Die Vampirschwestern 12 - Ruhig Blut, Frau Ete Petete. Franziska Gehm
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Doch Herr Langholm kam weder hinter dem Sofa hervor, noch hörte er auf, mit Kasperlstimme in Reimen zu reden. Daka setzte sich die Kopfhörer auf und Silvania versteckte sich hinter einem Wörterbuch (sie hatte es blindlings aus dem Regal gezogen), nachdem der Kasperl sie zum Mitsingen von „Alle meine Entchen“ aufgefordert hatte.
Mihai Tepes, der auch sehr gerne sang, begann mit tiefer Stimme sein geliebtes Heimatlied „Transsilvania, rodna inima moi“ zu singen. Das verstörte den Kasperl, beziehungsweise Herrn Langholm, nur kurz. Dann freute er sich über das neue Liedgut und sang fröhlich mit.
Das wiederum verstörte Herrn Tepes länger. Das stolze und uralte Lied über seine wunderschöne transsilvanische Heimat – gesungen von einem Kasperl! Als Mihai Tepes vor Unbehagen knurrte und die Eckzähne entblößte, sprang Herr Langholm hinter dem Sofa hervor und rief: „Au ja! Lasst uns Vampire spielen!“
Bevor dieser verwegene Plan in die Tat umgesetzt werden konnte und Mihai, Franz, Daka und Silvania Herrn Langholm zeigten, was ein echter Vampir war, geleitete Frau Tepes den Babysitter zur Haustür und wünschte ihm und seinem Kasperl alles Gute beim frühlingsfröhlichen Hüpfen mit den Kindern der Sonne.
„Aller guten Dinge sind drei.“ Frau Tepes atmete tief durch und gönnte sich erst einmal einen starken Kaffee (und ihrem Mann einen Kaffee mit einem Schuss Blut), bevor der nächste und letzte Babysitter klingelte.
„Hi“, sagte eine etwa Zwanzigjährige und sah nur kurz von ihrem Handy auf.
„Bist du Jasmin?“, begrüßte sie Frau Tepes.
„Jo. Aber nennt mich keiner. Jazz.“
„Hip Hop?“ Herr Tepes sah erst seine Frau und dann Jasmin achselzuckend an.
„Jazz“, wiederholte das Mädchen langsam, als leide Herr Tepes unter Schwerhörigkeit.
„Komm rein“, sagte Frau Tepes. „Franz und die Mädchen freuen sich schon darauf, dich kennenzulernen, und du bist sicher auch gespannt.“
„Geht so.“ Jazz ließ ihre Umhängetasche in den Flur plumsen und schlurfte ins Wohnzimmer, setzte sich aufs Sofa und wischte über ihr Smartphone, was mit ihren langen neonroten Fingernägeln eine echte Kunst war. Als Frau Tepes ihre Kinder vorstellte, blickte sie jeweils kurz auf.
„Und jetzt erzähl von dir.“ Frau Tepes nickte Jazz aufmunternd zu.
„Lebenslauf? Hab ich doch alles schon gemailt.“
„Und was ist mit Hobbys?“, fragte Frau Tepes.
„Hab ich.“
„Und Erfahrungen mit Vamp–, ähm, mit Kindern?“, fragte Herr Tepes.
„Zwei kleine Brüder, eine kleine Schwester, eine Halbschwester und eine Stiefschwester. Ach so, und ein Meerschweinchen“, murmelte Jazz, ohne von ihrem Smartphone aufzusehen. Dieses gab ein klirrendes Geräusch von sich, Jazz wischte zweimal und schien etwas zu lesen. „Also, nächsten Freitag kann ich schon mal nicht. Da is’ Party bei Hotte.“
Franz war auf das Sofa geklettert und sah gespannt zu, wie Jazz über das Smartphone wischte. Er wartete einen passenden Moment ab, dann stürzte er sich auf das Handy und biss hinein, als wäre es eine Blutwurststulle.
„Ey! Bist du Banane, oder was, du Knirps?“ Jazz hatte Franz das Smartphone aus dem Mund gerissen, war aufgesprungen und wischte das vollgesabberte Display am Sofa ab.
