Griechische Mythologie. Ludwig Preller
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Also zuerst von der himmlischen Aphrodite im engeren Sinne des Worts d. h. der Göttin der Höhen, der Atmosphäre, des Wetters, aber auch der himmlischen Erscheinungen und ihrer Gesetze. Als Höhengöttin wurde sie viel auf Bergen und Burgen verehrt, auch auf Cypern, wo der an der östlichen Küste gelegene Olympos ein solches Heiligthum trug, welches Frauen nicht zugänglich war759, ferner zu Knidos und bei Milet760, auch in Troas auf der Höhe von Gargara, in Theben auf der Kadmea, in Korinth auf Akrokorinthos, in Argos auf der Larissa761, endlich in Sicilien auf dem hohen Berge Eryx, dessen Göttin von einer Inschrift auf Egesta (C. I. n. 5543) ausdrücklich Οὐρανία genannt wird. In Paphos und auf dem Eryx stand der große Hauptaltar unter freiem Himmel, und zwar wurde derselbe dort von jedem Blute rein gehalten, während man auf dem Eryx des Glaubens lebte daß die Göttin selbst in jeder Nacht und mit jedem frühen Morgen durch Thau und frischen Gras-Wuchs alle Spuren der vielen auf diesem Altare dargebrachten Brandopfer wieder vertilge762. Aber auch als Mondgöttin und Herrin der himmlischen Heerschaaren wurde sie verehrt, wie dieses namentlich der kretische Mythus von der Entführung der Europa auf dem Stiere, zu welchem die Münzen von Sidon und Cypern in entsprechenden Bildern der Astarte und Aphrodite den Commentar liefern763, auch der von der Pasiphae d. h. der Anleuchtenden, endlich der verwandte Dienst der Caelestis in Karthago beweisen, welche über Mond und Sterne, über Blitz und Regen gebot. Dazu kommt der alte Glaube an den Venusstern, welcher bei Hesiod th. 986 Phaethon heißt und ein Sohn der Eos und des Kephalos, den Aphrodite in zarter Jugend seinen Eltern entführt und zum nächtlichen Aufseher ihres Tempels d. h. des Himmels gemacht habe. Als eine Göttin des Gewitters und des Blitzes wurde sie gewöhnlich bewehrt und kriegerisch gedacht, wodurch sich zugleich der alte Bund zwischen Ares und Aphrodite in Theben und andern örtlichen Culten und Sagen erklärt, daher sie hin und wieder auch den Beinamen ἀρεία führte. So war ihr Bildniß in dem alten Heiligthume auf Kythera ein bewaffnetes764, auch in Sparta, wo spätere Deutung ohne Grund eine Andeutung der kriegerischen Natur seiner Einwohner in dieser Ausrüstung des Bildes suchte765, desgleichen in Korinth. Als Göttin der himmlischen Erscheinungen und ihrer Gesetze war sie zugleich eine Göttin des Schicksals und seiner Fügungen, daher eine Inschrift in Athen sie die älteste der Moeren nannte766 und in andern Gegenden in ihrem Dienste auch geweissagt wurde. Ihre Natur dachte man sich oft jungfräulich wie die der Athena und aus demselben Grunde, daher sie in Karthago Virgo Caelestis, die himmlische Jungfrau schlechthin hieß, aber freilich auch Iuno und Venus Caelestis, denn sie war und blieb auch in dieser Auffassung eine Göttin der weiblichen Fruchtbarkeit und der Geschlechtslust, welcher ihre Hierodulen zu Korinth und auf dem Eryx dienten. So führte in Sikyon, wo ihren Priesterinnen Keuschheit vorgeschrieben war, das von Kanachos gearbeitete Bild auf dem Haupte einen Polos als Sinnbild des Himmelsgewölbes und in den Händen Mohn und Apfel als Sinnbilder der Fruchtbarkeit und der Liebe (Paus. 2, 10, 4). Endlich in Elis, wo man Aphrodite Urania eine Tochter des Himmels und der Tageshelle nannte, hatte das von Phidias gearbeitete Bild den einen Fuß auf eine Schildkröte