Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
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Weit von ihm gegenüber stand Jewa, ruhig, das Auge fest auf ihn gerichtet, den Kopf so stolz, weit, unerreichbar.
Leidenschaftlich schwellen die Töne der Musik zu einer wunderbaren Melodie. Plötzlich wirft er den Kopf in die Höhe und stößt einen Schrei aus, einen wilden Jagdruf, den Schrei eines Adlers, der sich auf seine Beute stürzt. Er hebt die Arme und beginnt zu tanzen, jetzt ein Kind, das spielt und trippelt, jetzt ein Gaukler, der eine Schlange bändigt, jetzt ein Raubtier, das in wilden Sprüngen sein Weibchen verfolgt. Sein Auge läßt das ihre nicht mehr los, jeder Schritt, jede Bewegung seines Leibes gilt ihr, sie beobachtet ihn mit kaltem Blute und weicht ihm aus, immer enger werden die magischen Kreise, welche er um sie zieht, jetzt ist er nah’.
Immer wilder wird der Chor der Instrumente.
Mit einem einzigen Satze ist er bei ihr, wirft den Arm wie eine Angel nach ihrem Halse, in demselben Augenblicke ist sie ihm aber auch im Sprunge entflohen und tanzt übermütig, höhnisch, unter lautem Gelächter des ganzen Kreises, an dem entgegengesetzten Ende desselben, den Arm herausfordernd über der Hüfte eingestemmt.
Wieder steht der Tänzer regungslos, wieder senkt er traurig das Haupt, wieder nähert er sich Jewa, und wieder entkommt sie ihm.
Endlich scheint er zu verzweifeln, sein Tanz wird zur Apathie eines Unglücklichen, sein Gesang ein leises Weinen, sie aber höhnt ihn mit den fröhlichen Trillern, sie wirft den Kopf in den Nacken, sie lacht und spottet, und tanzt um ihn, wie eine Mücke um das Licht. Er aber fällt zu Boden, wie ein Sterbender, schnellt im nächsten Augenblick empor, wirft die Arme wie eine Schlinge um Jewas Leib, und sie ist sein.
Unter bacchantischem Jubel des Kreises tanzen sie jetzt zusammen, die Geigen jubeln, der Cymbal jubelt, der Tanz wird zum Hochzeitsreigen, der Gesang zum Hymenäus.
Die ehrenwerten Grundwirte am Tische singen indes den Refrain eines heiteren Trinkliedes, das Herr Nikolaus Lesnowicz angestimmt hat. Der alte Herr ist überlustig, küßt seine Frau vor den Gästen und nennt sie eine verdammte Kokette, während sie verschämt mit den Augen zwinkert.
Der Kosak hat in der Nähe der Entenlache einen halbzerbrochenen Topf aufgestellt, Nikolas muntere Frau verbindet ihrem Tänzer von vorhin die Augen, andere junge Burschen kommen herbei und schicken sich zum Topfschlagen an.
Ich gehe langsam durch den Hof, die Hühner atmen leise im Schlafe, der Hund knurrt, zieht Luft, beginnt zu wedeln.
Hinter dem Edelhofe ist alles still.
Ich betrete eine kleine Wiese und lege mich in einen Heuschober.
Ringsum tiefe Ruhe, kein Schrei eines Vogels, kein Ton einer Hirtenpfeife, feuchter Duft steigt auf, die weite Ebene ist mit Mondlicht gefüllt, der Himmel mit Sternen, die Milchstraße steht klar und ruhig. Jetzt schluchzt eine Nachtigall nahe. Zehn Schritte weit ragt ein vom Monde halbversilberter Busch. Dort wird es sein. Eine zweite antwortet, die Nacht, die tiefe Stille tragen die süßen Töne.
Das kurzgeschnittene trockene Gras knistert und bricht, ein Schritt, noch einer, so sachte? Von der Weide seitwärts tönt der zärtliche Lockruf einer Katze.
Jetzt naht es dem Schober, ich richte mich auf, es ist ein Weib, das wie erschreckt stille steht, es ist Jewa.
»Sie sind es, Herr!« sagte sie ruhig.
