Die Forsyte Saga. John Galsworthy
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Er bestellte auch das gleiche Essen, das der Junge immer gewählt hatte – Suppe, jungen Hering, Kotelett und ein Törtchen. Ach! Wenn er ihm jetzt doch nur gegenübersitzen könnte!
Sie hatten sich seit vierzehn Jahren nicht mehr gesehen. Und nicht zum ersten Mal im Laufe dieser vierzehn Jahre fragte sich der alte Jolyon, ob er vielleicht Mitschuld hatte an der Situation seines Sohnes. Eine unglückliche Affäre mit der affektiert-koketten Danae Thornworthy (jetzt Danae Pellew), der Tochter von Anthony Thornworthy, hatte ihn in seinem Kummer in die tröstenden Arme von Junes Mutter getrieben. Vielleicht hätte er sich ihrer Heirat in den Weg stellen sollen. Sie waren zu jung, aber nachdem er gesehen hatte, wie empfänglich Jo war, hatte er es nur allzu eilig gehabt, ihn verheiratet zu wissen. Und nach vier Jahren war es dann zum großen Krach gekommen. Natürlich konnte er das Verhalten seines Sohnes dabei unmöglich billigen. Die Vernunft und die Erziehung – jene Kombination zweier maßgebender Faktoren, auf der seine Prinzipien beruhten – sagten ihm, dass es unmöglich war, und sein Herz blutete. Die harte Unbarmherzigkeit jener Angelegenheit ließ kein Mitleid für Herzen zu. Da war June, das Energiebündel mit flammendem Haar, das ihn ganz für sich eingenommen, sich um ihn gewunden und geschlungen hatte – um sein Herz, das zum Spielzeug und Zufluchtsort kleiner, hilfloser Dinger bestimmt war. Durch die für ihn typische Einsicht erkannte er, dass er sich von einem der beiden trennen musste. In einer solchen Situation brachten Halbheiten nichts. Darin bestand die Tragik dieser Sache. Und das kleine, hilflose Ding siegte. Er wollte nicht auf zwei Hochzeiten tanzen, und so sagte er seinem Sohn Lebewohl. Dieses Lebewohl hatte bis jetzt gegolten.
Er hatte vorgeschlagen, dem jungen Jolyon weiterhin einen geringeren Zuschuss zu zahlen, doch dies wurde abgelehnt. Womöglich hatte ihn das mehr verletzt als alles andere, denn nun blieb ihm kein Weg mehr, seine eingepferchte Zuneigung zum Ausdruck zu bringen. Und es war zu einem so spürbaren und vollständigen Bruch zwischen ihnen gekommen, wie es nur die Übertragung von Vermögen, die Annahme oder Ablehnung dieses Vermögens, verursachen kann.
Sein Essen schmeckte fad. Der Champagner war trocken und bitter, nicht wie der Veuve Clicquot alter Tage.
Während er seine Tasse Kaffee trank, beschloss er, in die Oper zu gehen. Deshalb las er in der Times – er misstraute allen anderen Zeitungen – das Programm für jenen Abend. Es lief »Fidelio«.
Zum Glück keines dieser neumodischen deutschen Märchenspiele von diesem Wagner.
Er setzte seinen alten Klappzylinder auf, der mit seiner durch Gebrauch abgeflachten Krempe und seiner immensen Größe wie ein Sinnbild besserer Zeiten aussah, zog ein altes Paar sehr dünne, lavendelblaue Ziegenlederhandschuhe hervor, die stark nach Juchtenleder rochen, da er sie stets in der Nähe seiner Zigarrenkiste in der Tasche seines Mantels aufbewahrte, und stieg in eine Kutsche.
Die Droschke ratterte fröhlich die Straßen entlang. Der alte Jolyon war überrascht, wie ungewohnt belebt sie waren.
Die Hotels müssen ein unglaubliches Geschäft machen, dachte er. Vor ein paar Jahren hatte es noch keines dieser großen Hotels gegeben. Er dachte mit Zufriedenheit an ein Grundstück, das er in der Gegend besaß. Bestimmt schoss sein Wert in die Höhe! Was für ein Verkehr!
Doch das brachte ihn dazu, sich einer dieser seltsamen unpersönlichen Spekulationen hinzugeben, wie es doch so untypisch für einen Forsyte war und worin zum Teil seine Vormachtstellung unter ihnen begründet war. Wie winzig doch die Menschen waren und wie viele es doch gab! Und was würde wohl aus ihnen allen werden?
