Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter Dönges
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Читать онлайн книгу Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman - Günter Dönges страница 247
Vor einer Tür blieb er stehen. Eine Visitenkarte mit dem Namen Lester Nellen war angeheftet.
Parker klopfte und hörte kurz darauf so etwas wie das heisere Bellen eines erkälteten Seehundes. Der Butler trat ein und lüftete gleichzeitig höflich seine schwarze Melone.
Am Fenster stand ein magerer, mittelgroßer Mann, dessen Haar eisgrau und kurz geschoren war. Er goß sich gerade eine Tasse Kaffee ein und wandte der Tür den Rücken zu.
»Mr. Lester Nellen?« erkundigte sich Parker.
Der Mann am Fenster drehte sich langsam und ohne Hast um. Er mochte fünfundfünfzig Jahre alt sein. Sein Gesicht zeigte tiefe Falten, war aber sonnengebräunt. Kühle graue Augen sahen den Butler an.
»Was wollen Sie?« fragte Nellen. »Wer sind Sie? Hab’ Sie hier noch nie gesehen.«
»Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, antwortete der Butler. »Darf ich Sie um eine kurze Unterredung bitten?«
»Wenn Sie mir was verkaufen wollen, sind Sie auf dem falschen Dampfer«, meinte Nellen und lächelte. Dabei zeigte er ein noch tadellos erhaltenes Gebiß. »Aber wie’n Vertreter sehen Sie eigentlich nicht aus.«
»Ich bin Privatdetektiv aus Leidenschaft«, erklärte der Butler. »Und ich komme im Zusammenhang mit einem Fall, in den Mr. Art Stonewell verwickelt ist.«
»Stonewell?« Die Stimme klang noch heiserer. Sie ließ nicht erkennen, ob er Art Stonewell schätzte oder nicht.
»Stonewell«, wiederholte Parker freundlich. »Sie stehen oder standen einmal mit ihm in näherer Verbindung?«
»Sagen Sid deutlich, was Sie wollen! Hat Stonewell Sie gekauft?«
»Ich möchte betonen, daß ich nicht zu kaufen bin«, erklärte der Butler höflich, aber sehr nachdrücklich. »Ich glaube nur, daß ein Geheimnis um Mr. Stonewell existiert.«
»Geheimnis? Das ist gut!« Lester Nellen lachte bellend. »Was dieser Gangster tut, weiß doch alle Welt!«
»Gangster?«
»Ich könnte mich noch deutlicher ausdrücken, aber ich will nicht beleidigend wirken!« Nellen lachte erneut, kam mit der gefüllten Kaffeetasse zum Tisch und setzte sich auf einen Stuhl. »Wenn Sie mich fragen, dann ist mein früherer Kompagnon der größte Gangster der ganzen Filmindustrie!«
»Sie waren sein Kompagnon?« Während Parker fragte, sah er sich betont in der ärmlichen Umgebung des Zimmers um.
