Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох

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      »Hab’ ich euch, ihr Aalfische!« rief er zuerst kichernd, hierauf beklagte er sich über Etwas, was mir entging, später hörte ich, wie er den Capitulanten lobte.

      Zu ihm setzte er sich dann auch, und sah Jedem einige Zeit ins Gesicht, der Reihe nach wie wir am Feuer saßen, bis er zu mir kam, da reckte er den kleinen zusammengeschrumpften Hals aus, zog die Augenbrauen empor, stand auf, verneigte sich dreimal und setzte sich wieder.

      »Der gnädige Herr wird nicht wissen, was er aus mir machen soll,« kicherte er und schluckte wieder einige Worte hinab. »Sehen Sie, ich bin ein alter Mann, dem Alle gestorben sind. Wie Sie mich da sehen, bin ich allein wie das Kind im Mutterleibe. Voriges Jahr habe ich noch einen Raben gehabt, der, meinte ich, würde mit mir aufwachsen, es hat ihn aber auch beim Flügel erwischt. Nun ist in meiner Hütte Keiner, als ich. Wer will bei einem alten Manne bleiben? – Und dann ich selbst schlafe auch nicht. Das ist so eine Sache, wenn man alt ist. Es fällt einem Vieles ein. Ich fürchte mich allein in der Nacht, ja – ja,« er lachte, so daß die Luft ihm durch die Nase pfiff. »Da bekommt der Nebel Füße und der Schnee Hände, mit denen er an Fenster und Thüre klopft, und der Mond ein Gesicht und Augen, große Augen wie ein Verrückter, und fragt allerhand, der Narr, was unsereins nicht beantworten kann!«

      Er spuckte kräftig aus.

      »Sehen Sie, da stehle ich mich jederzeit fort, Herrchen, und laufe hin, wo ich weiß, daß Leute sind.«

      Der alte Mann unterhielt mich.

      »Unter Menschen ist es Euch also wohl?« fragte ich.

      »Eigentlich langweile ich mich da vielerseits.«

      Der Pappendeckelmann sah ihn entrüstet an.

      »Nun ich sage ja gar nichts,« fuhr Kolanko fort. »Aber es gibt nichts, was ich nicht schon gehört hätte. Ich weiß Alles. Alles. Und wenn einmal etwas Neues dabei ist, was liegt etwa daran, daß Iwan es etwas dümmer angestellt hat als Basyl, da er seines Freundes Frau verführen wollte. Geht mir. Ihr seid auch solche Neulinge. Der Capitulant ist der Einzige, dem es noch der Mühe werth ist, zuzuhören, deßhalb bin ich zu Eurem Feuer gelaufen.«

      »Also langweilt Euch das Leben,« sagte ich etwas neugierig.

      »Allerdings.«

      »Und wünscht Ihr Euch den Tod?«

      »Den wirklichen Tod? Ja.«

      »Was nennt Ihr den wirklichen Tod?«

      »Einen Tod, Herr, der ausgibt, der einen lebendigen Mann todt macht für immer, nicht aber, daß er eine Weile in der Erde liegt und dann seine Glieder zusammensuchen kann und von vorne anfangen..

      »Er fürchtet das ewige Leben,« sprach der Pappendeckelmann, den Kopf zu mir neigend.

      Wir sahen Alle den Alten an. Ich war gespannt, ihn zu hören; denn unsere Bauern sind, ohne je ein Buch gesehen, einen Federzug gemacht zu haben, geborene Politiker und Philosophen. Es ist orientalische Weisheit in ihnen wie in den armen Fischern, Hirten und Straßenbettlern von Tausend und einer Nacht, bei denen Harun al Raschid einkehrt. Ich erwartete zu hören, was man nicht alle Tage hört und weder in Hegel noch Moleschott liest.

      »Was habt Ihr denn eigentlich an diesem Leben?« sprach der Alte leise und deutlich, »Ihr Neulinge, Ihr könnt so wünschen fort zu leben, Ihr jungen Leute. Einer, der wie ich Alles gesehen hat, was ein Mensch sehen kann, Alles erfahren, Alles gelitten hat, was ein Mensch nur leiden kann – der freilich« – er versank in Nachdenken.

      »Das ewige Leben müßte gewiß entsetzlich langweilig sein,« sagte er hierauf, »aber ich kenne Etwas, was mir noch furchtbarer wäre.«

      »Das wäre?« –

      »Wieder geboren zu werden.« Er lachte laut.

