Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen
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Sie musste lachen. Mit einem Mal war sie froh, dass die Sonne schien.
»Das ist ja eine Überraschung!«
»Dass deine Salbe wirkt?«, fragte Thomas mit spitzbübischem Lächeln.
»Nein, das wusste ich«, gab sie ebenfalls blinzelnd zurück. »Ich meine die Tatsache, dass du mir deine Meinung dazu auf diese nette und ungewöhnliche Art sagst.«
»Man tut, was man kann«, konterte er.
Wieder brachte er sie zum Lachen.
»Darf ich reinkommen oder störe ich?«
»Du störst nicht. Im Gegenteil, du rettest mich gerade davor, in Selbstzweifel zu verfallen.«
Sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. »Das klingt nach Lebenskrise.«
»Ist es auch ein bisschen.«
Immer noch stand er vor ihrem Fenster, durch dessen geöffneten Flügel sie sich unterhielten.
»Was hältst du davon, wenn wir einen Spaziergang machen?«, schlug Thomas vor. »Ich kenne hier einen Ort, da werden die Gedanken ganz frei.«
»Vorschlag angenommen«, erwiderte sie erfreut. »Ich komme raus.«
Naturmedizin, Homöopathie oder Antidepressiva … Am besten heilt bei einem Stimmungstief immer noch ein bisschen Kribbeln im Bauch, dachte sie vergnügt, während sie das Fenster schloss.
*
Strammen Schrittes schlugen Claudia und Thomas einen Weg ein, der sich auf halber Höhe an einem Hügel entlangschlängelte, von wo aus sie eine herrliche Aussicht auf Ruhweiler hatten. Rechts von ihnen lagen sattgrüne Wiesen, an deren Fuße in der Senke ein paar verstreute Schwarzwaldhöfe ruhten. Linkerhand wuchsen schwarze Fichten in den blitzblanken Himmel. Schon bald führte der Pfad die beiden bergauf in ein Waldgebiet. Claudia musste ein paar Mal stehen bleiben und husten. Ihr Begleiter legte ein ziemlich sportliches Tempo vor. Jetzt lächelte Thomas sie schuldbewusst an.
»Zu schnell?«
»Nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt«, erwiderte sie atemlos. »In ein paar Wochen werde ich dich überholen.«
Er schmunzelte wissend. »Dort hinten ist eine Lichtung. Da können wir eine Pause machen.«
Sie folgte ihm durch den grünlich schimmernden Tannengrund, in dessen Mitte sich ein kleiner kreisrunder Platz befand. Die Sonne warf goldene Fäden durch das Geäst aufs Moos hinunter. Geschlagene frisch geschälte Baumstämme auf dem Boden verströmten den würzigen Duft von Harz. Lupinen, Fingerhut, Heidelbeerbüsche und Himbeeren … Die Lichtung mutete an wie eine Naturbühne.
Claudia blieb stehen und verweilte ein paar Atemzüge lang schweigend in diesem Anblick. Sie fühlte sich, als wäre sie mit Thomas allein auf der Welt. Nichts trennte sie. Sie empfand diese Augenblicke als kostbar, denn ihr war bewusst, dass sie sie in sich aufbewahren musste, damit sie ihre Seele in dunklen Zeiten erhellten.
Sie suchte Thomas’ Blick.
»Schön, gelt?«, fragte er mit unterdrückter Stimme, die ganz weich klang.
Sie konnte nur nicken. Voller Ergriffenheit folgte sie ihm über das Moos, das ihre Schritte schluckte, und setzte sich in die Nähe der Blumen, von deren Nektar Hummeln und Bienen tranken.
»Jetzt erzähl mal«, forderte er sie ernst auf. »Falls du magst«, fügte er rasch hinzu.
»Sonst wäre ich nicht mitgegangen«, erwiderte sie.
