Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох

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Sonnet 140.

      Wer in leichter Gondel im stillen Meere schwimmt, das Element mit sich spielen, die schattenhaft gezeichneten Ufer des festen Landes, der Inseln hinter sich versinken läßt, die Luft über sich, ein zweites Meer mit wogenden Wolken ahnungsvoll schaut, wird mich vielleicht verstehen, wenn ich von der galizischen Fläche, dem winterlichen Schneeocean, der Fahrt in dem flüchtigen Schlitten berichte. Es zieht die Menschenseele wehmüthig sehnsuchtsvoll an, der Ocean wie die Ebene. Nur ist der Flug im Schlitten rascher, adlerhafter – während sich der Kahn im Wasser wie eine Ente in der Luft wälzt – nur ist die Farbe der unendlichen Fläche, ist ihre Melodie ernster, düsterer, drohender, man sieht die Natur in ihrer Nacktheit, den Kampf des Daseins, man fühlt den Tod näher, man empfindet seine Atmosphäre, man hört seine Stimmen.

      Mich lockte der lichte Winternachmittag hinaus. Ich hatte die Fahrt beschlossen, mein Fuchs war krank, nicht jedes Pferd geht gut im Schnee, ich ließ den Mausche Leb Kattun kommen, einen großen Kutscher vor dem Herrn, und seine verläßlichen Pferde vor meinen Schlitten spannen. Der Tag war prächtig, die Luft stand still, auch das Licht, die goldenen Sonnenwellen zitterten nicht im leichten Dunste der Erde. Luft und Licht waren ein Element. Auch im Dorfe war Alles still, kein Ton verrieth die Bewohner der schweigsamen Strohhütten, nur die Sperlinge flogen an den Zäunen in Schaaren auf und schrieen.

      Weiter stand ein kleiner Schlitten mit einem hinkenden Pferdchen bespannt, nicht größer als ein Fohlen; auf dem führte ein Bauer Holz aus dem Walde, sein halbgewachsenes Mädchen rief ihn und watete mit bloßen Füßen durch den ellenhohen Schnee nach einem kleinen Scheite, das er verloren hatte.

      Wie wir den kahlen Berg hinabflogen mit klingenden, hellen Glöckchen, lag die Ebene vor uns, unermeßlich, unfaßbar, unendlich. Der winterliche Hermelin gab ihr die höchste Majestät. Sie war ganz von ihm bedeckt, nur die kahlen Stämme der niederen Weiden, entfernter einzelne langatmige Heidebrunnen, in der Ferne ein paar verlorene rußige Hütten, zeichneten sich schwarz auf dem weißen Schneepelz.

      Mausche Leb Kattun schüttelte sich und schrie. Der erste Blick in die Ebene wirkte bei ihm wie schnelles Gift; seine palästinische Phantasie begann in biblischen Phrasen zu reden, sie kam mit einem einzigen Flügelschlag aus der Region der Pelzthiere in jene der Palmen und Zedern; es warf ihn auf dem Bocke wie einen Fieberkranken, er grub in seinem Hirn nach tausend Bildern für das eine Unfaßbare, das ihn quälte, er spuckte die Gleichnisse zu Dutzenden aus, bis ich ihn schweigen hieß. Jetzt murmelte er vor sich hin. Ich weiß nicht, ob er das Gespräch mit sich selbst fortsetzte, ob er betete? ob er endlich das Gleichniß gefunden? ein unendliches weißes Papier, auf das er seine unendlichen Rechnungen schrieb und zählte, und zählte.

      Wir flogen auf der festen Bahn dahin.

      Drüben lag ein Hof, hinter ihm ein Dörfchen; der Schnee hatte Alles versilbert, die elenden überhangenden Dächer mit Silber gedeckt, die kleinen Scheiben mit silbernen Blumen, jede Rinne, jeden Brunnen, jeden verkrüppelten Obstbaum mit silbernen Quasten behängt. Hohe Wälle von Schnee umgaben jede Wohnung. Da hat sich der Mensch seine Gänge gegraben wie der Dachs oder Fuchs. Der leichte Rauch, der aus dem Dache emporsteigt, scheint in der Luft zu frieren. Große silberne Pappeln stehen um den Hof. Hie und da flattern Stäubchen Reifes wie Schwärme diamantener Mücken empor und ziehen – ein Miniaturgewitter – tausend kleine Blitze sprühend, durch die Luft.

      An dem Ausgange des Weilers jagen Bauernbuben mit weißen Köpfen und rothen Backen, halbnackt im Schnee. Sie bilden einen Mann daraus und stecken ihm eine lange Pfeife in das breite Maul, wie der Edelmann sie raucht. Da sitzt ein junger Bauer auf einem Handschlitten und ein paar hübsche Mädchen mit langen braunen Zöpfen und vollem Busen in dem gebauschten weißen Hemde ziehen ihn über Stock und Stein. Der Muthwille steigt wie eine jubelnde Lerche über ihnen empor. Wie sie lachen! und er lacht noch toller und hat die Mütze verloren.

      Wir flogen dem Wald vorbei.