      »Das ist mir wahrlich noch nie eingefallen,« sagte der Pappendeckelmann bedächtig, »der alte Mann hat Recht.«

      Der Capitulant starrte in das Feuer mit verglasten Augen wie ein Erfrorener. Der Alte stieß ihn mit dem Ellenbogen.

      »Nun, was sagst du?«

      »Gott soll mich bewahren,« sprach ernst der Capitulant. »Ich will nicht wieder geboren werden!« »Sehen Sie also, Herrchen,« begann der Alte wieder, »ich denke mir etwa: du langweilst dich so genug mit deinen hundert Jahren im Leibe, aber es nimmt einmal ein Ende. Wenn du dich aber im ewigen Leben zu langweilen beginnst, da gibt es keine Rettung. Nehmen wir an, Leute! das wäre wirklich Alles so mit dem Himmelreiche. Also gut. Anfangs Herrchen, wäre Alles so zu sagen angenehm, es fehlte nicht an spassigen Gesprächen, erzählt mir der heilige Sebastian, wie die Türken auf ihn mit gefiederten Pfeilen geschossen und ihn angenagelt haben wie eine Eule, wie er aber nicht ganz todt war und eine Wittwe ihn gerettet hat in ihr Haus und wie er dann wieder dem Heidenkaiser entgegen ging und sagte: du Hundsblut! und dann noch einmal erschlagen wurde. Dann erzählt mir der heilige Bischof Polykarp von der tüchtigen Antwort, die er einem Heiden, so einem römischen Feldmarschalllieutenant gab und wie er dann auf dem Scheiterhaufen gebraten wurde und der heilige Vincenti beschreibt mir, wie er auf den schneidenden Scherben gebettet war. Aber endlich erzählt mir der heilige Sebastian zum tausendstenmale von den Pfeilen, und der heilige Vincenti zum tausendstenmale von den schneidigen Scherben und dann – nicht schlafen können! Im Schlafe ist der Mensch doch für einige Zeit todt. Und dann kann man doch gähnen, aber der Teufel weiß, ob die reinen Geister auch gähnen können.«

      »Ihr seid munter,« sagte ich, »glaubt Ihr, daß Ihr es noch weit bringt über hundert?«

      »Ja, leider, leider,« entgegnete er. »Wenn man so hundert Jahre geschaut hat, Herrchen, wie es aussieht in diesem Leben, hat man allenfalls genug. Man möchte lange, lange schlafen und wenn es sein könnte, nicht mehr aufwachen.«

      Er versank in Gedanken und schaukelte seinen Federpolster vor sich hin. »Mit dem Himmel, Herrchen, kann das nur ein schlechter Spaß sein. Sehen Sie, dahier muß Alles was lebt, so Thier als Mensch, wie verzweifelt thun, nur um weiter zu leben und Eines mordet das Andere, und Eines lebt vom Anderen, und da drüben sollten so viel Faullenzer gefüttert werden? Wenn es ein ewiges Leben gibt, Herr, so heißt es dort wieder arbeiten, entbehren, leiden. Man sollte beten statt: Erlös uns von dem Uebel – erlös uns von dem Leben.«

      »Glaubt Ihr an kein zweites Leben?« fragte still der Capitulant; seine Stimme zitterte bei der Frage.

      »Ich sage gar nichts,« erwiederte Kolanko, indem er mit dem Finger in seiner Nase herumstocherte. »Die heilige Schrift aber ist ein Buch, das Gott selbst geschrieben hat. Der Diak wird’s doch wissen. Sagt der Diak, kommen Stellen vor, man sieht, der liebe Gott hat es damals noch selbst nicht gewußt, ob es ihm gelungen ist, die Menschenseele unsterblich zu machen. Da steht geschrieben: Es geht dem Menschen wie dem Vieh, wie dies stirbt, so stirbt er auch, und haben alle einerlei Athem, und der Mensch hat nichts mehr denn das Vieh. Nun seht Ihr, der liebe Gott wird’s doch wissen. Und dann steht geschrieben: Es fährt Alles an einen Ort, es ist Alles von Staub gemacht und wird wieder zu Staub. Wer weiß, ob der Geist des Menschen aufwärts fahre und der Athem des Viehs unterwärts unter die Erde fahre. Darum sah ich, daß nichts Besseres ist, denn daß der Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit, das ist sein Theil, denn wer will ihn dahin bringen, daß er sehe, was nach ihm geschehen wird. – So steht es geschrieben, Wort für Wort.«

      »Nichts Besseres, als daß der Mensch fröhlich ist bei seiner Arbeit,« rief der Capitulant. »Seine Pflicht muß man thun. Das ist das Beste. Was will man sonst

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