Die fünfte Jahreszeit. Anette Hinrichs
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Читать онлайн книгу Die fünfte Jahreszeit - Anette Hinrichs страница 17
»Gut. Weiß man schon etwas von ihrem Mann?«
»Der ist vor acht Monaten ums Leben gekommen«, entgegnete Bartels. »Verkehrsunfall.«
»Furchtbar.« Malin hielt für einen Moment inne. »Sollten wir nicht noch mal in die Wohnung fahren?«
Bartels schüttelte den Kopf. »Da ist gerade die Spusi drin. Kannst du dich schon mal um die Adresse der Völkers kümmern? Ich muss noch mal kurz telefonieren.« Er griff nach dem Hörer.
Die Kontaktdaten von Elisabeth Völkers standen gleich auf der ersten Seite der Liste. Malin notierte sich die Anschrift und beobachtete, wie die Gesichtsfarbe ihres Kollegen von blass ins Rötliche wechselte. Seine Hand umkrampfte den Telefonhörer. Plötzlich legte er auf und blieb einige Sekunden regungslos sitzen.
»Fred, alles klar?«
»Malin, ich muss weg.«
»Und was wird dann aus der Völkers?«
»Frag Andresen, ob der Zeit hat. Ich muss los.« Er schnappte sich Jacke und Autoschlüssel.
»Aber Andresen ist doch für den Torhausmord eingeteilt!«, rief sie ihm hinterher. Doch Bartels war bereits verschwunden.
Und nun? Andresen kommt schon mal gar nicht in Frage, dachte Malin. Halbherzig wählte sie die Handynummer von Ole Tiedemann. Nach dem zweiten Klingeln legte Malin wieder auf. Anschließend wählte sie die Nummer von Elisabeth Völkers. Niemand nahm ab. Dann eben nicht, dachte sie und verließ den Raum.
Vor Frickes geschlossener Bürotür blieb sie einen Moment stehen. Sie hätte ihren Vorgesetzten schon längst darüber informieren müssen, dass auch der zweite Tatort Ähnlichkeiten mit einem Leonberger-Krimi aufwies. Doch würden die Übereinstimmungen ausreichen, um Fricke davon zu überzeugen, dass zwischen den beiden Morden ein Zusammenhang bestand?
Ihr nächtlicher Besuch bei ihm kam ihr in den Sinn. Damit war die Entscheidung gefallen.
Dieses Mal würde sie die Sache richtig angehen.
Zwanzig Minuten später betrat Malin den Altbau in der Mozartstraße. Die Haustür zu Viktoria Steiners Wohnung war nur angelehnt. Sie streifte sich Füßlinge und Handschuhe über.
Ein Mitarbeiter der Spurensicherung kam ihr im Flur entgegen und lächelte ihr unter der Kapuze seines Overalls freundlich zu. »Der Chef ist im Wohnzimmer.«
Dort standen Schranktüren offen, Sofakissen lagen auf dem Boden und Schubladen waren aufgerissen. Der Leiter der Spurensicherung hob gerade mit einer Pinzette etwas vom Boden auf. Er hielt es ins Licht und steckte es anschließend in eine durchsichtige Spurensicherungstüte. »Was willst du denn hier?«, fragte er mürrisch.
»Ich will mir ein persönliches Bild von der Toten machen. Hast du irgendein Problem damit?«
»Schon gut, man wird ja noch mal fragen dürfen.«
»Kannst du mir vielleicht schon irgendetwas sagen?«, fragte Malin eine Spur versöhnlicher.
Glaser legte die Pinzette beiseite. »Wir müssen die Spuren natürlich noch auswerten, aber ich glaube nicht, dass der Mörder sein Opfer hier in der Wohnung überwältigt hat. Es deutet nichts auf einen Kampf.«
»Ist es in Ordnung, wenn ich mich ein wenig umschaue?«
Der Kriminaltechniker hob die Augenbrauen und sie befürchtete schon eine seiner Ermahnungen, als sein zusammengekniffener Mund sich zu einem Grinsen verzog. »Ich hab gehört, du hast mit Andresen nicht gerade einen neuen Freund gefunden?«
Malin nickte überrascht.
