Der Sufi-Weg. Osho

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Der Sufi-Weg - Osho Edition Osho

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Ihr seid von allen Enden der Welt zu mir gekommen. Ihr könnt gerne glauben, dass ihr von euch aus zu mir gekommen seid – aber das ist nur eine weitere Selbsttäuschung des Ego. Ich habe euch gefischt. Und darum seid ihr hier. Glaub nicht, dass du von dir aus gekommen bist. Du glaubst, aus eigener Initiative gekommen zu sein, aber das stimmt nicht. Ich habe dich auf unsichtbare Weise schon lange gerufen, an mich gezogen. Und du bist gekommen. Jetzt bist du im Netz. Und viele von euch sind immer noch damit beschäftigt, sich nicht fangen zu lassen.

      Sannyas ist nur eine Geste der Hingabe eurerseits. Damit erlaubt ihr mir zu tun, was immer ich für richtig halte. Diese Auslieferung ist ein Akt des Vertrauens: „Ich trete ab – jetzt übernimm du, tu was du willst. Ich misch mich von jetzt an nicht mehr ein.“ Es ist so, wie wenn du zum Chirurgen gehst, und dich ihm vertrauensvoll überlässt; denn wenn du es nicht tust und sagst: „Ich muss dir auf die Finger schauen“, dann ist ein chirurgischer Eingriff nicht möglich. Du musst völlig unbewusst werden, und mit der Unbewusstheit lieferst du dich vollkommen aus. Selbst wenn der Chirurg dich tötet, bist du nicht mehr da, um dich zu wehren.

      Vertrauen bedeutet, dass du dich den Händen eines andern überlässt – sogar auf die Gefahr hin, dass er dich tötet. Sogar das bist du bereit durchzustehen.

      Sannyas bedeutet, dass du dich auf meinen Operationstisch legst und mir die Freiheit gibst, zu schneiden, wo und wie ich will. Das ist schmerzlich. Es ist sehr, sehr schmerzhaft, weil diese Art von Chirurgie nicht in Narkose geschehen kann – ich muss sie durchführen, während du voll bei Bewusstsein bist. Ich kann euch kein Morphium, ich kann euch kein Chloroform geben; im Gegenteil – ich muss euch Meditationstechniken geben, damit ihr immer bewusster und empfindsamer werdet.

      Dies hier ist eine andere Form von Chirurgie, eine vollkommen andere Form: Hier geht es nicht ohne dein Bewusstsein ab. Du musst ein hellwacher Zeuge des Geschehens sein, damit ich dir vor deinen Augen etwas amputieren kann, das gar nicht zu dir gehört, mit dem du dich aber bis jetzt voll identifiziert hattest. Nur so kann ich dir den Weg zeigen, wie du zu deinem innersten, zu deinem eigentlichen Wesen gelangen kannst. Es war schon da, bevor du geboren wurdest. Es ist da, bevor du stirbst. Es wird da sein, wenn du tot bist.

      Die Schöpfung nimmt immer neue Lebensformen an. Du brauchst jemanden, der dir dabei hilft, das Formlose aufzuspüren, das sich hinter allen Formen verbirgt. Du hängst an Formen, deine Au gen sind von Formen geblendet, und so ist ein tiefer chirurgischer Eingriff notwendig. So, wie es dieses Sufi-Sprichwort sagt:

      Die Gabe erfolgt erst nach diesem „Tod“, nicht vorher.

      Und trotzdem kann ohne Hilfe dieser „Tod“ nicht geschehen.

      Diese Hilfe ist möglich, wenn du dich einem Meister überlässt. Ja, indem du dich einem Meister überlässt, wird genau dieser Tod möglich, von dem hier die Rede ist. Selbstaufgabe ist wie Tod; darum hast du eine so große Angst davor. Du versuchst dich zu schützen. Du möchtest mit Gewalt etwas von mir bekommen, aber trotzdem du selbst bleiben. Aber das ist nicht möglich.

      Du musst sterben. Nur so kannst du etwas bekommen. Das Geschenk ist fertig, es ist schon verpackt, die Adresse steht schon drauf – aber du bist noch nicht bereit, es in Empfang zu nehmen.

      Du kannst nichts von mir bekommen, ehe du nicht stirbst.

      2. KAPITEL

      URTEILE NICHT

      Ein junger Mann kam zu Dhun-Nun, dem Ägypter.