Es schien ihr ganz normal, über die Gedanken zu sprechen, die sie sich nach dem Besuch bei Dr. Brunner gemacht hatte. Vielleicht deshalb, weil Thomas auch etwas damit zu tun hatte? Brachte die Diagnose, oder vielmehr deren Behandlungsmethode, sie diesem sie so faszinierenden Mann näher? Sie musste in ihren Ansichten zurückrudern, mehr in seine Richtung. Ob sie wollte oder nicht.
»Kurzum, ich bin inzwischen unsicher, ob ich meine Produkte überhaupt noch glaubhaft verkaufen kann«, schloss sie ihre Geschichte ab.
Thomas hatte ihr zugehört, ohne sie zu unterbrechen. Er saß neben ihr, mit gesenktem Kopf, kaute auf einem Grashalm. Jetzt sah er sie an. Ernst, sehr ernst.
»Danke, dass du mir deine Gedanken so offen mitgeteilt hast. Das ist ein Vertrauensbeweis in meinen Augen.« Wieder schenkte er ihr dieses Lächeln, das ihr Herz berührte.
»Na ja, mir war gerade nach Reden, als ich deinen roten Luftballon sah. Und das las, was du geschrieben hast. Es passte zum Thema. Dich hat meine Salbe überzeugt. Das freut mich, aber der Witz ist ja, dass ich gerade vor ein paar Stunden die Grenzen meiner Produkte erkannt habe.«
Überraschung lag in seinem Blick. »Du musst doch auch vorher erkannt haben, dass es Krankheiten gibt, denen mit homöopathischen und pflanzlichen Mitteln oder Handauflegen nicht beizukommen ist.«
Sie seufzte. »Ja, natürlich, aber das strebe ich ja auch nicht an.«
»Bist du davon ausgegangen, dass die ganze Menschheit gesund ist oder nur hin und wieder unter einem Zipperlein leidet?« Sein Zwinkern war liebevoll, versöhnlich.
Sie lachte leise. »Womöglich habe ich mich in diese Traumwelt hineingeträumt. Als ich mich zur Kräuterpädagogin ausbilden ließ, sprach niemand von todbringenden Krankheiten.«
»Die es aber gibt«, erinnerte er sie mit vielsagendem Blick.
Sie nickte, schwieg, konnte selbst nicht glauben, wie eng ihre Sichtweise geworden war, wie starr ihre Ansichten. Sie hatte sich geradezu zu einer fanatischen Vertreterin der Naturheilkunde entwickelt.
»Schau mal, ich sehe die Sache so«, fuhr Thomas fort, ohne schulmeisterhaft zu wirken. »Die Welt ist kunterbunt, voller Angebote, unendlich reich an Möglichkeiten. Wir können daraus wählen. Warum wollen wir uns festlegen? Alles ist möglich, alles zu seiner Zeit. Stell weiterhin deine Produkte her. Sie wirken ja. Das habe ich selbst festgestellt. Akzeptier jedoch gleichzeitig, dass es auch andere Wege der Heilung gibt. Alles hat seine Berechtigung. Die Leute, die sich für deine Naturmedizin interessieren, nehmen vielleicht parallel dazu auch noch Pharmazeutika. Was ich sagen will, sieh es nicht so eng.« Er grinste sie an, verwegen, jungenhaft. »Mach es wie ich. Als Verfechter und Verkäufer chemischer Keulen habe ich mich jetzt entschlossen, deine Salbe in mein Apothekensortiment aufzunehmen. Mit deiner Einwilligung natürlich. Vielleicht dazu auch noch ein paar Teemischungen aus deiner Kräuterküche, Kräutersaft, Seifen, Öle …«
Sie konnte ihn nur fassungslos ansehen.
Welch ein Mann! Seine Reife, seine Einstellung, seine Art, sie auszudrücken, und seine Bereitschaft zur Akzeptanz, all das verblüffte sie. Nein, es imponierte ihr, berührte sie.
Er lachte. »Überrascht?«
»Ja.«
»Gewöhn dich dran. Wir haben in der kommenden Zeit öfter miteinander zu tun. Geschäftlich. Aber von der geschäftlichen Schiene abgesehen, bin ich auch für freizeitliche Aktivitäten offen.«