtschaft sehe, ist auch besser, als sonst bei uns in Galizien.«
»Ich bitte Sie«, fiel der Bauer lebhaft ein, »es ist hier ziemlich, aber wenn es irgendwo schlechter ist, darf man darüber staunen? In manchen Büchern steht es zu lesen, daß der Bauer hier zu Lande träge ist, ein schlechter Arbeiter, aber ein ordentlicher Säufer und Dummkopf, der Kirchensänger hat uns einmal so etwas vorgelesen. Nun, Gott sei Dank, ist das nicht wahr. Aber dürfte man erstaunen, wenn es so wäre? Bedenken Sie doch, gnädiger Herr, wie das so bei uns war. Da waren wir unter dem polnischen Reiche, wie lange ist das her, waren zu nichts anderem gut, als dem Edelmann das Feld zu bestellen wie Rind und Pferd; nur wenn ihm sein Nachbar ein Pferd tötete, mußte er Strafe zahlen, und wenn er ihm einen Bauer tötete, oft nicht. Also sollte der Bauer ein Land lieben und mit Eifer bebauen, auf dem er wie ein Fremder, wie ein Tier gehalten war?
Da kamen wir zu Österreich, da wurde es gleich besser. Der Bauer war jetzt ein Mensch wie jeder andere, aber der Grund blieb dem Edelherrn und der Bauer mußte ihm die Robot leisten.
Der große Kaiser Joseph« – der Bauer nahm den Hut ab und setzte ihn wieder auf – »hat uns ein Patent gegeben, das sagte deutlich, so viel Tage der Woche soll der Bauer für den Gutsherrn arbeiten und so viel für sich. Es war gerecht für beide Teile. Aber die Edelleute wollten keine Gerechtigkeit und verstanden das Patent zu umgehen. Wie, werde ich Ihnen gleich sagen.
Uns sind die Kinder ans Herz gewachsen, und schwer trennt sich der Vater von dem Sohn. Nun nehmen wir an, ein Bauer hatte 30 Joch, die ihn gut ernährten, und hatte davon vier Tage Robot zu leisten. Der Bauer hatte nun zwei Söhne. Da kam der Edelmann und sagte: ›Du hast zwei rüstige Söhne, man wird sie Dir zum Militär nehmen, Du aber möchtest Dich nicht von ihnen trennen. Weißt Du was, Du gibst jedem 10 Joch, so hat jeder von Euch 10 Joch, und jeder leistet mir 4 Tage Robot.‹ Die Söhne teilten wieder und die Enkel wieder, und die Robot stieg immer fort, und vereinigte wieder einmal ein Bauer alle diese Teile, so hatte er nun statt 4 Tage oft 24 Tage in der Woche zu roboten und fragte sich, wie er das anzufangen habe.
Es war also damals auch nicht am besten. Wenn der Bauer den ganzen Tag hinter dem Pflug ging, so geschah es, damit der Edelmann auf Silber speist, die Edelfrau mit vier Pferden am Schlitten fährt, er selbst aber Haferbrot kaut und sein Weib barfuß im Schnee watet.«
Dem Bauer war besonders wohl, wie er der vergangenen, schweren Zeiten gedachte und dann auf seinen freien Grund und Boden blickte.
»Ich meine, daß die Bauern auch damals nicht so arbeitsscheu waren«, sagte ich nach einer Weile; »wie war es denn mit den nächtlichen Ernten? Ihr erinnert Euch noch gewiß daran.«
Der Bauer sah bei Seite und spuckte aus. »Wie soll ich mich nicht erinnern, Herr!« erwiderte er; »es war so. In manchen Gegenden, wenn es einen schlechten Sommer gab, Gewitter, Stürme, Regengüsse, und war das Feld in ein Meer verwandelt, jede Ackerrinne ein Bach, wenn dann zur Zeit der Ernte auf einmal der Himmel wolkenlos war, die Luft stille stand, heiß und trocken, da geschah es, daß der Edelherr die Bauern vom frühen Morgen bis zum Abend auf seinen Feldern arbeiten ließ, um die Ernte hereinzubringen, ehe sich das Wetter wenden möchte, und den Bauern keine Zeit blieb, für sich zu schneiden, ihr Korn bog sich bereits zur Erde, jede Wolke, die am Himmel aufstieg, konnte ihre Ernte vernichten.
Kamen dann die schönen kühlen Vollmondnächte, so ruhten sie etwas, nachdem die Tagesarbeit für den Herrn getan war, und hielten ihre Ernte in der hellen Vollmondnacht, sie blieben beisammen, wie sie von dem Felde des Herrn kamen, und schnitten dann alle vereint Feld für Feld, wie es kam, jedem halfen alle, und jeder allen. Am Morgen schliefen sie wenige Stunden und zogen dann wieder zur Arbeit auf das Feld des Herrn. Das waren die nächtlichen Ernten.«
Wir schwiegen beide.
Endlich sagte der greise Landmann: »Sehen Sie, so ist es mit der Faulheit, und was das Saufen betrifft, so ging der Bauer in die Schenke, um sein elendes Leben zu vergessen. Der Branntwein nahm ihm etwas die Besinnung, und das war gut. Man tanzte, man sang, man sprach von dem und von jenem, man verpfändete seinen Rock und seine Stiefel, aber man lebte doch.
In dem Jahre 1848 ist es auf einmal anders geworden. Wir sind frei geworden, der Grund und Boden gehört uns. Der frühere Gutsherr ist uns nichts mehr als ein Nachbar. Sehen Sie, seitdem hat sich alles gebessert. Der Bauer sieht fleißig auf seine Wirtschaft und hat Gewinn davon; es ist ein gutes Land, in dem wir wohnen, einen besseren Boden kann es wohl nicht geben, der Mensch hat Lust an der Feldarbeit. Der Bauer hat so eine Liebe zu ihr, zu seinen Tieren, seinen Verhältnissen, und wenn es gut geht, hat er einen Ertrag, daß der Städter ihn beneidet.
Sehen Sie, vor Zeiten war ich manchmal in Strafe wegen der Robot, und meine Felder standen zur Hälfte wüst. Jetzt pachte ich Grundstücke von den polnischen Edelherren, und meine Wirtschaft läßt sich sehen. Drüben in Sieniawa da sehen Sie das Dorf an, Haus für Haus von purem Stein. Dabei die gute Straße. Das ist freilich noch der Anfang, Herr Gnädiger, es drücken uns etwas die Steuern, es fehlt noch an Eisenbahnen, Straßen, Schulen.«
Ich sah den Bauer erstaunt an. »Aber man sagt«, bemerkte ich dann, »daß Ihr die Schulen nicht sehr liebt.«
Der alte Mann schlug die Arme auf der Brust ineinander und wiegte den Oberkörper hin und her. »Was die Leute alles sagen! Das war noch, wie alles