Die Vampirschwestern 12 - Ruhig Blut, Frau Ete Petete. Franziska Gehm
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„Stimmt etwas nicht?“ Frau Meister blickte ernst auf ihre Unterlagen. „Alle Dokumente zeugen von meiner tadellosen Arbeit. Ich bin seit nunmehr zwanzig Jahren als Kindermädchen tätig. Ich habe Zusatzausbildungen als Familientherapeutin, als Stillberaterin, als Kinder-Yoga-Lehrerin, als Konzentrationstrainerin und habe mich auf dem Gebiet der alternativen Vorschulpädagogik weitergebildet.“ Frau Meister holte einen dritten, grünen Ordner hervor. „Hier finden Sie alle Zertifikate, alphabetisch nach Kursbezeichnung geordnet.“
„Oh … äh, interessant.“ Elvira Tepes warf einen Blick auf den Ordner.
„Sie können ruhig blättern und ich beantworte gerne Fragen zu den einzelnen Weiterbildungen. Lebenslanges Lernen ist für mich nicht nur eine Floskel“, sagte Frau Meister.
Da Franz in der Villa Milchzahn sozusagen Lokalverbot hatte – was, so fand Herr Tepes, bei dem Namen der Kinderkrippe kein Wunder war –, mussten sich die Eltern nach einem Babysitter oder einer Nanny umsehen. Und zwar schnell, oder rapedadi, wie man auf Vampwanisch sagt. So kam es, dass sie an diesem Tag gleich drei Babysitter zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatten.
Frau Meister wollte gerade einen vierten Ordner aus ihrer Tasche hervorholen, als Elvira lächelnd mit den Händen abwehrte. „Ich denke, wir haben schon allerhand von Ihnen erfahren und einen recht guten Eindruck. Haben Sie denn Fragen zu Franz?“
Franz hatte jetzt einen Arm in Mihais Hosenbein gesteckt und spielte kleiner Blutegel, was bedeutete, dass er seinen Papa in die Waden kniff. Mihai zuckte und hüpfte auf dem Stuhl hin und her.
Frau Meister beobachtete Mihai einen Moment, ohne die Miene zu verziehen. Dann wandte sie sich an Elvira: „Wissen Sie, Kinder sind Kinder. Ob sie nun Franz heißen oder Chantal. Ich habe genug Erfahrung und meine bewährten Methoden, jedes Kind in den Griff zu bekommen. Entscheidend ist das pädagogische Konzept, nach dem ich streng vorgehen werde.“
„Ach. Und ich dachte immer, entscheidend sei das Kind.“ Elvira lächelte, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen.
„Wenn Sie keine Fragen zu meinen zahlreichen Weiterbildungen haben, würde ich jetzt gerne über die Arbeitszeiten, die Beiträge zur Steuer und Sozialversicherung und mein Gehalt reden.“
Frau Meister holte eine rote Mappe hervor, in der ein paar Vordrucke zum Ausfüllen lagen.
Franz fand es mittlerweile nicht mehr so spannend im Hosenbein seines Vaters. Er war auf seiner Expedition unter dem Tisch weitergekrochen und bei der Tasche von Frau Meister angelangt, die diese neben ihren Stuhl gestellt hatte.
Frau Meister war so sehr damit beschäftigt, Herrn und Frau Tepes die Formulare zu erklären, dass sie gar nicht mitbekam, wie es zu ihren Füßen erst klongte, dann raschelte und schließlich plätscherte.
„Boah, was riecht denn hier so übel?“, rief Daka von der Couch. Silvania verzog die Nase.
Auch Mihai bebten die Nasenflügel. „Dieser Gestank! Das kommt von Ihnen!“
„Wie bitte?“ Frau Meister sah Herrn Tepes entrüstet an. In dem Moment machte es „Ratsch“ zu ihren Füßen. Frau Meister blickte nach unten, wurde bleich, sprang auf und schrie: „Was hast du getan? Meine Zeugnisse! Mein Lebenslauf!“
Franz saß in einer dampfenden Pfütze. In der Pfütze schwammen ein Brillenetui, Papierschnipsel, Stifte und Taschentücher. Franz hatte ein Blatt Papier im Mund, kaute darauf herum und blinzelte Frau Meister unschuldig an.