Ich halte sie bei der Hand. »Und wen suchst Du?« frage ich. Sie schweigt, aber hält meinen Blick aus, zuckt mit keiner Wimper »Du suchst den Waldhüter«, fahre ich fort Jewa schweigt Sie schlägt das Auge nicht nieder, aber es flammt auf Ihre Pupille wird groß, wie die einer Katze, die im Mondlicht wandelt.
»Du suchst ihn nicht?«
»Ich such’ ihn, ja!« entgegnete sie leise, aber entschieden, »er ist mein, ich suche ihn. Schimpfen Sie mich also«
»Warum soll ich Dich schimpfen?« fragte ich »Weil es alle tun, weil es so ist in der Welt«, sprach sie, alles fest, Auge in Auge.
»Ich schimpfe Dich nicht«
»Sie lachen also auch über diese Welt«, sprach sie und stieß ein verachtungsvolles Lachen aus. Die Stille brachte es weit in die Ebene, welche es endlich verschlang Die Nachtigall schwieg, sogar die Katze schwieg »Was sind mir die Menschen, was ist mir das Urteil der Welt7 Was der Galgen ist für einen tapferen Karpatenräuber.«
Ich ließ ihre Hand los, sie zog das Hemd über der halbentblößten klassischen Brust zusammen und fuhr fort: »Sie sind doch keine schön wie ich. Der Pfarrer sieht mich bei der Predigt bei gewissen Stellen strafend an, begegnet er mir aber allem im Walde, so klatscht er mir mit seiner fetten Hand über den Nacken oder die Hüfte. Sie schimpfen mich, weil ich nicht heucheln kann, wie sie und ihre Weiber und Mädchen. Weil ich einen Mann ansehe, wenn er mir gefällt, weil ich mit ihm spreche, wenn er mich unterhält, weil ich—«
»Nun?«
»Weil ich ihn küsse«, rief sie, »wenn ich ihn liebe, und wenn er krank vor Liebe ist, sage ›Komm’ heute Nacht zu mir‹ – Lebt man denn, um ein ehrbares Begräbnis zu erhalten, oder-«
»So nimm Dir einen Mann.«
»Ich will nicht«, sprach sie stolz, »ich will mich nicht einem Manne verkaufen, wie ein Vieh, und sein gehören, wenn er will. Ich will frei sein, ich will eine wilde Katze bleiben unter den zahmen, ich lache über diese Welt.«
Wieder brach das trockene Gras.
Jewa horchte, einen Augenblick stand sie regungslos im Mondlicht, den Arm erhoben, dann sprang sie davon.
Ich kehrte durch den Edelhof zurück und trat auf die Veranda. Gestützt auf die dürre Galerie, in der leise der Holzwurm pickte, sah ich hinab in das Gewühl des Erntefestes.
Niemand war betrunken, aber alles aufgelöst. Der Kosak hieb mit verbundenen Augen, den Rücken dem Topfe zugekehrt, wütend um sich, mit den Füßen ausschlagend, so daß er jedesmal den Topf zu zertreten schien, auf dem Plan am Fuße des Hügels hatten sie ein Feuer angemacht und tanzten einen wilden Reigen um dasselbe; zwischen den Tischen stand der alte Stephan und sang mit heiserer Stimme ein Kosakenlied, wozu der Kirchensänger kopfschüttelnd die Baßgeige strich.
Jetzt winkte Herr Nikola mit branntweinseligen Augen ein paar junge Burschen herbei und schlich mit ihnen um das Haus.
Ich folgte einige Schritte auf der Veranda, dann mit meinem Blicke.
Die lustige Bande hockte sich im Gebüsch nieder und stimmte auf einmal gellend ein ausgelassenes Spottlied an. Der Refrain tönte besonders ergötzlich in wunderlichen Katzenmelodien.
Sie aber, der das Spottlied galt, saß auf einem Aste der Weide, und zu ihren Füßen Dmitro, der Waldhüter, den schönen Kopf an ihr Knie gelehnt.
Sie vergrub beide Hände beinahe wild in seinen Locken und lachte.
Der Capitulant
Lieb ist nicht Liebe,
Die Trennung oder Wechsel könnte mindern,