So große Gefühle!. Anselm Grün

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So große Gefühle! - Anselm Grün

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mal gerne freinehmen. Aber ich bin immer nur für euch da.« Die Tochter antwortete darauf ruhig: »Mach’s halt. Geh doch ins Museum. Ich koche für dich.« Die Mutter erfüllte sich den Wunsch und als sie zurückkam, war die ganze Familie zufrieden. Die Tochter hatte gut gekocht, sogar alles nachher aufgeräumt. Da erkannte die Mutter: Das Kind ist nicht krank, es lebt nur meine Schattenseiten. Meine Tochter deckt mir meine verdrängten BEDÜRFNISSE auf.

      Offensichtlich rebellieren pubertierende Töchter und Söhne oft gegen ihre Eltern, weil sie spüren, dass Mutter und Vater Wünsche und Bedürfnisse verdrängt haben. Die Kinder merken genau, was hinter einer scheinbar makellosen Fassade der Eltern an verdrängten Bedürfnissen verborgen ist. Mit ihrem Verhalten decken sie auf, was die Eltern in den Schatten gedrängt haben.

      BIBELGESCHICHTE

      Eine Vater-Sohn-Geschichte stammt ebenfalls von Markus. Der Vater erzählt Jesus: »Meister, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht. Er ist von einem stummen Geist besessen; immer wenn der Geist ihn überfällt, wirft er ihn zu Boden, und meinem Sohn tritt Schaum vor den Mund, er knirscht mit den Zähnen und wird starr.« (Mk 9,17f)

      Wenn wir diese Beschreibung nicht einfach auf einen epileptischen Anfall hin deuten, sondern auf die Eltern-Kind-Beziehung, dann können wir uns vorstellen: Im Umfeld des Vaters fand der Sohn keine Möglichkeit, seine aggressiven Gefühle zu äußern. Vielleicht traute er sich nicht, weil er immer brav sein wollte. Vielleicht strahlte auch der Vater aus, dass Aggressionen etwas Schlechtes seien. Jesus lässt den Jungen zu sich bringen. Doch sobald sich jener näherte, zerrte der unreine Geist »den Jungen hin und her, sodass er hinfiel und sich mit Schaum vor dem Mund auf dem Boden wälzte.« (Mk 9,20) Jesus reagiert aber nicht mit Angst vor diesem Anfall, sondern er macht ganz nüchtern eine Anamnese, indem er fragt: »Wie lange hat er das schon?« Er möchte sich den Jungen genau anschauen und erkennen, woher diese Anfälle kommen. Der Vater erzählt, dass sein Kind sie schon von klein auf hätte. Der unreine Geist habe seinen Sohn sogar oft ins Feuer oder ins Wasser geworfen, um ihn umzubringen. Die negativen Gefühle waren offensichtlich so heftig, dass sie den Jungen völlig im Griff hatten und ihm schadeten. Der Vater fühlt sich hilflos, so sagt er zu Jesus: »Wenn du kannst, hilf uns; hab Mitleid mit uns!« (Mk 9,22) Jesus antwortet: »Wenn du kannst? Alles kann, wer glaubt.« (Mk 9,23) Er spiegelt dem Vater, dass dieser nicht an seinen Sohn geglaubt hat. Er hat hinter dem Verhalten des Kindes nicht dessen Sehnsucht erkannt, dass er als Sohn alle seine Gefühle leben wollte, auch die aggressiven, und dass er sich von seinen Eltern innerlich freimachen wollte durch seine Anfälle. Der Vater erkennt durch die Antwort Jesu, dass es darum geht, an sein Kind zu glauben. Und so antwortet er: »Ich glaube. Hilf meinem Unglauben. – Ich möchte ja glauben. Aber hilf du mir, dass ich an meinen Sohn glauben kann.«

      Jesus befiehlt nun dem stummen Geist, der den Sohn zu Boden geworfen hat: »Ich befehle dir, du stummer und tauber Geist: Verlass ihn und kehr nicht mehr in ihn zurück.« Da zerrte der Geist den Jungen hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei.« (Mk 9,25f) Der stumme Geist, der den Sohn zum nonverbalen Ausdruck seiner Wut in den Anfällen gezwungen hat, fährt aus mit einem lauten Schrei.

      BEZIEHUNGEN KÖNNEN HEILEN

      Man könnte sagen, die Heilung des Jungen bestünde darin, dass er jetzt seine Aggression laut herausschreien kann. Nun kann er seine Wut in Worten und mit seiner Stimme äußern. Doch der Sohn liegt wie tot auf dem Boden. Seine alte Identität, in der er nur anfallsweise seine Wut äußern konnte, ist gleichsam gestorben. Jesus fasst ihn bei der Hand und richtet ihn auf. Markus verwendet hier die gleichen Worte, die die Christen für die Auferweckung und für die Auferstehung verwenden. Jesus weckt den Jungen auf aus seiner stummen Existenz. Und das Kind steht auf, es feiert Auferstehung in ein neues Leben hinein, in ein Leben, in welchem es seine Gefühle offen ausdrücken kann. So kann die BEZIEHUNG zum Vater geheilt werden.

