Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон Gesammelte Werke bei Null Papier

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Ge­stalt ih­rer Mut­ter. Äu­ßer­lich glich sie ih­rer Mut­ter. Ihre Ge­schick­lich­keit, die Schnel­lig­keit, mit der sie ihre Ar­beit ver­rich­te­te, und über die die an­de­ren so er­staunt wa­ren, hat­te sie von ih­rer Mut­ter. Gera­de so hat­te ihre Mut­ter ihre Mit­welt in Er­stau­nen ge­setzt – ihre Mut­ter, das klei­ne pup­pen­haf­te Ge­schöpf, die Kleins­te und Jüngs­te von der großen Schar der Pio­nie­re, de­nen sie gleich­wohl wie eine Mut­ter ge­we­sen war. Im­mer war es ihre Klug­heit, zu der sie ihre Zuf­lucht nah­men, selbst die Brü­der und Schwes­tern, die ein Dut­zend Jah­re äl­ter wa­ren als sie. Dai­sy war es, die, mit ih­rem klei­nen Fuß auf­stamp­fend, den Be­fehl ge­ge­ben hat­te, von den fla­chen Fie­ber­län­dern Co­lu­sas auf­zu­bre­chen und in die heil­brin­gen­den Ber­ge Ven­tu­ras zu zie­hen; die ih­ren Va­ter, den al­ten wil­den In­dia­ner­be­zwin­ger, an die Wand ge­drängt und den Kampf mit der gan­zen Fa­mi­lie auf­ge­nom­men hat­te, da­mit Vila einen Mann hei­ra­ten durf­te, den sie selbst ge­wählt hat­te; die wie­der der Fa­mi­lie und der gan­zen öf­fent­li­chen Moral ge­trotzt hat­te, als sie ver­lang­te, dass Lau­ra sich von ih­rem ver­bre­che­risch schwa­chen Man­ne schei­den las­sen soll­te, und die an­de­rer­seits je­des Mal die Fa­mi­lie zu­sam­men­ge­hal­ten hat­te, wenn Miss­ver­ständ­nis­se und mensch­li­che Schwä­che ge­droht hat­ten, sie zu spren­gen.

      Frie­dens­stif­ter und Krie­ger! All die al­ten Ge­schich­ten zo­gen an Sa­x­ons Au­gen vor­bei. Klar in al­len Ein­zel­hei­ten, denn sie hat­te sie so oft be­schwo­ren, ob­wohl es Din­ge wa­ren, die sie nicht ge­se­hen hat­te. Die Ein­zel­hei­ten wa­ren des­halb auch teil­wei­se Kin­der ih­rer ei­ge­nen Ein­bil­dungs­kraft, denn sie hat­te nie einen Zug Och­sen, einen wil­den In­dia­ner oder ein Prä­rie­schiff ge­se­hen. Und doch sah sie wie eine Wirk­lich­keit aus Fleisch und Blut eine lan­ge Ka­ra­wa­ne der land­gie­ri­gen An­gel­sach­sen von Os­ten nach Wes­ten quer über den Kon­ti­nent zie­hen, ein­gehüllt in eine son­nen­blin­ken­de Wol­ke vom Staub von zehn­tau­send Hu­fen. Es war Fleisch von ih­rem Fleisch und Blut von ih­rem Blut. Sie hat­te die­se Sa­gen und wirk­li­chen Er­eig­nis­se mit der Mut­ter­milch ein­ge­so­gen, sie von de­ren Lip­pen ge­hört, die selbst al­les mit­ge­macht hat­te. Deut­lich sah sie vor sich den lan­gen Wa­gen­zug, die ma­ge­ren, ab­ge­här­te­ten Män­ner, die vor­an­schrit­ten, wäh­rend die Jun­gen mit Sta­chel­stö­cken die brül­len­den Och­sen an­trie­ben. Und durch die­ses Fan­ta­sie­ges­pinst flog wie eine Spin­del, die mit Gold­fa­den das Bild ei­ner Per­sön­lich­keit web­te, die Ge­stalt ih­rer un­über­wind­li­chen klei­nen Mut­ter, acht Jah­re alt und neun, ehe die große Wan­de­rung zu Ende war, eine Geis­ter­mah­ne­rin und Ge­setz­ge­be­rin, die ihre ei­ge­nen Wege ge­hen woll­te – und so­wohl der Wil­le wie der Weg wa­ren stets gut und rich­tig.

      Am al­ler­le­ben­digs­ten aber sah Sa­xon den Kampf bei Litt­le Mea­dow und Dai­sy, wie zum Fest ge­klei­det, in Weiß, mit ei­ner sei­de­nen Schär­pe um den Leib, einen Schmuck­kamm und Sei­den­band im Haar und in bei­den Hän­den einen klei­nen Was­serei­mer – in den Son­nen­schein auf das blu­men­über­sä­te Gras her­austre­ten aus dem Wa­gen­kreis, wo die Ver­wun­de­ten in Fie­ber­fan­tasi­en schri­en und vom rin­nen­den Quell fa­bel­ten, und sie sah sie im Son­nen­schein, un­an­ge­foch­ten von den In­dia­nern, die das Er­stau­nen hin­der­te, ihre Waf­fen zu ge­brau­chen, bis zu dem hun­dert Schritt ent­fern­ten Was­ser­loch und wie­der zu­rück ge­hen.

