Fiona - Sterben. Zsolt Majsai
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„Was?“
„Meine Mutter anrufen. Nicht jetzt.“
„Dann ruf sie später an. Ist jetzt auch egal.“
„Eigentlich nicht. Ich rufe sie vielleicht wirklich später an. Oder morgen.“ Ich hebe den Kopf und starre Katharina an. „Ich sollte gehen.“
„Wohin? Und warum?“
Ihre hellblauen Augen mustern mich mit einem undefinierbaren Ausdruck. Dann wird mir klar, dass ich Angst sehe. Sie hat Angst, dass ich eine Antwort auf ihre Fragen habe.
Habe ich auch. Zumindest auf die erste. Bei der zweiten bin ich mir nicht so sicher.
„Ihr habt euch getrennt?“
Sie braucht einen Moment, um meinen plötzlichen Themenwechsel zu verdauen. Dann nickt sie. „Ja, schon vor einigen Wochen. Oder Monaten. Wir … wir haben uns entliebt. Und haben eingesehen, dass es keinen Sinn hat, krampfhaft die heile Familie spielen zu wollen. Und dass es besser ist, wir trennen uns, solange es noch friedlich geht. Kay ist nach London gezogen, hat dort eine schöne Wohnung, die ich bezahle. Auch seinen Lebensunterhalt, zumindest bis er es selbst kann.“
„Hat er einen Job?“
„Er macht eine Detektei auf. Nach London wollte er sowieso schon immer.“
Den Zusammenhang verstehe ich zwar nicht, aber es spielt auch keine Rolle, glaube ich.
„Bei seinen Fähigkeiten und Kontakten ist eine Detektei wahrscheinlich genau das Richtige.“
„Ich denke auch. Wie gesagt, wir sind noch Freunde. Mehr nicht.“
„Ist schon irgendwie seltsam, oder? Ich meine, das Schicksal ist ein so richtig fieser Hund. Du trennst dich von deinem Mann und ich kurz darauf ...“ Auch, wollte ich noch sagen, aber das klappt nicht mehr. Ich merke noch, wie Katharina mit übermenschlicher Geschwindigkeit zu mir springt und das Glas mit dem Caipi auffängt, dann habe ich wohl den nächsten Aussetzer.
Als ich wieder einen halbwegs klaren Gedanken fassen kann, kniet Katharina neben mir und hält meinen Kopf an sich gedrückt. Ich befreie mich und versuche, die Tränen abzuwischen, was bei der Menge schier aussichtslos zu sein scheint. Katharina reicht mir ein Taschentuch, damit habe ich mehr Erfolg.
Ich schnäuze mich, dann knülle ich das Taschentuch zusammen und sage schniefend: „Wie soll das funktionieren? Ich meine, vor drei Tagen ist mein Mann gestorben. Wir … wir sind beide frei, aber das geht doch nicht.“
Katharina sieht mich ernst an. „Fiona, ich habe nicht aufgehört, dich zu lieben. Und du kannst mir glauben, ich habe so ziemlich alles versucht, um dich zu vergessen. Vier Jahre lang. Meine Ehe ist nicht zuletzt auch daran kaputt gegangen. Ich war schließlich vor einem Jahr so weit, dass ich gesagt habe, es ist mir egal. Und dann fiel mir das mit Michael ein und ich war froh, doch noch eine Ausrede zu haben. Es hat nur überhaupt nichts gebracht. Ich habe mich nicht von Kay getrennt, um für dich frei zu sein. Wie hätte ich auch ahnen können, was geschehen wird? Und du kannst mir auch glauben, ich würde alles tun, um es wieder ungeschehen zu machen. Aber das kann ich nicht, egal wie viel Macht ich habe.“ Sie atmet tief durch. „Mir ist klar, wie du dich fühlst und erwarte auch gar nicht, dass du etwas tust, was du gar nicht willst. Das verstehe ich, sehr gut sogar. Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich dich liebe und dass ich warten kann. Tage, Wochen, Monate, Jahre. Das ist mir egal. Ich werde solange warten, wie es eben dauert.“
Was für eine perverse Situation. Da kniet sie neben mir, die Frau, nach der ich mich vier Jahre lang so verzehrt habe, und jetzt, wo ich sie haben könnte, ist es vollkommen unmöglich.
