Mord bei den Festspielen. Sibylle Luise Binder

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Mord bei den Festspielen - Sibylle Luise Binder

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ich ob des natürlichen Todes so erleichtert gewesen war. Es war doch wohl außer Zweifel gestanden, dass bei Miercoledi niemand nachgeholfen hatte! Verrückte Idee – wahrscheinlich meinem Schock beim Anblick der Leiche entsprungen.

      Ich lehnte mich ein wenig mehr an Lucas. Er lächelte mir kurz zu, aber seine Augen blieben ernst und er wandte seine Aufmerksamkeit sofort wieder dem Arzt zu, der gerade sein Formular stempelte.

      Lucas räusperte sich. »Wie geht es jetzt weiter?«

      Der Arzt zuckte mit den Schultern und räumte Mappe, Stift und Stempel wieder in seine Tasche. »Das ist nicht mehr mein Problem. Von mir bekommen Sie jetzt den Totenschein und die Rechnung. Dann bin ich weg.«

      Dem Hotelmanager, der die ganze Zeit schweigend an der Wand gelehnt hatte, war es offenkundig peinlich, dass der von ihm eingeführte Arzt so unfreundlich war. Er schaute ihn strafend an. »Ich denke, hier muss der Bestatter übernehmen. Wenn es Ihnen recht ist, begleite ich den Herrn Doktor Hartmann nach unten, regle die Sache mit der Rechnung und rufe den Bestatter an.«

      Ich konnte mich nicht einmischen, aber Lucas hatte damit kein Problem. »Brauchen wir nicht noch die Polizei?«, erkundigte er sich.

      Der Arzt, der gerade seinen Rucksack schloss, schüttelte den Kopf. Ohne Lucas anzuschauen, antwortete er: »Polizei brauchen Sie nicht. Ich habe ›Natürlicher Tod‹ angekreuzt, außerdem hatte er keine ansteckende Krankheit Also besteht keine Seuchengefahr. Unter diesen Umständen interessieren sich weder die Polizei noch das Gesundheitsamt für den Mann, also können Sie ihn normal bestatten lassen.« Er warf sich seinen Rucksack über die Schulter. »Tja, das war’s für mich. Schönen Sonntag kann ich hier wohl nicht wünschen. Also alles Gute!«

      *

      Nachdem der Arzt verschwunden war, erwachte Marietta aus ihrer Erstarrung und wurde aktiv, indem sie erst einmal Antonio Merlato, den langjährigen Agenten ihres Vaters, anrief und nach Lindau beorderte. Lucas und ich schauten uns unterdessen an, er nickte kurz und wir standen im gleichen Moment auf. Er rieb sich über die unrasierte Wange. »Ihr entschuldigt uns? Ich muss mich rasieren, Victoria will sich sicher anziehen. Aber wenn ihr uns braucht, meldet ihr euch, ja? Wir sind nur einen Anruf entfernt!«

      Ich war erleichtert, als wir in unserer Suite angekommen waren. Obwohl wir beide Mario Miercoledi nicht sehr gemocht hatten – diesen Tod hätten wir ihm nicht gewünscht und so waren wir sehr erschüttert. Dementsprechend waren wir dann eine ganze Weile schweigend am Fenster gestanden, bevor ich mich ins Bad verzog. Als ich endlich geduscht und angekleidet war, orderte ich erst einmal Frühstück – noch mehr Kaffee und Spiegeleier mit Speck für Lucas, Tee und Obstsalat für mich.

      Ich saß schon am Tisch, als Lucas frisch rasiert aus dem Bad kam. Er hatte das blaue T-Shirt, in dem er geschlafen hatte, gegen ein graues Polohemd getauscht, statt den Jeans trug er nun eine anthrazitfarbene Bundfaltenhose.

      »Sein Tod geht dir ziemlich an die Nieren«, sprach ich ihn an.

      Er nickte, ließ sich neben mir nieder und schenkte sich Kaffee ein. »Ich habe Giulia und die Mädchen gut 25 Jahre lang gekannt und er hat mich sogar ›Freund‹ genannt.« Er verstummte, rührte einen Würfel Zucker in seinen Kaffee und sagte langsam: »Die Mädchen tun mir leid. Es ist seltsam …« Er trank einen Schluck. »Ich habe Mafalda und Marietta immer gewünscht, dass sie sich von ihm freimachen und endlich ein eigenständiges Leben führen können.«

      Ich wusste, dass er jetzt an seine eigene, sehr selbständige Tochter dachte, die Agrarbiologie studiert hatte und nun als Dozentin in Weihenstephan ist. Lucas hing sehr an ihr, telefonierte einmal in der Woche mit ihr, freute sich über jede Mail, vermisste sie und war sehr stolz darauf, dass sie ihr Leben so gut im Griff hatte.

