Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Staffel

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stellte er fest.

      Erstaunt sah sie ihn an. »Woher…?«

      »Ich habe Sie husten gehört. Ein trockener Husten, der kaum von einer Erkältung her rührt.«

      Sie seufzte. »Daran zweifle ich inzwischen auch. Genauso wie ich an der heilenden Wirkung meiner Hustentees und -pastillen zweifle, die in meinem Fall bisher nichts gebracht haben«, fügte sie mit enttäuschter Miene hinzu.

      Er musste lächeln. »Für manche Krankheiten muss man halt schwerere Geschütze auffahren. Das sagte ich bereits.« Dann wurde er wieder ernst. »Aber jetzt wollen wir erst einmal feststellen, was die Ursache Ihres lang anhaltenden Hustens ist. Husten kann zweierlei sein: Im Einzelfall ein wichtiger Schutzmechanismus des Körpers, um Schleim, Staub oder Fremdkörper aus den Atemwegen zu entfernen, oder ein Zeichen für Erkrankungen wie Bronchitis, Asthma, Herz- oder Lungenkrankheiten. Und vieles mehr. Um die möglichen Ursachen einzugrenzen, möchte ich zuerst einmal mit Ihnen den Anamnesebogen ausfüllen, der der Einstieg zu jeder Diagnose ist.«

      *

      Da es sich bei seiner Patientin um einen trockenen Husten handelte, konnte der Landdoktor von vornherein schon einige Erkrankungen ausschließen. Er fragte Claudia, seit wann der Husten bestand, ob er im zeitlichen Zusammenhang mit körperlicher Anstrengung oder nach Kontakt mit Allergien auslösenden Stoffen auftrat, ob es Begleitsymptome wie Fieber oder Atemnot gab, inwieweit Risikofaktoren wie Grunderkrankungen, Rauchen, Schluckstörungen bestanden, und ob sie irgendwelche Herz-Kreislauf-Medikamente oder Kortison einnahm.

      Da Claudia alle diese Fragen verneinte, musste es andere Ursachen geben.

      »Ich möchte Sie als Nächstes untersuchen«, sagte er, griff zur Blutdruckmanschette und legte sie an.

      Claudias Blutdruck war zu hoch, was jedoch an der Aufregung liegen mochte, die viele Patienten beim Arztbesuch spürten.

      »So, und jetzt horche ich Sie ab. Beim Abhören des Brustkorbs kann ich eventuelle Atemnebengeräusche erkennen. So lässt sich zum Beispiel Pseudo-Krupp meist schon anhand dieser Geräusche diagnostizieren.«

      Seine Patientin sah ihn besorgt an. »Was ist denn das?«

      »Eine durch Viren ausgelöste Infektion der oberen Atemwege.«

      Das Abhören des Brustkorbs gab hinsichtlich dieses Verdachts schnell Entwarnung.

      »Ich brauche eine Blutprobe von Ihnen«, ging er zum nächsten Schritt seiner Detektivarbeit über. Denn nichts anderes tat er, wenn er nach den Ursachen eines bestimmten Symptoms suchte. »Die Analyse der Blutgase wie Sauerstoff und Kohlendioxid zeigen, ob eventuell der Gasaustausch in der Lunge gestört ist, wie das etwa bei Asthma und COPD der Fall ist.«

      Die junge Frau nickte. Dann seufzte sie und murmelte: »Und ich hatte gedacht, ich hätte nur einen einfachen Husten.«

      »Von irgendwoher muss er ja kommen, der einfache Husten«, erwiderte Matthias. »Und dieser Quelle müssen wir auf die Spur kommen, damit wir ihn abstellen können.«

      »Was meinen Sie denn?« Der Blick der schwarzen Frauenaugen lag mit besorgtem Ausdruck auf ihm.

      »Na ja, in seltenen Fällen sind bei Erwachsenen zum Beispiel eine Lungenentzündung, Tuberkulose oder Lungenkrebs für einen chronischen trockenen Husten verantwortlich. Ich habe da so meinen Verdacht, darum möchte ich nach der Blutabnahme auch noch einen Herzultraschall machen.«

      Er bemerkte, wie die junge Frau zusammenzuckte. »Sie meinen, ich bin herzkrank?«

      »Eine Herzschwäche könnte, und ich sage, könnte eine Ursache sein. Natürlich hat diese wiederum auch einen Auslöser, falls sie nicht angeboren ist, was bei Ihnen nicht der Fall sein kann, da der Husten erst jetzt aufgetreten ist.«

      Claudia ließ alle weiteren Untersuchungen willig und ziemlich schweigsam über sich ergehen. Die Echokardiografie brachte tatsächlich eine leichte linksseitige Herzschwäche ans Licht, die für den Husten verantwortlich war.

