Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох

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Fittichen um uns. Dort ist das Heiligenbild auf steinernem Pfahl, hier wendet sich der Weg nach Tulawa zur Rechten.

      Schon schlägt uns der Wind mit beiden Fäusten in den Nacken, er heult mit entsetzlichen, jammervollen, wahnsinnigen Stimmen, er stößt von der Höhe herab in den Schnee, wühlt ihn auf, zerschlägt die großen Wolken, wirft sie zur Erde in fleckigen Klumpen und droht uns damit zuzudecken. Die Pferde nehmen die Köpfe zwischen die Beine und schnauben. Der Sturm weht weiße Wirbel auf bis zum Himmel empor, kehrt die Ebene mit weißen Besen und kehrt ungeheure Kehrichthaufen zusammen, in denen er Menschen und Thiere, ganze Dörfer begräbt.

      Die Luft brennt als wäre sie glühend, sie ist fest geworden, vom Sturm zerbrochen fliegt sie in Stücken umher und dringt, wenn man Athem holt, gleich Glassplittern in die Lunge.

      Die Pferde können nur langsam vorwärts, sie graben sich durch Schnee, Luft, Wind.

      Der Schnee ist ein Element geworden, in dem wir mit aller Anstrengung schwimmen, um nicht zu ertrinken, das wir athmen, das uns zu verbrennen droht. In der furchtbarsten Bewegung wird die Natur starr und eisig. Wir selbst sind nur Theile der allgemeinen Kälte und Starrheit. Man begreift, wie das Eis eine Welt begraben hält, wie man aufhört zu leben ohne zu sterben, ohne zu verwesen. Ungeheure Elephanten, riesige Mammuths liegen darin unversehrt aufgespeichert für die Suppentöpfe fleißiger Gelehrter. Man erinnert sich an vorweltliche Diners und lacht. Man wird überhaupt lachlustig. Kitzeln reizt ja zum Lachen und die Kälte kitzelt furchtbar, ununterbrochen, grausam. Scheintodte in der Nase gekitzelt nießen und werden dann lebendig. Alles friert. Die Gedanken hängen wie Eiszapfen am Gehirn, die Seele bekömmt eine Eisdecke, das Blut fällt wie Quecksilber. Man denkt nicht mehr seine Gedanken, man fühlt nicht mehr wie Menschen fühlen, Moral und Christenthum hängen uns wie erstarrter Nebel in den Haaren, das Elementarische an uns wird gewaltsam herausgekehrt. Wie zornig werden wir, wenn uns ein Nagel nicht in die Wand will, wir zerschmettern ihm wohl mit einem Streich das metallene Haupt, wir werfen einen engen Stiefel in die Ecke und überhäufen ihn mit den merkwürdigsten Schimpfworten. Hier ist es ein Kampf um das Dasein, aber man kämpft ihn wie ein Element geduldig, stumm, resignirt, beinahe gleichgültig. Jenes Leben, das wir so sehr lieben, ist erstarrt, wir sind ein Stein, ein Stück Eis, eine erstarrte Luftblase mehr in dem Kampf der Elemente.

      Man beobachtet den eigenen Puls wie einen fremden. Ein weißer Vorhang trennt uns von unseren Pferden, der Schlitten trägt uns im Sturme wie ein Kahn ohne Ruder, ohne Segel – er steht beinahe still.

      Der Orkan heult eintönig fort, die Luft brennt, der Schnee wirbelt; Raum und Zeit verschwinden. Gehen wir vorwärts? stehen wir? Ist’s Nacht – ist’s Tag?

      Langsam ziehen die Wolken gegen Abend. Langsam schnauben die Pferde wieder, jetzt tauchen sie auf, den Rücken voll Schnee – es fallen dichte Flocken, die Erde ist ellenhoch von ihnen bedeckt, aber man sieht wieder und kommt vorwärts. Der Sturm keucht nur noch und wälzt sich winselnd im Schnee, die Nebel liegen wie grauer Schutt am Boden. Wo sind wir?

      Ringsum Alles verweht, kein Weg, kein Schotterhaufen, kein hölzernes Kreuz, das ihn weist, die Pferde waten bis an die Brust, nur in der Ferne noch einzelne verlorene Töne des Sturmes. Wir stehen, gehen wieder vorwärts, der Jude fegt seinen Thieren den Rücken mit dem Peitschenstiel. Zwei Raben fliegen vorbei, lautlos, die schwarzen Flügel kaum bewegend. Der Schneefall verschlingt sie. Die Pferde schütteln sich und gehen rascher. Es fallen nur leichte wässerige Flocken. In der Ferne aber ist noch Alles umhüllt. Wieder halten wir, berathen.