      Sa­xon drück­te einen lei­den­schaft­li­chen Kuss auf den klei­nen ro­ten spa­ni­schen Gür­tel; dann roll­te sie ihn schnell zu­sam­men und nahm mit feuch­ten Au­gen Ab­schied von ih­rem mys­ti­schen Mut­ter­kult und all dem Rät­sel­haf­ten und Wun­der­ba­ren, das Le­ben hieß.

      Als sie im Bett lag, be­schwor sie un­ter den ge­schlos­se­nen Li­dern die we­ni­gen rei­chen Erin­ne­run­gen an die Mut­ter, die ihre Kind­heit barg. Dies war ihre liebs­te Metho­de, den Schlaf zu ru­fen. So hat­te sie es ihr gan­zes Le­ben lang ge­macht – war in das To­des­dun­kel des Schla­fes mit dem letz­ten ster­ben­den, von der Erin­ne­rung an ihre Mut­ter ge­färb­ten Be­wusst­sein ge­sun­ken. Aber die­se Mut­ter war we­der die Dai­sy von der großen Prä­rie, noch die von der Da­guer­reo­ty­pie. Die war aus der Zeit, ehe Sa­xon leb­te. Die Dai­sy, die sie nachts sah, war eine äl­te­re, von Schlaf­lo­sig­keit ge­plag­te Mut­ter, mu­tig wie je­mand, der die Sor­ge ge­kannt hat, ein blas­ses, ge­brech­li­ches Ge­schöpf, sanft und ge­dul­dig, das nur leb­te durch sei­ne Wil­lens­kraft, ohne die es längst den Ver­stand ver­lo­ren hät­te; das nicht schla­fen konn­te, so gern es auch woll­te, und dem alle Ärz­te der Welt kei­nen Schlaf ver­schaf­fen konn­ten. Kroch – im­mer im Hau­se her­um­kroch – vom Kran­ken­bett zum Kran­ken­stuhl und wie­der zu­rück, im­mer wie­der, die lan­gen qual­vol­len Tage und Wo­chen, aber stets ohne Kla­ge, wenn auch ihr sieg­haf­tes Lä­cheln von Schmerz ver­zerrt war und die klu­gen grau­en Au­gen, die im­mer noch klug und grau wa­ren, un­ver­hält­nis­mä­ßig groß und bo­den­los tief ge­wor­den wa­ren.

      Aber in die­ser Nacht glück­te es Sa­xon nicht, schnell ein­zu­schla­fen; das Müt­ter­chen kam und ging, und da­zwi­schen präg­te sich Bil­lys Ge­sicht mit den hüb­schen ver­dros­se­nen Au­gen, in de­nen Wol­ken ka­men und gin­gen, in ihre Li­der ein. Und noch ein­mal, als der Schlaf sie in sei­ne sanf­ten Arme nahm, stell­te sie sich die Fra­ge: Ist dies der Mann?

      *

      Die Ar­beit in der Plätt­stu­be ging schnell von­stat­ten, aber die drei Tage bis Mitt­woch abend wa­ren sehr lang. Sa­xon summ­te über dem Zeug, das rasch un­ter dem Ei­sen fort­flog.

      »Ich be­grei­fe nicht, wie du es machst«, sag­te Mary be­wun­dernd. »Wenn du so da­bei bleibst, ver­dienst du die­se Wo­che leicht drei­zehn oder vier­zehn.«

      Sa­xon lach­te, und in dem Dampf ih­res Ei­sen sah sie gol­de­ne Buch­sta­ben tan­zen, die sich zu ei­nem »Mitt­woch« füg­ten.

      »Wie ge­fällt dir Bil­ly?« frag­te Mary.

      »Gut«, lau­te­te die frei­mü­ti­ge Ant­wort.

      »Schön, aber da­bei lass es auch blei­ben.«

      »Das kommt wohl auf mich sel­ber an«, ant­wor­te­te Sa­xon hei­ter.

      »Lass das lie­ber blei­ben«, lau­te­te die war­nen­de Ant­wort. »Du hast nur Kum­mer da­von. Er denkt nicht ans Hei­ra­ten. Das hat schon mehr als ein Mäd­chen er­fah­ren. Sie wer­fen sich ihm ja di­rekt an den Hals.«

      »Ich be­ab­sich­ti­ge mich we­der ihm noch ei­nem an­de­ren Mann an den Hals zu wer­fen.«

      »Ich woll­te es dir nur sa­gen«, schloss Mary. »Du wirst gut tun, es dir zu mer­ken.«

      Sa­xon war ernst ge­wor­den.

      »Er ist wohl nicht – nicht so …«, be­gann sie, sah aber im sel­ben Au­gen­blick die Be­deu­tung der Fra­ge ein, die sie nicht for­men konn­te.

      »Ach nein, gar nicht so – ob­wohl ich ei­gent­lich nicht weiß, was ihn da­von ab­hal­ten soll­te. Er ist durch und durch an­stän­dig. Nur eben kei­ner von de­nen, die vor je­dem Un­ter­rock ka­pi­tu­lie­ren. Er tanzt

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