Die fünfte Jahreszeit. Anette Hinrichs

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Die fünfte Jahreszeit - Anette Hinrichs

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zischte durch die Zähne und wandte sich dann an Malin. »Okay, Brodersen, wir machen Folgendes: Rufen Sie im Präsidium an. Die sollen den Namen von Viktoria Steiner durch den Computer jagen. Dann sehen Sie zu, dass Sie Bartels auftreiben, dem hatte ich eigentlich kurzfristig freigegeben, aber das hier hat jetzt Vorrang. Informieren Sie ihn über die Leiche und dann machen Sie sich zusammen auf den Weg zu der Adresse auf dem Personalausweis. Ach ja, und noch was, Brodersen: Ziehen Sie endlich den verdammten Overall aus.«

      Malin schaute an sich herunter. Flecken von Erbrochenem zierten ihren Oberkörper. Sie wurde knallrot. »Okay, danke, Chef.«

      »Brodersen, vergessen Sie eines nicht: Auch ich habe mal angefangen.« Seine blauen Augen sahen sie freundlich an.

      Sie parkten vor einem mehrgeschossigen Altbau in der Mozart­straße und warteten auf den Schlüsseldienst.

      Malin musterte ihren Kollegen. Frederick Bartels’ Gesicht wirkte abweisend. »Sag mal, Fred, was ist los? Hör zu, Fricke hat mich gebeten, mit dir zusammen hierherzufahren. Wenn du das lieber mit Andresen erledigt hättest, beschwer dich bei ihm.«

      Bartels seufzte. »Malin, nicht alles dreht sich um dich.«

      Sie zuckte zusammen.

      »Es ist etwas Privates«, fügte er versöhnlich hinzu.

      »Aha.«

      »Meine Frau hat mich verlassen.«

      »Ich wusste ja gar nicht, dass …« Malin wies auf seinen leeren Ringfinger.

      »Dass ich verheiratet bin? Ich habe den Ring von Anfang an nicht getragen.«

      »Und weshalb hat sie dich verlassen? Oder ist das jetzt zu indiskret?«

      »Wegen so einem blöden Typen mit Makkaroni-Charme und Olivenölstimme. Das hat man nun davon, wenn man seine Frau alleine in den Urlaub schickt. Und weißt du, was das Beste an der ganzen Sache ist?«

      Malin schüttelte den Kopf.

      »Sie sagt, ich sei schuld. Weil ich sie immer alleine gelassen hätte. Sonst wäre sie ja auch gar nicht alleine in den Urlaub gefahren. Und weißt du was, Malin? Ich glaube, sie hat recht. Ich bin ein beschissener Ehemann.« Seine dunklen Augen glänzten verdächtig.

      »Unser Beruf ist nun mal nicht besonders familienfreundlich. Lass dir nicht einreden, dass es deine Schuld ist. Dazu gehören immer noch zwei«, erwiderte sie leise.

      »Danke. Du bist gar nicht so übel, weißt du das?« Der Anflug eines Lächelns überflog sein Gesicht.

      Malin sah verlegen aus dem Fenster. »Du, ich glaube, da kommt der Schlüsseldienst. Lass uns gehen.«

      Wenige Minuten später betraten sie die Wohnung von Viktoria Steiner.

      »Hallo, ist hier jemand? Polizei!«, rief Malin in die Stille.

      Keine Antwort.

      Vom Flur gingen vier Türen ab. Die erste führte in ein weiß gekacheltes Badezimmer. Über dem Waschbecken befand sich ein großer Spiegelschrank, daneben zierte ein Regal mit diversen Flakons die Wand. Am Handtuchhalter hingen violette Handtücher. Die nächste Tür führte in die Küche. Auf dem Fensterbrett standen kleine Zinktöpfe mit verschiedenen Kräutern, und zu beiden Seiten des Fensters hingen duftige Gardinen. Die Küche wirkte sauber und aufgeräumt. Der nächste Raum ging von der anderen Flurseite ab. Es war ein großzügig geschnittenes Wohnzimmer, gemütlich eingerichtet. Das Dunkelrot der Sitzmöbel harmonierte mit den gebeizten Holzregalen und dem schmiedeeisernen Couchtisch. Unterhalb des Fensters stand ein großer Zeichentisch.

