Warum Gott?. Timothy Keller

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Warum Gott? - Timothy Keller

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schreibt:

       Ich wollte den Schritt, vor dem er da stand, problematisieren, wollte ihm die Augen dafür öffnen, dass es andere Möglichkeiten gab, zu leben, andere Methoden, Wissen und Liebe zu suchen, … ja ein neuer Mensch zu werden. Ich wollte ihn davon überzeugen, dass seine Würde davon abhing, dass er eine freie, skeptische Haltung gegenüber allen Dogmen behielt. Ich wollte … ihn retten …

       Wie der Glaube will auch der Zweifel erlernt werden. Er ist eine Fertigkeit. Aber das Merkwürdige am Skeptizismus ist, dass seine Anhänger, alte wie heutige, so oft Proselytenmacher sind. Wenn ich sie lese, möchte ich oft am liebsten fragen: „Warum ist euch das alles so wichtig?“ Ihr Skeptizismus bietet keine gute Antwort auf diese Frage, und ich selber habe auch keine. 27

      Wo es um die Religion geht, sind wir alle „exklusiv“ in unseren Glaubensüberzeugungen, nur auf verschiedene Arten.

      Lilla macht mit seiner weisen Selbsterkenntnis deutlich, wie seine Zweifel am Christentum selber den Status eines erlernten, alternativen Glaubens haben. Er glaubt, dass die Würde des Einzelnen von seinem Skeptizismus in Glaubensfragen abhängt – was natürlich selber ein Glaubenssatz ist. Er gibt offen zu, dass er nicht anders kann, als zu glauben, dass es besser wäre, wenn die Menschen seine Sicht der Realität und der Menschenwürde übernähmen und nicht die von Billy Graham.

      Die Behauptung, dass die Religion X die einzig richtige ist, ist nicht engstirniger als die Aussage, dass die Art Y, über die Religionen zu denken (nämlich dass sie alle gleich sind), die einzig richtige ist. Wo es um die Religion geht, sind wir alle „exklusiv“ in unseren Glaubensüberzeugungen, nur auf verschiedene Arten.

      3. Religion zur Privatsache machen?

      Die dritte Strategie, um das Sicherheitsrisiko Religion unter Kontrolle zu bringen, besteht darin, den Menschen zu erlauben, in ihrer Privatsphäre ihre Religion für die einzig richtige zu halten und sie auch „evangelisieren“ zu lassen, aber in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit die Religion strikt auszublenden. Einflussreiche Denker wie John Rawls und Robert Audi argumentieren, dass man in der öffentlichen ethischen Diskussion nur solche moralischen Positionen vertreten darf, die säkular und nicht religiös begründet sind. Rawls ist bekannt geworden für seine Forderung, „umfassende“ religiöse Lehren aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen.28 Und vor Kurzem unterzeichneten zahlreiche Wissenschaftler und Philosophen eine „Erklärung zur Verteidigung von Wissenschaft und Säkularismus“, die die amerikanische Regierung aufforderte, „es nicht zuzulassen, dass Gesetzgebung oder Exekutive von der Religion beeinflusst werden.“29 Zu den Unterzeichnern gehörten u.a. Peter Singer, E.O. Wilson und Daniel C. Dennett. Auch der Philosoph Richard Rorty hat sich dafür stark gemacht, die Religion strikt auf die Privatsphäre zu beschränken und nie in öffentliche politische Diskussionen einzubeziehen. Die Berufung auf ein Argument, das auf dem Glauben basiere, sei schlicht ein „Gesprächskiller“, den man dem Nichtgläubigen nicht zumuten könne.30

      Denen, die diese Strategie als diskriminierend empfinden, erwidern Rorty und andere, dass sie schlicht pragmatisch gemeint sei.31 Sie seien nicht gegen die Religion an sich und versuchten auch nicht, religiöse Überzeugungen zu kontrollieren, solange sich die Religion auf die Privatsphäre beschränke. Doch im Bereich der Öffentlichkeit führe es zu unnötigen Kontroversen und sei zeitraubend, ständig über Religion streiten zu müssen. Religiös begründete Positionen betrachten Rorty und seine Mitstreiter als sektiererisch und zu Kontroversen führend, während sie säkulare ethische Argumentationen als universal und allgemein nachvollziehbar betrachten. Deswegen sollte der öffentliche Diskurs stets säkular und nicht religiös sein. Die Menschen sollten ohne jeden Bezug auf göttliche Offenbarung oder Bekenntnistraditionen gemeinsam an den großen Problemen unserer Zeit wie Aids, Armut, Bildung etc. arbeiten. Wir sollten unsere religiösen Überzeugungen für uns behalten und gemeinsam nach Wegen zum Wohl der Menschen suchen.