      Wo ist seine Melodie? Heiser bellt der Fuchs und die Dohle schreit. Das bunte rothe Blattwerk ist oben einförmig mit Schnee umhüllt. Wald und Himmel umfließt ein rosiger, feuchter Duft. Vor uns liegen nur noch beschneite Hügel wie die starren Wogen eines weißen Meeres. Wo der weiße Himmel in dasselbe taucht, lagert sich ein Glanz. Nur jenes Auge kann ihn sehen, das in die Sonne schauen kann. Hinter uns versinkt das Dorf, der rothe Wald; die letzten Spitzen der kahlen Berge leuchten noch einmal auf, auch sie versinken wie Hügel und einzelne Bäume. Die unbegrenzte Ebene hat uns aufgenommen. Vor uns nichts als Schnee, hinter uns Schnee, über uns wie Schnee der weiße Himmel, um uns die tiefste Einsamkeit der Tod, die Stille. – –

      Wir glitten dahin wie im Traume. Die Pferde schwammen nur im Schnee, der Schlitten folgte lautlos. Seitwärts lief eine kleine graue Maus über das Schneefeld. Weit und breit blickte kein Schornstein, kein hohler Baumstamm, kein Maulwurfshügel hervor und sie lief so behutsam emsig vor sich hin. Wohin? Jetzt war sie noch ein kleines dunkles Pünktchen. Dann war es wieder einsam um uns. Es schien, daß wir nicht vorwärts kamen. Es veränderte sich nichts vor uns, nichts hinter uns, nicht einmal der Himmel. Er steht starr, wolkenlos, einfarbig, wie frisch mit Kalk getüncht, er bewegt sich nicht, er schimmert nicht einmal. Nur die Luft wird immer abendlicher, schärfer, sie schneidet wie Glas.

      Mausche Kattun hat sich eben geschnitten, er greift erschreckt in den Schnee, reibt sein Ohr und zieht dann die Klappe seiner Mütze darüber. Am Ende steht unser Schlitten wie ein Fahrzeug in dem stillen Meere, das sich bewegt, ohne von der Stelle zu kommen. Wir glauben nur zu fahren, nichts hinter uns, nichts vor uns, wie wir zu leben glauben. Denn leben wir? Heißt nicht leben, sein? und nicht mehr sein – nie gewesen?

      Da fliegt ein Rabe, er segelt mächtig mit schwarzen Fittichen, schweigsam mit offenem Schnabel. Jetzt flattert er um einen Schneehügel. Ist es ein Schotterhaufe, ist es ein verlorener, versunkener Heuschober, in dem er Mäuse wittert? Nein. Er fliegt halb, halb hüpft er um denselben, er hinkt im Fliegen und flattert im Gehen, besieht ihn von allen Seiten, steht dann oben und hackt hinein. Es ist ein Aas. Dort kommt auch schon der Wolf mit zottigem Nacken, er hebt die Schnauze und zieht Luft, dann trabt er heran. Wie er es erreicht, riecht er dazu, sieht den Vogel an, winselt und wedelt wie ein Hund, der seinen Herrn wiederfindet. Der Rabe steht oben, heiser, lustig und schlägt mit den Flügeln. »Komm Bruder, es ist genug da für uns Beide.« Wie sie sich anlachen, die Spitzbuben.

      Indem die Sonne sinkt, wird sie allmälig tief unten als eine glänzende Dunstkugel sichtbar. Sie geht nicht unter, sie sinkt in den Schnee. Er zerfließt wie geschmolzenes Gold, goldene Wellen spielen bis zu uns, wunderbare Farben laufen über den Schnee, der mit flüssigem Silber besprengt ist. Jetzt verlöscht sie. Die tausend Lichter, welche sie ausgeworfen hat, rinnen zusammen, werden blaß, noch schwebt ein leichter, rother Hauch in der Luft, dann löst auch er sich auf, Alles ist wieder farblos, kalt und unbeweglich.

      Nur einen Augenblick.

      Dann stößt die Luft aus Osten plötzlich scharf und eisig gegen uns.

      In der Ferne schwamm ein Schlitten, die flüchtigen Luftwellen trugen den wimmernden Ton seines Glöckchens herüber, dann verschlang ihn der aschfarbe Nebel, welcher an dem Horizonte eilig aufstieg, sich zusammenballte und wogte. Es wurde rasch dunkel, formlose, weißgraue Wolken umspannten den Himmel, eine furchtbare Armada, Segel an Segel. Jetzt schlägt der Wind hinein und bläst sie auf, sie schwimmen näher, theils kommen sie heran, theils fahren wir in sie hinein. Abendliche Dünste lodern hervor und lösen sich in leichte Schatten auf.

      Der Jude hält seine Pferde an.

      »Es kommt ein Sturm,« sagt er mit besorgtem Antlitz; »der Schnee kann uns verwehen, es ist näher nach Tulawa als zurück. Was meinen Sie, Herr?«

      »Also fahre nach Tulawa.«

      Er knallte zweimal mit der Peitsche über den Köpfen seiner

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