Er stolperte, als er aus der Kutsche stieg, gab dem Fahrer den exakten Fahrpreis, ging hinauf zur Kasse, um seine Karte zu kaufen, und stand dann mit seinem Geldbeutel in der Hand da – er hatte sein Geld immer in einem Geldbeutel dabei. Die Angewohnheit, es lose in die Taschen zu stecken, wie es heute so viele junge Männer tun, hatte er nie gutgeheißen. Der Kartenverkäufer streckte den Kopf heraus wie ein alter Hund aus seiner Hundehütte.
»Na, so was«, sagte er überrascht, »Jolyon Forsyte! Sie sind es wirklich! Ich habe Sie seit Jahren nicht mehr gesehen, Sir. Meine Güte! Die Zeiten haben sich geändert. Sie und Ihr Bruder und dieser Auktionator – Mr Traquair und Mr Nicholas Treffry, Sie hatten doch immer sechs oder sieben Parkettplätze hier jede Saison. Und wie geht es Ihnen, Sir? Wir werden ja nicht jünger!«
Eine tiefe Wärme legte sich in die Augen des alten Jolyon; er zahlte seinen Guinea. Sie hatten ihn nicht vergessen. Er ging zu den Klängen der Ouvertüre hinein wie ein altes Kriegspferd in die Schlacht.
Er faltete seinen Zylinder zusammen und setzte sich, zog seine lavendelblauen Handschuhe genau wie früher aus und hob sein Opernglas für einen langen Blick durch das Haus. Dann legte er es wieder auf seinem gefalteten Hut ab und richtete seinen Blick auf den Vorhang. Schmerzlicher als je zuvor spürte er, dass es mit ihm aus und vorbei war. Wo waren nur all die Frauen, die schönen Frauen, von denen hier immer so viele gewesen waren? Wo war das altbekannte Gefühl in seinem Herzen, das immer da gewesen war, wenn er auf einen jener großartigen Sänger gewartet hatte? Wo war dieses berauschende Gefühl, so voller Leben zu sein und das alles genießen zu können?
Er war der größte Operngänger seiner Zeiten gewesen! Jetzt gab es keine Oper mehr! Dieser Wagner hatte alles zugrunde gerichtet. Es gab weder Melodien noch Stimmen, die diese hätten singen können. Ach! Die wunderbaren Sänger! Alle weg! Er saß da und verfolgte die Darstellung der altbekannten Szenen, ein benommenes Gefühl in seinem Herzen.
Von der silbernen Locke über seinem Ohr bis zur Haltung seines Fußes im Lacklederschuh mit Elastikeinsatz war nichts an dem alten Jolyon unbeholfen oder schwach. Er saß so aufrecht – oder zumindest fast so aufrecht – wie zu jenen guten alten Zeiten, als er jeden Abend hierherkam. Er sah noch genauso gut – oder zumindest fast genauso gut. Doch wie sehr er sich doch müde und desillusioniert fühlte!
Er hatte sein ganzes Leben lang alles genossen, auch Unvollkommenes – und es hatte viel Unvollkommenes gegeben. Er hatte es alles in Maßen genossen, um sich jung zu halten. Doch nun hatte ihn seine Fähigkeit zu genießen im Stich gelassen, seine Philosophie, und was zurückblieb, war dieses schreckliche Gefühl, dass alles aus und vorbei war. Noch nicht einmal der Gefangenenchor oder die Arie des Florestan konnten das schwermütige Gefühl seiner Einsamkeit vertreiben.
Wenn doch nur Jo hier bei ihm wäre! Der Junge musste inzwischen vierzig sein. Er hatte vierzehn Lebensjahre seines einzigen Sohnes untätig verstreichen lassen. Und Jo war kein Ausgestoßener der Gesellschaft mehr. Er war verheiratet. Der alte Jolyon hatte sich nicht zurückhalten können, seine Zustimmung diesbezüglich durch einen Scheck an seinen Sohn über fünfhundert Pfund zum Ausdruck zu bringen. Der Scheck war in einem Brief vom Hotch Potch mit folgenden Worten zurückgesendet worden:
Liebster Vater,
dein großzügiges Geschenk war willkommen als Zeichen, dass du schlechter von mir denken könntest. Ich sende es dir wieder zurück, doch solltest du es für richtig halten, es für unseren kleinen Mann (wir nennen ihn Jolly) anzulegen, der unseren Vornamen trägt und, mit deiner Erlaubnis, unseren Nachnamen, würde ich mich sehr freuen.
Ich hoffe von ganzem Herzen, dass du so gesund wie eh und je bist.
Dein dich liebender Sohn
Jo
Der Brief war wie der Junge. Er war immer ein liebenswerter Kerl gewesen. Der alte Jolyon hatte ihm dies geantwortet:
Mein lieber Jo,
ich habe die Summe (fünfhundert Pfund) deinem Jungen gutgeschrieben, unter dem Namen Jolyon Forsyte,