      Stephen L. Carter von der Universität Yale hat darauf erwidert, dass es, sobald wir moralisch argumentieren, völlig unmöglich ist, die Religion außen vor zu lassen:

       Der Versuch, eine Öffentlichkeit zu schaffen, in der das religiöse Gespräch nicht mehr vorkommt, wird, so durchdacht er auch sein mag, am Ende den Vertretern der organisierten Religion immer sagen, dass sie allein, und sonst keiner, erst dann am öffentlichen Dialog teilnehmen dürfen, wenn sie den Teil ihrer Identität, der für sie der wichtigste ist, abgelegt haben. 32

      Wie kommt Carter zu solch einer Behauptung? Fragen wir zunächst, was Religion ist. Einige sagen, sie ist irgendeine Art von Glauben an Gott. Aber das würde nicht den Zen-Buddhismus abdecken, für den es eigentlich gar keinen Gott gibt. Andere sagen, Religion sei der Glaube an das Übernatürliche. Aber das trifft nicht den Hinduismus, der nicht an eine übernatürliche Welt jenseits der materiellen glaubt, sondern an eine spirituelle Realität, die innerhalb der Erfahrungswirklichkeit liegt. Aber was ist Religion dann? Sie ist ein System von Glaubensaussagen, die erklären, was der Sinn des Lebens ist, wer wir sind und was das Wichtigste ist, was die Menschen in ihrer Lebenszeit tun sollten. Es gibt z.B. Menschen, die glauben, dass diese materielle Welt die alleinige Realität ist, dass es reiner Zufall ist, dass es uns gibt, dass wir nach unserem Tod nicht mehr existieren und dass es deshalb darauf ankommt, in dem bisschen Leben, das wir haben, glücklich zu sein und uns nicht von anderen religiöse Überzeugungen aufdrücken zu lassen. Auch wenn es sich dabei um keine explizite, „organisierte Religion“ im üblichen Sinne handelt, so finden wir doch eine Art „Metaerzählung“, also eine Geschichte über den Sinn des Lebens, nebst einer Anweisung, wie man aufgrund dieses Sinns sein Leben am besten führt.

      Religion ist ein System von Glaubensaussagen, die erklären, was der Sinn des Lebens ist, wer wir sind und was das Wichtigste ist, was die Menschen in ihrer Lebenszeit tun sollten.

      Manche Experten nennen dies eine „Weltanschauung“, andere eine „narrative Identität“ (die sich eben aus dieser selbst erzählten Geschichte über den Sinn des Lebens speist). In jedem Fall ist es ein System von Glaubensaussagen über das Wesen der Dinge. Eine implizite Religion. In diesem allgemeinen Sinn prägt der Glaube an eine bestimmte Sicht der Welt und der menschlichen Natur das Leben jedes Menschen. Jeder von uns lebt und handelt aus einer Weltanschauung heraus, ob diese nun ausformuliert und reflektiert ist oder nicht. Jeder, der sagt: „Das musst du tun“ oder: „Das darfst du nicht tun“, tut dies aufgrund einer impliziten oder expliziten moralischen und religiösen Position. Pragmatiker sagen, dass wir unsere Weltanschauung außen vor lassen und den Konsens über das suchen sollen, „was funktioniert“ – aber unsere Meinung darüber, was funktioniert, ist von unserer Meinung darüber bestimmt, wozu die Menschen da sind. Jedes Bild eines Lebens, das „gelingt“, entspringt notwendigerweise unserem tiefsten Glauben über den Sinn des menschlichen Lebens.33 Selbst der säkularste Pragmatiker bringt, wenn er sich an den Diskussionstisch setzt, tiefe Überzeugungen und Deutungsbilder über das Menschsein mit.

      Rorty hält religiöse Überzeugungen für „Gesprächskiller“. Aber fast alle unsere Grundüberzeugungen sind Glaubensüberzeugungen, die wir denen, die sie nicht teilen, schier nicht plausibel machen können. Solche säkularen Ideen wie „Selbstverwirklichung“ und „Autonomie“ sind absolut unbeweisbar und genauso „Gesprächskiller“ wie das Zitieren von Bibelversen.34

      Viele Aussagen, die für den, der sie macht, in den Bereich des gesunden Menschenverstandes gehören, sind in Wirklichkeit zutiefst religiöser Natur. Da behauptet Frau A, dass man alle sozialen Netze für die Armen entfernen solle, damit die Stärkeren überleben – „survival of the fittest“! Frau B wendet ein, dass „auch die Armen ein Recht auf einen anständigen Lebensstandard haben; sie sind schließlich auch Menschen wie wir!“ Worauf Frau A kontern könnte, dass viele Bioethiker heute den Begriff des „Menschen“ für künstlich und letztlich undefinierbar halten. Es ist überhaupt nicht möglich,

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