      Jesus verteilt hier keine Schuldgefühle. Er wirft dem Vater nicht vor, dass er an dem Verhalten seines Kindes schuld sei. Jesus sieht die Verwicklungen zwischen den beiden. Die Beziehung war aus irgendeinem Grund so verstrickt, dass der Junge seine aggressiven Gefühle nicht äußern konnte. Und der Vater war blind für das eigentliche Problem des Sohnes. Jesus öffnet ihm die Augen und hilft ihm, an den Sohn zu glauben. Und er lehrt das Kind, dass es seine Gefühle mit Worten ausdrückt. Das ist für Vater und den Sohn wie eine Auferstehung in ein neues Leben, in eine neue Beziehung hinein.

      HERZENSWÜNSCHE

      An vielen Festtagen werden Kinder heute beschenkt. Auf dem inneren To-do-Zettel für engagierte Eltern steht dann auch: »Kinder wünschen sich Zeit mit ihren Eltern.« Also planen Mütter und Väter gemeinsam Events mit den Kindern, verschiedenste Unternehmungen, Urlaube – alles, was einem so einfällt, wenn es um das Wohl der »lieben Kleinen« geht. Das Schönste ist – so das unausgesprochene Ziel vieler, vieler Eltern –, sich in den Augen ihrer glücklichen Kinder zu spiegeln und sich selbst dafür den pädagogischen Oscar am Bande zu verleihen. wenn es schon kein anderer tut. Wenn es da nur eben die Kinder nicht gäbe, die einem ständig einen Strich durch die wohlkalkulierte Rechnung machen.

      Freiheit über alles

      Denn Kinder haben ihre ganz eigenen Wünsche, für sie ist eine glückliche Kindheit kein Geheimnis, es ist vielmehr das Ergebnis stetiger Bemühung auf beiden Seiten. Zum Klatschen, so sagt ein indisches Sprichwort, gehören zwei Hände, die von Vater, Mutter, Oma, Opa und allen am Erziehungsprozess beteiligten Menschen. Es sind dabei auch die Kinder, die ihren Part beitragen. Und die haben ihre eigenen Vorstellungen von dem, was Glück bedeutet. Fragt man sie danach, was für sie denn Glück darstelle, so erhält man geerdete Wünsche zur Antwort.

      Glück, so kann man zusammenfassen, ist demnach kein alltagsfernes Elysium, sondern setzt sich aus vielen kleinen Teilen zusammen. Sie alle haben etwas mit Freiheit zu tun. Hören wir uns einmal einige Mädchen und Jungen dazu an.

      Was Kinder stört

      Er habe KEINE ZEIT ZUM SPIELEN, moniert der sechsjährige Rafael. »Ich muss immer lernen!» Er habe keine Zeit mehr für Freunde, die er nur sehr wenig sehen könne: »Bei uns muss alles schnell gehen!«

      LANGEWEILE IST NICHT ERLAUBT. »Wenn ich mal auf dem Bett liege«, so fährt der gleichaltrige Tim fort, »und meine Mutter das sieht, dann meckert sie. Ob ich denn nichts anderes zu tun habe, als an die Decke zu gucken!«

      »›Du träumst immer nur rum‹, sagt meine Mutter, wenn ich so am Schreibtisch sitze«, erzählt die achtjährige Mia. »Meiner Mama ist es nicht recht, wenn ich mal nichts mache. ›Ist dir schon wieder langweilig?‹ Sie klingt dann völlig genervt und macht immer Vorschläge: ›Tu doch das. Oder das. Oder das!‹ Und dann jammert sie, dass sie nie Zeit für sich hat.«

      Er wäre STÄNDIG UNTER »BEOBACHTUNG« sei, beklagt sich der sechsjährige Max. Kaum wäre er mit seinen Freunden allein im Zimmer und es wäre etwas lauter, ginge sofort die Tür auf und irgendeiner von den Erwachsenen schaut herein und fragt, was denn los wäre. Und ob es nicht leiser ginge. »Meine Eltern schimpfen schon ziemlich schnell, wenn es mal nicht so geht, wie die es wollen.« Er wäre deshalb gerne »bei Oma und Opa! Da kann ich im Garten spielen, kann Ameisen beobachten oder mit den Käfern spielen. Keiner sagt was!« Wenn er das zu Hause mache, müsse er sich zuerst die Hände waschen, »wegen der schmutzigen Erde, sagt meine Mama.« Davon werde man krank. Er lacht. Oma sage das nicht, weil Sand den Magen reinigen würde: »Mama sagt, dass die Oma spinnt. Aber von Omas Sand bin ich noch nie krank geworden. Ehrlich nicht!«

      Sie habe es dagegen wirklich toll, meint

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