»Gut. Wird Zeit, dass unserem aufgeblasenen Kollegen mal jemand die Stirn bietet.«
»Also, hab ich dein Okay?«
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
Unverzüglich ging sie zum Bücherregal. Mit ihrer behandschuhten Hand fuhr sie langsam die Bücherreihen entlang.
Dort standen sie – alle vier Bände von Charlotte Leonberger. Sie zog einen aus dem Regal und schlug die erste Seite auf. Malin überlief ein eiskalter Schauer. Sie legte das Buch beiseite und nahm das nächste zur Hand. Mit zittrigen Händen schlug sie auch dort die erste Seite auf. Wieder.
Sie sah einen Band nach dem nächsten durch, dann benötigte sie einige Minuten, um die Entdeckung zu verdauen.
10
Das Institut für Rechtsmedizin befand sich in einem zweistöckigen Gebäude aus den Sechzigern am Rande des Universitätsklinikums Eppendorf.
Malin stellte den Mini auf dem gesonderten Parkplatz für Einsatzfahrzeuge ab und betrat mit gemischten Gefühlen die Empfangshalle. Es war ihre erste Obduktion.
Sie war erleichtert, als sie die vertraute Gestalt von Fricke entdeckte, der sich gerade mit einem kräftigen jungen Mann unterhielt. »Brodersen, das ist Mike Hansen. Er ist Sektionsgehilfe in diesem Schuppen. Stellen Sie sich gut mit ihm, er ist immer bestens informiert.«
Fricke klopfte Hansen kurz freundschaftlich auf die Schulter.
Hansen musterte sie kurz, dann erschien ein Lächeln auf seinem runden Gesicht. »Was für ein Glanz in unserem tristen Haus.« Seine himmelblauen Augen blickten sie ergeben an.
»Wunderbar, dann haben Sie sich ja bekannt gemacht«, stellte Fricke auffordernd fest.
Hansens Blick löste sich von Malin. »Folgen Sie mir. Dr. Steinhofer wartet auf Sie. Nicht dass sie nichts anderes zu tun hätte – wir haben letzte Nacht zwei Verkehrsunfälle reinbekommen. Tja, der Herbst hat begonnen.« Er strahlte Malin an.
Im Untergeschoss, wo sich der Autopsietrakt befand, legten sie Schutzkleidung an und folgten dem Sektionsgehilfen in den Obduktionssaal. Ein schwerer, süßlicher Geruch drang ihnen mit einem Hauch von Desinfektionsmittel gepaart entgegen. Grelles Neonlicht strahlte von der Decke auf mehrere Obduktionstische aus rostfreiem Edelstahl.
Dr. Steinhofer war in einen grünen Sezierkittel gekleidet und sprach in ein Diktiergerät. Fricke räusperte sich. Die Rechtsmedizinerin gab Hansen ein Zeichen und der Sektionsgehilfe schlug das Laken zurück, das die Leiche verhüllte. Umgehend rebellierte Malins Magen.
»Ihre Erste?« Dr. Steinhofers Frage klang wie eine Feststellung und war frei von jeglichem Mitgefühl.
Malin nickte und zwang sich zu lächeln.
»Ich möchte, dass Sie sich das ansehen.« Dr. Steinhofer wies auf verschiedene Körperstellen der Toten. »Das sind Brandblasen in verschiedenen Stadien. Sie müssen sich das so vorstellen: Erst rötet sich die oberste Hautschicht, anschließend entstehen Blasen, die mit Wundflüssigkeit gefüllt sind. Irgendwann platzen sie auf und die sogenannte Lederhaut wird sichtbar. Wird diese dann weiterhin einer Strahlung ausgesetzt, platzt die Unterhaut und es kommt zu diesen fleischigen Wunden. Zeitgleich wird dem Körper Flüssigkeit entzogen. Er trocknet langsam aus, ja er verdurstet regelrecht.«
»Also war das die Todesursache?« Fricke beugte sich über den Obduktionstisch