„Sei froh, dass er nur ins Smartphone gebissen hat“, sagte Silvania.
„Hä?“, machte Jazz.
Bevor Jazz herausfinden konnte, was Franz noch so alles gerne biss, bugsierte Herr Tepes sie aus dem Haus. „Datiboi für deinen Besuch, Hip Hop.“
„Jazz.“
„Tango!“, rief Herr Tepes und knallte die Tür zu.
Die beste Babysitterin der Welt
Das war wohl nichts“, fasste Silvania die Vorstellungsrunde der drei Babysitter zusammen.
„Aber Mihai und ich müssen arbeiten, ihr müsst in die Schule. Wer soll denn jetzt auf Franz aufpassen?“ Frau Tepes fuhr sich durch die Haare.
„Hat man dazu nicht Omis und Opis?“, fragte Silvania.
„Oma Rose arbeitet noch, wisst ihr doch. Und Opa Gustav bekommt einen Herzinfarkt, wenn Franz vom Wickeltisch abhebt und mit nacktem Popo eine kleine Flugrunde über seinem Kopf dreht.“ Opa Gustav hatte nicht nur ein schwaches Herz, sondern auch keine Ahnung, dass seine Tochter einen Vampir geheiratet hatte und seine Enkel Halbvampire waren.
„Was ist mit Oma Zezci?“, fragte Daka.
Alle starrten sie an, als hätte sie statt eines Gehirns eine Knoblauchknolle im Kopf.
Mihais Mutter, Oma Zezci, genoss seit dem Tod ihres Mannes Gobol das Leben, flog fröhlich durch die Welt und landete, wo es ihr gerade gefiel. Sie liebte das Reisen, Pokerspiel und Himbeergeist und tat endlich alles, wovon sie ihr Mann und ihre Kinder so einige Hundert Jahre lang abgehalten hatten. Babysitten zählte nicht dazu. Ganz sicher.
„Mein Sohn braucht keine Babysitterin mit fünfzig Zeugnissen, Kasperlliedern oder Smartphone“, sagte Mihai. „Mein Sohn braucht die beste Babysitterin der Welt.“
„Und wer soll das sein? Dirk van Kombast?“, fragte Daka.
„Gumox! Die beste Babysitterin der Welt ist eine Frau mit jahrhundertelanger Erfahrung, eine Frau, unter deren liebevoller Obhut schon ich prächtig gedieh. Ihr seht ja, was für ein aufgewecktes Kerlchen ich geworden bin.“
„Vor allem nachts“, fügte Silvania hinzu.
„Redest du von deiner alten Babysitterin?“ Frau Tepes sah ihren Mann entgeistert an.
„Jawohl, moi Miloba. Ich meine keine geringere als meine Tagesmutter, vielmehr Nachtmutter, die unbeschreibliche, unvergleichliche, unübertreffbare Frau Ete Petete!“ Mihai streckte die Brust heraus.
„Was für ’ne alte Tapete?“ Daka runzelte die Stirn.
Herr Tepes räusperte sich. „Frau Ete Petete hat schon Generationen von kleinen Vampiren gebändigt und auf die richtige Flugbahn gebracht. Sie genießt einen tadellosen Ruf, ihre Manieren sind exzellent, und sie hat die seltene Gabe, streng und liebevoll zugleich zu sein. Ich selbst hatte als Dreikäsekopfüber das Vergnügen. Soweit ich mich erinnern kann, liebte ich meine Nachtmutter innig. Leider hat sie uns von einem Tag auf den anderen verlassen. Ich weiß nicht mehr, warum. Wenn ihr einverstanden seid, werde ich sie sofort kontaktieren.“
Daka und Silvania zuckten mit den Schultern. Elvira nickte. Franz biss ein Stück Sofa ab.
Flugpost
Frau Ete Petete hatte gerade kopfüber an der mit Samt umschlagenen Metallleine gehangen und ein Mitternachtsschläfchen gemacht, als die Fledermauspost eintraf. Sie hatte den Brief aus Deutschland seitdem dreimal durchgelesen, mit feuchten Augen und zitternden Händen.
Wie