Griechische Mythologie. Ludwig Preller
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Weit anregender für die Phantasie und der gewöhnlichen Vorstellung zugänglicher mußte sich drittens die Aphrodite des Erdelebens bewähren, sowohl für die Symbolik des Cultus als für die Sagendichtung. Es ist die Göttin der Gärten, der Blumen, der Lusthaine, die reizende Göttin des Frühlings und der Frühlingslust, die Göttin des sinnlichen Reizes und der Liebe, kurz die Venus an welche Jeder bei diesem Namen zunächst denkt. Ihr besonders war der Frühling geweiht, in Italien der Monat April, sammt allen Blumen und Blüthen welche der Frühling bringt, vorzüglich die schönen und zarten Blumen und Gewächse, wie Myrten und Rosen, sammt anderen Pflanzungen die man in Gärten und feuchten Gründen zu ziehen pflegte. Daher die heiligen Gärten (ἱεροκηπὶς) zu Alt-Paphos, die Urania ἐν κήποις in Athen, eine A. ἐν καλάμοις oder ἐν ἕλει, d. h. im Sumpf, im Röhricht, zu Samos und ihre Verehrung in feuchten Hainen und Gärten gleich der Artemis und den Nymphen781. Anderswo wurde sie im Schmucke der Blumen als ἄνϑεια verehrt782 und immer ist sie mit Blumen bekränzt, die durch sie gedeihen und blühen, vor allen mit Myrten und Rosen, den Blumen der schönsten Jahreszeit. Und immer ist es der feuchte Erdboden und die feuchte Jahreszeit in denen sich Aphrodite am meisten offenbart, wenn der Zephyr wieder zu wehen anfängt, Zeus und Hera ihre Vermählung feiern, diese geziert mit dem Gürtel der Charis den Aphrodite ihr gegeben, wenn der Himmel sich in brünstigen Regenschauern über die Erde ergießt und wie sonst die Dichter diese Bilder ausführen; denn es war von jeher ein Lieblingsthema der Dichter, die Macht der Liebe wie sie sich im Frühlinge offenbart zu schildern. Aphrodite selbst heißt deshalb ζείδωρος, ἠπιόδωρος, εὔκαρπος und δωρῖτις d. h. die Gabenreiche, die Fruchtbare. Und schnell pflanzt sich der neue Trieb des Jahres auf die anderen Geschöpfe fort und vor allen empfindet ihn die Göttin selbst und erfreut sich ihrer Geliebten, des Adonis auf Kypros, des Hephaestos auf Lemnos, des Ares zu Theben, des Anchises in dem idaeischen Waldgebirge, wie davon der Homerische Hymnus singt. Im Frühlinge schreitet sie durch die Waldung zum geliebten Manne und wo sie sich blicken läßt folgen ihr schmeichelnd die Thiere des Gebirges und huldigen dem süßen Triebe (H. in Ven. 69 ff.). Daher auch die Hauptfeste der Venus, welche in den Frühling fielen783, ganz in diesem Sinne gefeiert wurden, größtentheils bei nächtlicher Weile in Gärten und blühenden Lauben, unter Reigen und Tänzen und in ungezügelter Hingebung an Lust und Liebe, zumal auf Cypern, der sehr fruchtbaren, an allen Blumen und Blüthen überschwenglich reichen und in ihren Wohlgerüchen duftenden Insel, wo die Myrte, die Rose, die Anemone, die Granate, die Tamariske der Sage nach durch sie entstanden waren784. Es war die Feier ihrer Geburt aus dem liebeathmenden Meere, nach welcher sie das auserwählte Eiland zuerst betreten, am Strande zu Paphos, wo sich dann alles Volk der Insel, Männer und Frauen versammelten um die Reizende zu empfangen und im Jubel des Festes hinaufzugeleiten nach jenen heiligen Gärten von Alt-Paphos, ihrem Lieblingssitze785. Natürlich waren vorzüglich die Frauen betheiligt, welche das Bild der Göttin dann badeten und schmückten wie einst die Göttin bei ihrer Geburt gebadet und geschmückt worden war, und darauf selbst unter Myrtengebüschen oder im Flusse badeten um sich zu dem Genusse der Liebe vorzubereiten786.