      »Ihr Blutdruck ist heute zu hoch.« Matthias sah seine Patientin bedeutsam an. »Haben Sie das öfter?«

      Die junge Frau lächelte verlegen. »Keine Ahnung. Ich messe ihn nie.«

      »Schwitzen Sie häufig? Verspüren Sie Zittern oder Nervosität?«

      »Klar, man kommt immer mal in Situationen, in denen man nervös wird«, lautete ihre Antwort.

      Sie gehört auch zu den Menschen, die die Signale ihres Körpers missachten, dachte der Landarzt. Es gab zwei Kategorien von Patienten: Die einen horchten zu viel in ihren Körper hinein und waren mehrmals in der Woche bei ihm; die anderen dagegen ignorierten alle Signale ihres Körpers.

      »Wir gehen jetzt ins Labor, wo ich einen Ultraschall Ihrer Schilddrüse machen werde«, teilte er Claudia mit.

      »Schilddrüse?« Ihre Hand tastete ihren Hals ab. »Aber die ist doch in Ordnung.«

      »Eine Überfunktion muss sich nicht immer in einer Vergrößerung zeigen«, korrigierte er ihre Meinung, die weit verbreitet war.

      Wie dann auch das Ultraschallbild zeigte, lag die eigentliche Quelle ihres Hustens in einer Schilddrüsenüberfunktion. Diese steigerte den Energieverbrauch des Organismus’ und überforderte dadurch das Herz.

      »Und jetzt?«

      Matthias lächelte sie beruhigend an. »Jetzt sind wir schon einen Riesenschritt weiter. Ich werde die Behandlung von zwei Seiten angehen: Sie bekommen Medikamente, die die Hormontätigkeit der Schilddrüse herabsenken und sie wieder zum normalen Arbeitsrhythmus zwingen. Dadurch entlasten wir in Zukunft die Tätigkeit des Herzens, und es kann sich erholen. Zurzeit brauchen Sie jedoch ebenfalls Medikamente gegen die Linksinsuffienz. Deren Wirkung können Sie unterstützen durch Wasser treibende Tees und vor allem durch salzarme Ernährung. Wenn wir die Schilddrüse erst einmal im Griff haben, wird Ihr Herz auch besser arbeiten. Es sammelt sich kein Wasser mehr in der Lunge und Sie müssen nicht mehr husten.«

      Claudia knabberte an ihre Unterlippe, hob dann in einer hilflosen Geste die Schulter und sagte: »Tja, dann gehöre ich nun auch zu den Menschen, die chemische Keulen schlucken.«

      Er lächelte sie an. »Es gibt für alles Grenzen. Grenzen für die Heilkraft der Homöopathie oder Naturmedizin, wie auch welche für die Wirkung chemischer Keulen, wie Sie die pharmazeutischen Produkte nennen. Auch sie sind keine Wunderwaffen, sonst würden wir ewig leben. Die Kunst besteht darin zu erkennen, was wann am effektivsten helfen kann. In Ihrem Fall geht es zurzeit nicht ohne Pharmazie.«

      Er sah die junge Frau an, hinter deren Stirn es arbeitete. Er war sich bewusst, dass er gerade ihr Weltbild durcheinanderbrachte. Dass sie nun eine Krankheit hatte, bei der ihre Naturmedizin nicht mehr helfen konnte, musste sie erst einmal verarbeiten. Und das würde für sie nicht leicht sein. Aber womöglich war diese Korrektur ihrer Einstellung, zu der sie ihr Körper zwang, ganz gut und würde ihr ihre Zukunft erleichtern. Die Verbohrtheit in eine Idee verengte die Sichtweise. Es war wichtig, auf dem Marktplatz des Lebens mit all seinen Möglichkeiten einen unverstellten Blick zu behalten.

      *

      Etwa zur gleichen Zeit, als Claudia ihre Diagnose vom Landdoktor gestellt bekam, herrschte in der Apotheke in Ruhweiler großer Andrang. Hauptsächlich von älteren Frauen, die sich kannten und sich in der Schlange vor der Theke lautstark unterhielten.

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