      Die Miercoledi-Töchter hatten nie eine Chance dazu bekommen. Beide Eltern hatten sie festgehalten und immer wieder den Familienzusammenhalt beschworen. Und in der Branche redete man darüber, dass Miercoledi ihnen gerne auch Männer ausgesucht hätte – wobei mir erzählt worden war, Lucas und Cayetano seien da Kandidaten gewesen. Ansonsten hatte der eifersüchtige Patriarch seine Töchter wie weiland Rigoletto beschützt – und der wollte den Herzog, der sich seinem Blondchen genähert hatte, bekanntlich umbringen lassen.

      Lucas setzte sich, nahm die Silberhaube von seinem Rührei und begann zu essen. Nach einem Moment schluckte er. »Jetzt sind Marietta und Mafalda frei – aber ich hätte ihnen gerne den Schock erspart, ihren Vater in so einem Zustand sehen zu müssen.« Er fasste nach meiner Hand. »Dir und Giulia natürlich auch.«

      »Für mich war es nicht so schlimm. Mir stand er ja nicht nahe.« Ich hatte mir Tee eingeschenkt, rührte zwei Kandisbrocken ein und lauschte auf das Knistern, mit dem sie sich im heißen Wasser auflösten. »Ich überlege mir nur, woran Miercoledi gestorben ist. Der Arzt vermutet, dass es das Herz war, aber wie passt das zu seinen Magen-Darm-Beschwerden?«

      »Hinterwandinfarkt«, sagte Lucas. »Mein Vater ist an einem Hinterwandinfarkt gestorben. Die ersten Symptome sahen aus, als ob er sich einen Magen-Darm-Virus eingehandelt hätte.« Er war damals noch mit Ruth, seiner ersten Liebe, verheiratet gewesen. Sie war Ärztin und er hatte einiges bei ihr mitbekommen. »Ruth hat mir damals erklärt, das sei normal. Bei einem so schweren Infarkt schaffe es das Herz nicht mehr, alle Organe mit Blut zu versorgen, also schalte es erst mal die ab, die nicht unbedingt zum Überlegen gebraucht werden. Dazu gehört das Verdauungssystem.«

      »Ruth wird darüber Bescheid gewusst haben«, sagte ich. Mich fröstelte beim Gedanken, wie einsam und elend Miercoledi gestorben sein musste. Andererseits: Er war 83 Jahre alt gewesen, er hatte Probleme mit dem Herzen gehabt, war aber dennoch wie ein Junger ständig um die ganze Welt gejettet und hatte überall den starken Mann gegeben. Ich kannte Leute, die ihn dafür bewunderten und seine Jugendlichkeit priesen.

      Ich allerdings hatte mich schon länger gefragt, was ihn antrieb. Geld konnte es eigentlich nicht mehr sein. Er war als durchaus merkantil bekannt, man wusste, dass er in seinen besten Zeiten sehr hohe Gagen verlangt hatte, die er professionell hatte anlegen lassen, aber in den letzten Jahren hatte er in Insiderrunden immer damit angegeben, dass er eine ganze Schafherde im Trockenen habe.

      Was war es dann gewesen? Das, was Lucas manchmal den »Bühnenüberflug« nannte? Es sei eine Form von Euphorie, die ihn überkomme, wenn in einer Rolle, die ihm besonders am Herzen liege – Don Giovanni, Posa, Beckmesser – die Vorstellung gut laufe und er das Gefühl habe, seine Rolle und seine Stimme voll im Griff zu haben. Dann mache es richtig Spaß und dann überkomme ihn manchmal die Euphorie. »Man fühlt sich da, als ob man nur die Arme ausbreiten müsste, um einen Rundflug unter der Decke machen zu können!«, hatte Lucas diesen Zustand einmal beschrieben.

      War es das auch bei Miercoledi gewesen? Ich hatte Schwierigkeiten, mir das vorzustellen, denn in den letzten Jahren hatte Miercoledi doch immer wieder mit seiner Stimme gekämpft. Andererseits hatte er das wohl nicht so empfunden – er hatte nach einer Arie immer noch die Arme hochgerissen wie ein siegender Boxer im Endkampf und hatte es genossen, wenn sein Publikum ihn feierte.

      War es das vielleicht gewesen? Beifall schien für Miercoledi so etwas wie das Lebenselixier gewesen zu sein. Ich musste nicht lange im Gedächtnis kramen, um das Bild vor Augen zu haben, wie Miercoledi und Lucas ihre »Vorhänge« – so nennt man es im Theater, wenn die Darsteller am Ende des Stückes an die Rampe treten und sich bejubeln lassen – bewältigt hatten. Lucas sah trotz seiner langen Bühnenerfahrung immer noch ein wenig verlegen aus, vergaß aber nie, sich beim Orchester zu bedanken und auch den Leuten auf den oberen Galerien ein Lächeln zu schicken. Er verschwand dann aber schnell wieder.

      Miercoledi dagegen hatte im Applaus gebadet und mich immer an den alten Tenorwitz erinnert: Was macht ein Tenor bei Regen? – Er verbeugt sich nach allen

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