gestellt, das Sinnbild einer sittigen Häuslichkeit, während ein daneben stehendes Bild des Skopas, welches man Aphrodite Pandemos nannte, die Göttin auf dem geilen Bocke sitzend zeigte767. Zuletzt d. h. in der hellenistischen und römischen Periode wurde bei den Ueberlieferungen von dieser Göttin vorzüglich an der Vorstellung der ehelichen Liebe und Fruchtbarkeit und der siegreichen Wehrhaftigkeit festgehalten. In jener Hinsicht ist Venus Urania nun sogar im Gegensatze zur Pandemos eine Göttin des Kindersegens768; in welchem Sinne auch die Venus der Aeneaden Genetrix ist d. h. eine Göttin des Geschlechts und der Zeugung, als Stammmutter und ideale Hausfrau, daher bekleidet, wie die älteren Bilder der Aphrodite überhaupt gewöhnlich bekleidet waren. Oder sie ist bewaffnet und Siegesgöttin, νικηφόρος, unter welchem Beinamen Aphrodite in Pergamum, in Smyrna, in Argos, in Samnium verehrt wurde769, oder mit den Waffen des Ares beschäftigt, wie die bekannten Statuen der Venus von Capua und die nach dieser zu ergänzende der Venus von Milo sie vergegenwärtigen770.
Das andere Gebiet der Aphrodite ist das Meer, wo sie so gut herrscht und heimisch ist wie in dem Himmel771, daher sie als ποντία, πελαγία, ϑαλασσία und εὔπλοια weit und breit verehrt wurde, natürlich besonders in den Häfen und an den Küsten, wie immer die Wege des Handels und der Schifffahrt von Ort zu Ort führten. So auf Kypros, wo das Orakel zu Paphos auch über die Schicksale der Schifffahrt befragt wurde772, und in dem Dienste der idaeischen Aphrodite von Troas, welche sowohl den Paris als den Aeneas auf ihren Fahrten über See behütete. Auch wird die hin und wieder, vorzüglich in der Bucht von Salonichi, ferner auf Zante, auf Leukas, auf dem Vorgebirge Action, an der Küste gegenüber Corfu, endlich in Sicilien neben der erycinischen Venus verehrte Aphrodite Αἰνειὰς oder des Aeneas, welche die Sage von diesem Heroen auf denselben Wegen verbreitete und zuletzt bis an die latinische Küste getragen hat773, gleichfalls am besten als Pelagia d. h. als die Göttin des Seeverkehres aufgefaßt werden, wie wir derselben bereits in Knidos774, in Ancona, in Dyrrhachium und in andern Häfen begegnet sind. Und zwar ist die Wirkung der Aphrodite auch in diesem Naturgebiete gewöhnlich eine besänftigende, Winde und Wogen beschwichtigende775, wie die der Ino Leukothea, ihrer nahen Verwandten. Daher sie als eine Göttin des heitern Meeres (γαληναίη) und der glücklichen Fahrt und des sichernden Hafens unter entsprechenden Beinamen verehrt wurde, oft neben Poseidon776 und zwar neben dem stürmischen als die besänftigende Gewalt des Meeres. Sehr bezeichnend ist in dieser Hinsicht eine Feier des Poseidon und der Aphrodite λιμνησία und γαληναία auf Aegina, wo erst dem Poseidon zu Ehren geopfert und geschmaust wurde, aber mit Erinnerung an die auf dem Meere Gebliebenen, zuletzt eine Feier der Aphrodite mit ausgelassener Fröhlichkeit nachfolgte777. Eben deshalb pflegten die Künstler die schönste Geburt des feuchten Abgrundes am liebsten mit jenen grotesken Gestalten und Dämonen des Meeres zusammenzustellen, an denen die griechische Mythologie so reich ist, um in diesem Contraste die Macht der Liebesgöttin auch über die unbändige und wechselvolle Natur des Meeres recht ausdrücklich hervorzuheben, in der Begleitung von Nereiden und Eroten von Tritonen und andern Ungeheuern über das Meer getragen778. Auch die Fischer verehrten diese meergeborne und meerbeherrschende Aphrodite