      Er behauptete, dass die Sufis im Irrtum seien,

      und noch viele andere Dinge mehr.

      Der Ägypter gab ihm zur Antwort einen Ring,

      den er sich mit den Worten vom Finger streifte:

      „Nimm diesen Ring und geh zu den Marktständen da drüben.

      Sieh zu, ob du ein Goldstück dafür bekommen kannst.“

      Er konnte auf dem ganzen Markt keinen Händler finden,

      der mehr als ein kleines Stück Silber dafür geboten hätte.

      Der junge Mann kam mit dem Ring zurück.

      „Und jetzt“, sagte Dhun-Nun, „geh zum Goldschmied und

      frag ihn, was er zu zahlen bereit ist.“

      Der Goldschmied bot eintausend Goldstücke für das Juwel.

      Der junge Mann war hoch erstaunt.

      „Und nun, mein Sohn“, sagte Dhun-Nun,

      „zu deiner Einschätzung der Sufis: Du verstehst gerade

      soviel davon, wie die Krämer da drüben

      von der Goldschmiedekunst. Wenn du Edelsteine schätzen willst,

      musst du erst Goldschmied werden.“

      Jesus sagt: „Richte nicht deinen Nächsten“, und das ist einer der größten Aussprüche, die je von einem Menschen auf Erden getan wurden. Aber für den Verstand ist das zuviel verlangt. Der Verstand muss augenblicklich urteilen. Der Verstand braucht keine Gründe, um zu einem Urteil zu kommen. Wie viele Urteile habt ihr nicht schon gefällt, ohne euch je darum zu kümmern, ob sie begründet waren oder nicht. Aber wer sich die Sache genau anschaut, wird entdecken, dass Jesus recht hat.

      Jedes Urteil ist falsch, weil alles auf der Welt so tief miteinander verknüpft ist, dass du einen kleinen Ausschnitt davon niemals einschätzen kannst, solange du nicht das Ganze kennst. Alles geht nahtlos ineinander über, denn alles hängt zusammen. Dieser Augenblick hängt mit der gesamten Vergangenheit und der gesamten Zukunft zusammen. Die ganze Ewigkeit trifft sich in ihm. Alles, was je geschah, ist. Alles, was jetzt geschieht, ist. Alles, was je geschehen wird, ist. Wie wollt ihr da etwas beurteilen? Die Welt besteht nicht aus Teilen. Wäre es so, könnte man die einzelnen Fragmente erkennen; aber die Welt ist eine Einheit. Alle Urteile sind falsch, weil sie einseitig sind – aber sie erheben immer den Anspruch, für das Ganze zu stehen.

      Ja, Jesus hat absolut recht: „Richte nicht deinen Nächsten“, denn indem du urteilst, verschließt du dich. Etwas wird taub in dir. Deine Empfindlichkeit geht verloren, und mit ihr alle Hoffnung auf Wachstum. Sobald du urteilst, schrumpft etwas in dir; sobald du urteilst, bleibst du stecken; sobald du urteilst, hörst du zu blühen auf. Es gehört also sehr viel dazu, den Mut aufzubringen, nicht zu urteilen. Es gehört tatsächlich ungeheurer Mut dazu, denn der Verstand ist darauf versessen zu urteilen. Darauf versessen, über Gut und Böse, Richtig und Falsch zu Gericht zu sitzen. Und der Verstand ist dabei sehr kindisch: er hüpft beliebig von einem Urteil zum andern. Wenn du also überhaupt deinen Verstand hinter dir lassen willst – und anders kannst du niemals innerlich zu wachsen beginnen –, so urteile nicht.

      Ich will euch eine kleine Geschichte erzählen: Sie geschah in den Tagen des Laotse in China, und Laotse hat sie sehr geliebt. Und die Jünger des Laotse haben sie Generation für Generation weitererzählt, und immer neue Bedeutung in dieser Geschichte entdeckt. Dabei ist die Geschichte weiter gewachsen – wie etwas Lebendiges.

      Die Geschichte ist einfach: Es gab einmal in einem Dorf einen alten Mann, der sehr arm war, aber trotzdem von Königen beneidet wurde – denn er besaß ein schönes weißes Pferd. Ein Pferd von solcher Qualität war noch nie gesehen worden – solche Schönheit, solcher Stolz, solche Stärke! Könige bewarben sich um das Pferd und boten fabelhafte Preise,

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