Warum eigentlich?
Weil vor drei Tagen erst James gestorben ist. Und Sandra. Und du so voller Schmerz bist, dass du dich gar nicht auf eine neue Beziehung einlassen kannst. Nicht jetzt.
Ich sehe Katharina an. Sie erwidert meinen Blick. Ihre Augen glänzen und langsam läuft eine Träne aus dem Außenwinkel ihres linken Auges. Sie rinnt an ihrer Wange hinab, an den Lippen vorbei, verharrt kurz an ihrem Kinn und fällt dann wie in Zeitlupe hinunter.
Ihre Lippen erzittern kaum merklich.
Sie hat sehr schöne Lippen. Sie erinnern ein wenig an die Lippen von Brigitte Bardot. Vielleicht nicht ganz so voll. Mir fällt ein, was sie mit diesen Lippen alles anstellen kann. Wie ihre Berührung sich anfühlt …
Fiona! Denk an James!
Ich denke an ihn. James war durch und durch pragmatisch. Würde er wollen, dass ich mich in Selbstmitleid zerfleische?
Es geht nicht um Selbstmitleid!
Wirklich nicht? Um was geht es dann? Wer sollte denn ernsthaft was dagegen haben?
Die Leute …
Die Leute? Das sagst du, Fiona Flame, der es sonst völlig am Arsch vorbei geht, was die Leute denken? Weißt du, was ich glaube?
Was denn?
Du hast einfach nur Angst. Vier Jahre lang hast du dir nichts sehnlicher gewünscht. Du hast es dir vorgestellt, immer wieder, wie es sein würde, sie wieder zu küssen, sie wieder in den Armen zu halten. Du hast es dir so sehr gewünscht und vorgestellt, dass du Angst davor hast, du könntest schon wieder enttäuscht werden.
Ja, kann schon sein, dass ich Angst habe. Ist sie denn unberechtigt? Was, wenn sie die Nächste ist?
Dann solltest du erst recht nicht warten.
Katharina legt den Kopf schief. „Was ist passiert?“
Ich schließe die Augen. Ich werde es bereuen. Und wie ich es bereuen werde.
Aber es ist mir scheißegal.
Ich werfe mich ihr so heftig an den Hals, dass ich vom Stuhl falle und sie umschmeiße. Wir landen beide auf dem Boden, sie unter mir. Ich presse den Mund auf ihre Lippen und suche ihre Zunge, die mir bereitwillig entgegen kommt.
Schließlich löse ich mich keuchend von ihr und spüre ihre Hände auf meinem Po.
„Wir sollten nach oben gehen. Trägst du mich hoch?“
„Ja, ich trage dich hoch“, erwidert sie halb lachend und halb weinend und richtet sich auf. Ich schlinge die Beine um ihre Hüften und verschränke die Hände hinter ihrem Nacken. Die Lippen auf meinen Mund gepresst, tastet sie sich die Stufen hoch, in das Zimmer, in dem ich vorhin aufgewacht bin.
Die süße Schwere, die so typisch ist nach einem heftigen Orgasmus, legt sich langsam auf uns. Katharinas Kopf liegt auf meinem linken Arm, ihr rechter Arm auf meinem Bauch und ihre rechte Hand locker zwischen meinen Oberschenkeln.
„Bereust du es?“, fragt sie plötzlich.
Ich drehe ihr meinen Kopf zu. Sie erwidert meinen Blick fragend.
Bereue ich es? Es ist erst wenige Stunden her, dass sie mir gestanden hat, wie sehr sie mich liebt, wenige Stunden, dass ich mich gegen jede Vernunft für sie entschieden habe. Gestern Nachmittag haben wir uns leidenschaftlich geliebt, gestern Abend haben wir uns