Frau Meister riss Franz das Blatt aus dem Mund. „Das war mein Schulabschlusszeugnis!“
„Muss ein köstliches Zeugnis sein“, sagte Daka.
„Oh Gott, Franz, ist etwa deine Windel ausgelaufen?“ Frau Tepes war aufgestanden und nahm Franz auf den Arm.
„Nein. Mein Tee.“ Frau Meister hob eine tropfende Thermoskanne hoch. Jemand hatte versucht, den Verschluss aufzudrehen.
„Tee? Das riecht aber wie Piss–“, Herr Tepes räusperte sich, „wie Pistazieneis.“
Frau Meister sah ihn finster an. „Tee mit Knoblauch und Ingwer. Kurbelt den Stoffwechsel an.“
„Bei mir kurbelt der was ganz anderes an.“ Daka machte Würggeräusche.
Frau Meister schnappte erst nach Luft, dann schnappte sie sich ihre Tasche und stopfte alle Ordner hinein. „So etwas habe ich in meinem ganzen harten Berufsleben noch nicht erlebt.“
„So ist das mit dem lebenslangen Lernen“, sagte Frau Tepes.
„Vergessen Sie Ihre Formulare nicht“, sagte Mihai.
„Und Ihren Tee!“, rief Daka.
Frau Meister verließ mit tropfender Thermoskanne das Haus, ohne Franz oder auch nur ein anderes Mitglied der Familie Tepes eines Blickes zu würdigen. Diese Familie hatte ihre ausgezeichnete pädagogische Kompetenz ganz klar nicht verdient.
Tri Tra Trallala
Seid ihr alle da? Dann ruft mal laut HURRAAA!“
Silvania, Daka, Franz und Herr und Frau Tepes starrten die Kasperle-Handpuppe an, die den Kopf zur Tür hereinsteckte.
„Ich bin der Kasperl und wer bist du? Komm, lach wie ein Kakadu!“ Der Kasperl kicherte.
Silvania und Daka sahen sich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Mihai Tepes nahm seinen Sohn zur Sicherheit auf den Arm.
„Äh, Herr Langholm?“, fragte Frau Tepes.
Kasperl stieß die Tür auf und ein Mann mit langen grauen Locken und Nickelbrille hüpfte wie ein Rumpelstilzchen in die Wohnung. Er grinste, nickte Familie Tepes zu, hüpfte weiter ins Wohnzimmer und hockte sich dann hinter das Sofa. Kasperl tauchte auf der Sofalehne auf.
„Tri, tra, trallala, der Kasperl, der ist wieder da!“, sang Herr Langholm mit hoher Stimme.
Franz kletterte aufs Sofa und zog den Kasperl an der Nase.
„Welch kleiner Schlingel macht so ein Dingel, zieht an meinem Näschen, war es das Osterhäschen?“ Der Kasperl kicherte abermals.
Franz schnappte sich ein Kissen und feuerte es auf den Kasperl. Kasperl und Herr Langholm kippten hinter dem Sofa um.
„Mit Kissenschlacht, da geht es los, das macht Spaß, ist famos!“, keuchte Herr Langholm, nachdem er sich wieder aufgerichtet und seine Brille gerade gerückt hatte. „Kleiner Franz, magst du einen Tanz? Oder eine Geschichte von der lustigen Nichte?“
Franz stützte sich auf die Sofalehne und schnappte nach dem Kasperl. Er biss ihn ins Ohr, in die Hand und beinahe erwischte er das Handgelenk von Herrn Langholm.
Mihai Tepes schnappte sich seinen Sohn, bevor er den Babysitter in einen Vampir verwandeln konnte. „Nicht den Kasperl beißen. Aus dem kannst du höchstens Holzwürmer raussaugen.“
Kurz tauchte der wirre graue Kopf von Herrn Langholm hinter der Sofalehne auf. Der Babysitter sah Mihai stirnrunzelnd an.
„Herr Langholm, wollen Sie nicht mal hinter dem Sofa hervorkommen, damit wir uns unterhalten können?“, fragte Frau Tepes. Auf seiner Homepage bezeichnete