Aber in allen Religionen wo das Erdeleben gefeiert wird entspricht der Ausgelassenheit der Frühlingslust ein eben so ausgelassener Schmerz in der Jahreszeit welche die Blüthen und Früchte bricht und die Felder ihres Schmuckes beraubt, und so finden wir denn auch in dem Culte der Aphrodite sehr wehmüthige Bilder dieses Schmerzes, besonders in der Mythe und der Feier des schönen Adonis, die sich fast überall mit der der Aphrodite verbunden findet. In Syrien war Byblos und dessen Umgegend am Libanon ein alter Mittelpunkt dieser Adonisfeier, auf Kypros Amathus (Paus. 9, 41, 2); aber auch über Kleinasien und Griechenland war sie verbreitet, namentlich treffen wir sie in Athen, wohin sie vermuthlich in der Zeit des Kimon und Perikles bei dem damals sehr lebhaften Verkehre mit Kypros gekommen war. Im Wesentlichen überall dieselbe Fabel und dieselben Gebräuche. Ein schöner Jüngling, nach kyprischer Legende ein Sohn des Kinyras und seiner Tochter Myrrha oder Smyrna787, wächst in der Pflege der Nymphen auf, schön wie ein Liebesgott und die Wonne der Liebesgöttin, die über ihn alles Andre vergißt. Mit ihm hütete sie die Heerden auf den fruchtbaren Triften der Insel, mit ihm jagte sie in den Wäldern, bis der böse Eber ihn in der besten Blüthe seiner Jahre tödtete. Einige sagten daß Artemis ihn gesendet, nach Andern hatte sich der eifersüchtige Ares in diesen Eber verwandelt788. Da überläßt die Göttin sich der wildesten Verzweiflung und will selbst von dem todten Adonis nicht lassen, aber auch Persephone in der Unterwelt, so groß war der Reiz seiner Schönheit, vermag sich nicht von ihm zu trennen: bis Zeus den Streit der beiden dahin entscheidet daß Adonis die eine Hälfte des Jahres bei der Persephone, die andre bei der Aphrodite verweilen solle, welche letztere aus seinem Blute die Anemonen oder die Rosen entstehen läßt, die Symbole seiner kurzen Lebensdauer und seines blutigen Schicksals, aber auch die seiner Wiederkehr mit der schönen Jahreszeit789. Denn nur im Frühlinge und im Sommer kann Adonis sich des süßen Sonnenlichtes und des schönen Himmels und aller Wonnen des Erdelebens erfreuen; wenn die Erndte und der Herbst kommen, muß er wieder hinab zu den Todten und seiner neuen Emporkunft harren. Dieser Mythe entsprach die Festfeier welche in den heißen Sommer fiel790 und im Morgenlande mit großem Pomp begangen wurde, indem man zuerst das Verschwinden des Adonis sinnbildlich ausdrückte, darauf ihn als Verstorbenen beklagte, durch Ausstellung seines Bildes und mit düstern Klaggesängen und allen Gebräuchen eines Leichenbegängnisses, bis endlich diese Feierlichkeit und die verwandten Feste der Persephone, des Hyakinthos, des Attis mit der jubelnden Freude über seine Wiederkehr aus der Unterwelt und seine Erhöhung endete. Einfacher war sie in Griechenland, z. B. in Athen, obwohl auch hier die Ausstellung des Leichnams und die heftigen Klagen der Frauen nicht fehlten791, auch nicht die sogenannten Adonisgärten (Ἀδώνιδος κῆποι), das sind Scherben mit allerlei zarten Pflanzen, die in wenigen Tagen getrieben wurden, aber auch eben so schnell wieder verwelkten und dann ins Wasser geworfen wurden: Sinnbilder der vergänglichen Blüthe des Jahres und des Lebens, welche Adonis darstellte. Endlich schildert Theokrit in seinem reizenden Gedichte der Adoniazusen die prachtvolle Ausstellung des Adonisbildes am königlichen Hofe in Alexandrien, wie er mit allen Mitteln der Kunst geschmückt auf silberner Bahre da lag, umgeben von den Blüthen und Früchten des Jahres, kostbaren Salben, Gewinden Teppichen u. s. w., um am andern Morgen von den Frauen ans Meer getragen und dort den Wogen übergeben zu werden. Ueberall derselbe tiefe Schmerz über die verlorne Schöne, dieselbe Angst vor dem mit dem Tode gleichbedeutenden Absterben der Natur, mit den heftigsten Aeußerungen einer Verzweifelung die nur durch den Hoffnungsstrahl des Frühlings und der Wiederkehr des Adonis gemildert wurde. Sein Name bedeutete in den semitischen Sprachen zunächst blos Herr, daher neben diesem allgemeineren verschiedene andre vorkommen, in Palaestina Tammuz, auf Cypern Κύρις oder Κίρρις792. Ueberdies war mit seinem Namen und mit seiner Feier wie bei allen gleichartigen Gestalten eine Tradition alter musikalischer Weisen und Lieder traurigen Inhalts verbunden, die zur Harfe oder zur Flöte gesungen wurden, daher der Name Kinyras (von κινύρα, phoenikisch kinnor, einer Harfe, daher κινύρεσϑαι) für den ersten Priester der paphischen Aphrodite und der Name Gingras für den Adonis selbst, von einer klagenden Flötenmusik welche bei den Phoeniciern diesen Namen führte und auch in Karien herkömmlich war793, bei den Syrern aber abub