      Malin streifte Latexhandschuhe über. Schnell und geschickt durchsuchte sie die Schubladen und Schränke. Auf einer Anrichte stand ein Hochzeitsbild in einem Silberrahmen. Sie nahm das Bild in die Hand und erkannte die Frau sofort wieder. »Frederick, schau doch mal.«

      Bartels, der mittlerweile in den angrenzenden Raum gegangen war, streckte seinen Kopf durch die Tür. »Hast du was? Ich sehe mir gerade das Schlafzimmer etwas genauer an.«

      »Ein Hochzeitsfoto. Ob die getrennt leben? Oder hast du irgendeinen Hinweis dafür gefunden, dass hier auch ein Mann wohnt?«

      »Nein, aber vielleicht sind sie auch geschieden«, kommentierte Bartels trocken, bevor er wieder im Nebenraum verschwand.

      In einem Fach der Anrichte entdeckte Malin ein Notizbuch. Lauter Telefonnummern und Adressen. Einige von Ärzten. Ein Eintrag war mit kleinen Blümchen versehen. »Frederick, ich habe ein Adressbuch gefunden!«

      Bartels kam wieder aus dem Nachbarzimmer und nahm ihr das Buch aus der Hand. »Prima, dann können wir ja hier erst mal Schluss machen. Solange wir nicht wissen, ob die Tote hundertprozentig Viktoria Steiner ist, haben wir hier sowieso keine Handhabe. Fricke hat das erst mal auf seine Kappe genommen.«

      Während Bartels das Wohnzimmer bereits verlassen hatte, sah Malin sich noch einmal um. An einem Bücherregal blieb ihr Blick hängen.

      »Malin, komm endlich. Wenn die Tote wirklich Viktoria Steiner ist, wird hier noch jeder Zentimeter unter die Lupe genommen«, rief Bartels vom Flur aus.

      Widerwillig riss Malin sich los.

      Es wurde bereits dunkel, als Malin ihren Mini auf dem gesicherten Parkplatz des Polizeipräsidiums abstellte. Sie fühlte sich völlig ausgelaugt. In der Damentoilette spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete ihr Spiegelbild. Ihr blondes Haar war wie immer zum Pferdeschwanz gebunden. Sollte sie es mal anders schneiden lassen? Ihr Gesicht war ganz in Ordnung. Etwas blass vielleicht, aber das machten ihre großen grünen Augen wieder wett.

      Unwillkürlich musste sie an die dunklen Augen von Viktoria Steiner denken. Ihre Gedanken wanderten weiter zu der entstellten Leiche. Malin schloss die Augen und spritzte sich eine weitere Ladung Wasser ins Gesicht. Sie bräuchte eine Pause.

      Seufzend trocknete sie sich ab und ordnete mit ein paar geübten Handgriffen ihren Pferdeschwanz. Dann verließ sie den Waschraum.

      Die Luft im Großraumbüro war abgestanden und stickig. Jemand hatte ein zweites Whiteboard aufgestellt und die Tatortfotos vom Fabrikgelände daran befestigt. Bei Malins Eintreffen war bereits das ganze Ermittlungsteam versammelt.

      Fricke hatte sich zwischen den Whiteboards postiert. »Ich weiß, ihr seid alle müde und kaputt, trotzdem brauche ich eure volle Aufmerksamkeit. Nachdem wir jetzt noch einen weiteren Mordfall zu bearbeiten haben, müssen wir uns neu formieren. Wir holen uns noch ein paar Leute dazu, aber bis es so weit ist, müssen wir uns aufteilen. Ole, du und Sven, ihr kümmert euch bis auf Weiteres um den Torhausmord. Knöpft euch die Witwe noch mal vor. Geht auch die Befragungsprotokolle der ehemaligen Patienten und die Telefonlisten noch mal durch. Vielleicht wurde etwas übersehen. Und macht Druck beim Labor. Wir brauchen den toxikologischen Befund.«

      »Alles klar, Hans.«

      »Was ist mit dem Phantombild des Stadtstreichers?«, warf Malin ein.

      »Das ist in Arbeit. Sie, Brodersen, bilden mit Bartels ein Team und kümmern sich ausschließlich – und das gilt vor allem für Sie, Brodersen – um die Tote vom Fabrikgelände. Ich will alles über das Gelände wissen. Und überprüfen Sie die Telefonnummern aus dem Notizbuch von Viktoria Steiner. Sehen Sie zu, dass Sie den Zahnarzt ausfindig machen. Wir brauchen eine Identifizierung. Ich muss

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