      Die Nacht bricht an, trübe, wolkige Dämmerung breitet sich aus, wickelt uns immer mehr ein. Der Jude peitscht die Pferde, sie werfen die Füße in immer rascherem Tacte. Da liegt ein glührother Streifen am Horizont. Wir wenden uns auf ihn zu. Jetzt war es, als sei der rothe Mond auf die Erde gefallen und liege da im Schnee und verlösche; es loderte empor und beleuchtete starke dunkle Schatten.

      »Es ist die Bauernwache beim Birkenwäldchen,« sagte der Jude, »und hinter dem Wäldchen liegt Tulawa.«

      Wie wir näher kamen stand das kleine Birkenwäldchen wie eine dunkle Wand gegen uns, stellenweise grell beleuchtet von dem ungeheuren Feuer, das die Bauernwache am Rande desselben emsig unterhielt. Das Feuer lag im Halbkreise gegen den Wald, so daß der Wind, der hie und da gegen die kleinen Birken stieß, die Flammen nach außen trieb. Der Rauch zog langsam gegen den Wald, wo er stückweise an den Bäumen hängen blieb und leise verflog.

      Ein warmer leuchtender Dunst lag um das Feuer; die an demselben Wache hielten, tauchten jetzt wie Schatten darin auf. Der Jude winkte ihnen.

      Sofort versanken sie wieder, nur Einer kam uns entgegen.

      »Es ist der Balaban,« sagte Leb Kattun. »Kennen Sie ihn nicht? Es ist der Capitulant.«

      Es war ein verabschiedeter Soldat, der Feldhüter der Gemeinde Tulawa, ein in seiner Gegend besonders angesehener pflichttreuer Mann. Ich hatte mehr als einmal von ihm gehört, aber bisher keine Gelegenheit gehabt, ihn kennen zu lernen, ich betrachtete ihn daher mit einigem Interesse. Seine hohe Gestalt und Haltung, sein Kopf, seine freie, maßvolle Bewegung machten mir sofort einen ganz bestimmten Eindruck von Festigkeit. Sein Gruß war artig aber nicht demüthig.

      »Hat Ihnen der Sturm viel gemacht?« fragte er und sah nach den Pferden. »Nun, ich will hoffen der Kutscher hat seine Schuldigkeit gethan?«

      Alles wie ein Cavalier, bei dem man einkehrt, mit ebensoviel Grazie als Würde. Mit einer vornehmen Handbewegung lud er mich zu dem Feuer ein. »Die Pferde sind matt, schwitzen,« sagte er; »dann die Finsterniß – Sie werden rasten müssen.«

      »Das wollen wir auch,« entgegnete ich, denn mich zog die Gesellschaft am Feuer an, und der Capitulant. Wie der mich führte, lief ihm ein Bube entgegen.

      Dem strich er mit der Hand sanft über den weißen Kopf. Da war es nicht derselbe. Ich sah, das ist ein Mensch, mit dem man nicht auf den ersten Blick fertig ist.

      Die Leute am Feuer standen auf.

      »Nun, was macht Ihr da?« sagte ich.

      Alle blickten auf den Capitulanten.

      »Die Gutsbesitzer aus der Nachbarschaft,« sagte dieser ernst, »wohl noch andere Polen, fahren heute nach Tulawa in den Hof des Herrn. Sie haben dort gewiß Emissäre und Schriften und verabreden sich. Mancher kommt ohne Paß. Man muß also seine Schuldigkeit thun. Vielleicht kommt etwas zum Vorschein. Das ist die ganze Historie.«

      »Ja, wir halten Wache!« sagte der Bub.

      »In diesem Sturm!« rief ich.

      »Nun, man thut seine Schuldigkeit!« antwortete der Capitulant; »wenn wir sie übersehen im Schneegestöber, waren wir doch da.«

      Er verstand also gar nicht, daß ihn der Kampf der Elemente, die Gefahr abhalten könnten zu thun, was er für seine Pflicht hielt; das war merkwürdig.

      Er nahm die Pferde bei der Mähne vorne und führte den Schlitten an das Feuer, zog eine Decke aus demselben und breitete sie für mich aus.

      »Die Erde ist trocken,« versicherte er. »Wir liegen seit früh da und unterhalten ein Feuer, bei dem man einen ganzen Ochsen braten könnte.«

      Es lag die Asche auch mehrere Schritte weit herum und war ganz warm. Die Flammen standen aufwärts oder schlugen aus dem Kreise, in dem wir uns lagerten. Die Schneeflocken kamen wie silberne Falter und sanken mit versenkten Flügeln in die Gluth.

      »Auch die von Zawale kommen,« bemerkte der Bub.

      »Freilich,

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