»Das hier ist mir geblieben, nachdem ich zusammen mit ihm die ›Star-Pictures‹ aufgebaut habe«, erklärte Lester Nellen ohne jede Bitterkeit in der Stimme. »Ich war ein Trottel, ein Rindvieh, ein Idiot, ganz wie Sie wollen. Aber er schaffte es, mich auszubooten. Ganz elegant, ganz legal, nur mit einigen Kniffen!«
»Sie können verstehen, daß ich Ihre Worte kaum einzuordnen vermag«, sagte der Butler höflich. »Können Sie mir unter Umständen mit Details dienen?«
»Vor fünf Jahren machte er mich fertig«, redete Lester Nellen heiser weiter. »Ich überfuhr einen Stuntman auf dem Filmgelände. Ich hatte getrunken, die Polizei griff mich prompt auf, und es kam zu einer handfesten Anklage. Alles sprach gegen mich, verstehen Sie? Ich wurde für schuldig befunden und verurteilt. Die Frau des Stuntman zog eine Privatklage auf. Ich wurde verurteilt, ihr eine Million Schadenersatz zu zahlen. Sie kam damit durch. Ich zahlte also, wanderte ins Gefängnis und war pleite, als ich zurückkam.«
»Das war wann, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?«
»Vor knapp einem halben Jahr. Und in dieser Zeit hat Stonewell es geschafft, mich aus der Firma herauszudrücken. Fragen Sie mich nicht nach Einzelheiten. Sie sind bitter genug!«
»Ich möchte Ihnen auf keinen Fall lästigfallen«, entgegnete der Butler in seiner höflichen und gemessenen Art, »aber reichte die Verurteilung wirklich-aus, Sie finanziell zu ruinieren?«
»Ich wurde während der Gefängnisstrafe aus dem Aufsichtsrat herausgedrückt. Um es noch deutlicher auszudrücken, ich flog!«
»Besaßen Sie nicht so etwas wie einen Firmenanteil?«
»Stimmt, ein Drittel war in meinen Händen. Aber dieses Drittel verkaufte meine Frau. Von der ich inzwischen geschieden bin. Noch einmal, verlangen Sie keine Einzelheiten! Sie sehen doch, daß ich pleite bin.«
»Ich könnte mir vorstellen, daß Sie Mr. Stonewell nach all diesen Dingen nicht sonderlich schätzen!«
»Schätzen?« Lester Nellen lachte heiser auf. »Ich hasse Stonewell, wenn Sie’s genau wissen wollen. Ich sinne Tag und Nacht darüber nach, wie ich ihm ein Bein stellen kann. Aber bisher ist mir nichts eingefallen. Was soll ich ohne einen Dollar gegen ihn ausrichten? Oder haben Sie zufällig eine Idee?«
»Sie klingt banal genug«, antwortete Parker lächelnd. »Haß zahlt sich niemals aus, aber das wollen Sie vermutlich nicht von mir hören.«
»Erraten, Mr. Parker...!« Nellen schüttelte abweisend den Kopf. »Für mich zahlt der Haß sich aus, verlassen Sie sich darauf! Und eines Tages bin ich soweit, dann wird er noch vor mir kriechen...!«
»Lieben Sie zufällig Spinnen?« erkundigte sich der Butler. Gleichzeitig stand er auf und ging auf ein schmales Bücherbord zu, das an der Wand neben dem Fenster befestigt war. Auf dem schmalen Bord stapelte sich Krimskrams aller Art. Ein neues Buch aber fiel direkt auf. Es paßte einfach nicht in diese Umgebung.
»Lassen Sie die Finger weg...!« hörte Parker plötzlich. Ohne sich um dieses heisere Schnarren zu kümmern, griff der Butler nach dem Band und nahm ihn in die Hand.
Nellen tauchte neben ihm auf.
Sein Gesicht war haßverzerrt.
»Los, geben Sie das Buch her!« stieß er gereizt hervor.
»Aber selbstverständlich«, antwortete Parker. »Sie sollen sich über mich nicht zu beklagen haben.«
Er reichte das Buch so zurück, daß er sich den Titelumschlag genau ansehen konnte. Und es wunderte ihn kaum noch, unter der Abbildung einer behaarten Vogelspinne den Titel zu lesen: »Giftspinnen, eine Studie über Verhalten und Wirkung.«
*
Nach dieser aufschlußreichen Begegnung, die der Butler natürlich keineswegs überbewertete, ging er gemessen zu seinem Leihwagen zurück. In der großen Halle saßen noch immer die gelangweilten alten Männer und schlugen sich mit der Zeit herum. Sie sahen kaum hoch, als Parker dem Ausgang zustrebte.
Der Wagen stand unversehrt am Straßenrand.
Parker schloß die Tür auf und stieg ein. An besondere Zwischenfälle dachte er keineswegs. Und seit seinem Kontakt mit den beiden Gangstern hatte es bisher keinen Ärger gegeben.
Er betätigte den Anlasser und wollte gerade losfahren, als er jedoch plötzlich eine haarsträubende Entdeckung machte. Und diese Entdeckung verdankte er eigentlich seiner angeborenen Ordnungsliebe.