Der tiefe Graben. Ezra Klein

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Der tiefe Graben - Ezra Klein

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sich, um den Filibuster zu durchbrechen. Am Ende, schrieb Kabaservice, sei es im Senat genauso ausgegangen wie im Kongress. »Ein größerer Teil der republikanischen Senatoren als der demokratischen stimmte für cloture and passage [das heißt eine Beendigung der Debatte und Verabschiedung des] [Civil Rights Act]: mehr als vier Fünftel der Republikaner, jedoch nur zwei Drittel der Demokraten.«

      Warum also gelten die Demokraten dann als die Partei, die den Civil Rights Act durchgebracht hat? Hier ist die Antwort einfach. Sie hatten die Mehrheit in beiden Kammern inne und stellten außerdem den Präsidenten. Sie entschieden sich, ihre Allianz mit den Dixiekraten aufzukündigen, um nach mehr Gerechtigkeit zu streben. Bill Moyers, der als Assistent für besondere Aufgaben für Johnson tätig war, erinnert sich, wie er den Präsidenten in der Nacht, nachdem er den Civil Rights Act unterzeichnet hatte, grübelnd in seinem Schlafzimmer vorfand. »Ich glaube, wir haben gerade den Süden für eine sehr lange Zeit an die Republikaner ausgeliefert«, habe Johnson gesagt.[15] Johnson, der als Mehrheitsführer im Senat die Blockade der Südstaatendemokraten gegen die Gleichstellung der Rassen erzwungen hatte, sollte am Ende recht behalten. Es brauchte Zeit, die Vormachtstellung der Demokratischen Partei im Süden zu brechen, doch dies war der Moment, in dem sie zu bröckeln begann.

      Also warum wurden nicht die Republikaner zur Partei der Bürgerrechte? Größtenteils, so das Argument von Kabaservice, wegen Barry Goldwater: »Das Ansehen, ja vielleicht sogar der Ruhm, den die Republikanische Partei für ihre Unterstützung des Civil Rights Act 1964 hätte ernten sollen, wurde vollständig zunichtegemacht, als ihr designierter Präsidentschaftskandidat gegen die Maßnahme stimmte.« Und ganz gewiss hat Goldwaters Eintreten gegen die Bürgerrechte einen hohen Preis gefordert. Seine desaströse Wahlkampagne war nur in einer Region des Landes erfolgreich: der alten Konföderation, wo man realisierte, dass es möglich war, den Konservatismus der kleinen Regierungen gegen Versuche der Bundesregierung in Stellung zu bringen, die schlimmen, rassistisch motivierten Verfehlungen Amerikas wiedergutzumachen.

      Dies ist also dann die Geschichte der langen Periode der Depolarisierung in der amerikanischen Politik. Der Süden war in der Demokratischen Partei, stimmte jedoch nicht mit ihr überein, insbesondere von dem Punkt an, als die Vision des Liberalismus von Umverteilung und Verbesserung der Lebensumstände vieler Menschen sich dahingehend erweiterte, dass sie auch Afroamerikaner einschloss. Also hatten die südlichen Demokraten ideologische Gründe, Kompromisse mit Republikanern einzugehen, aber politische Gründe, Kompromisse mit den nationalen Demokraten einzugehen. Die Macht des Südens sorgte dafür, dass die Demokratische Partei weniger liberal blieb, als sie unter anderen Umständen geworden wäre, und die Republikanische Partei im Kongress schwächer, als sie unter anderen Umständen gewesen wäre, und hinderte die beiden Parteien daran, sich entlang der Ränder der tiefsten politischen Kluft dieser Zeit zu sortieren.

      Hier werden Macht und Zweck des Ticketsplitting in Zeiten gemischter Parteien deutlich. Südliche Demokraten konnten einen Republikaner als Präsidenten wählen und gleichzeitig konservative Dixiekraten in den Kongress und als Gouverneure. Es ist nicht so, dass die amerikanische Politik nicht von einem scharfen, sogar mitunter gewaltsam ausgetragenen Dissens zerrissen worden wäre; es ist einfach so, dass diese Kämpfe sich nicht klar und eindeutig bestimmten Parteien zuordnen ließen.

      Das konnte nicht lange so weitergehen und tat es auch nicht. Die Hinwendung der Demokratischen Partei zu den Bürgerrechten und die Entscheidung der Republikanischen Partei, sich hinter einem Fahnenträger zu versammeln, der dem Gesetz ablehnend gegenüberstand, machte den Weg für südliche Konservative in die Republikanische Partei frei. Und dies bereitete die Bühne für alles, was darauf folgte.

      Polarisierung ist nicht Extremismus, sondern Sortierung

      Bevor wir zu dem kommen, was alles darauf folgte, möchte ich ein Wort darüber sagen, was Polarisierung ist und was nicht. Unter Politikwissenschaftlern gibt es schon seit langer Zeit eine Debatte, ob die USA sich polarisieren oder einfach nur sortieren. Darüber hinaus wird auch schon länger ein öffentlicher Diskurs geführt, in dem die Begriffe »polarisiert« oder »parteilich« als Synonyme für »extrem« benutzt werden. Um der Klarheit willen möchte ich beides ansprechen.

      Lassen Sie uns mit Polarisierung versus Sortierung beginnen und als Beispiel den Umgang mit Cannabis benutzen. Stellen Sie sich ein Amerika vor, das von genau 100 Personen bewohnt wird, von denen 40 Cannabis verboten sehen wollen, 40 Cannabis legalisiert sehen wollen und 20 nicht sicher sind. Finden sich in der Demokratischen und der Republikanischen Partei jeweils dieselbe Anzahl von Mitgliedern aus jeder Gruppe wieder, dann ist Amerika vollkommen unsortiert.

      Nun stellen Sie sich vor, dass alle, die Cannabis legalisiert sehen wollen, in die Demokratische Partei gehen, alle, die Cannabis verboten sehen wollen, in die Republikanische Partei und die unentschiedenen Wähler sich zu gleichen Teilen auf beide Parteien aufspalten. Nun sind die Parteien perfekt sortiert, aber – und das ist der entscheidende Punkt – niemandes Meinung hat sich eigentlich verändert. Es gibt in beiden Beispielen immer noch denselben Mix von Überzeugungen im Hinblick auf Gras. Nur dass sich im zweiten Beispiel diese Überzeugungen nach Parteien sortiert haben.

      Das also ist Sortierung. Nun lassen Sie uns das Beispiel noch einmal nachjustieren. Stellen Sie sich vor, die Unentschlossenen bilden sich eine Meinung. Jetzt wollen 50 Amerikaner Cannabis legalisieren, und 50 wollen es verbieten. Das ist Polarisierung: Es ändern sich die Meinungen selbst und docken an zwei Pole an. In der Mitte ist niemand mehr.

      Hans Noel, Politikwissenschaftler an der Georgetown University, zufolge ist Sortierung lediglich eine Subkategorie von Polarisierung.[16] Praktisch gesehen, so schreibt er, hätten beide »zur Folge, dass sich die Spannung zwischen den beiden Enden des Spektrums erhöht«, genau das also, was mit dem Begriff Polarisierung beschrieben werden soll.

      Ich stimme Noel zu, gehe aber noch einen Schritt weiter. Die Debatte Polarisierung versus Sortierung ist besser zu verstehen, indem man themenbasierte Polarisierung und identitätsbasierte Polarisierung gegenüberstellt. Beide Cannabis-Beispiele zeigen, wie sich Menschen um einen Pol herum zusammenfinden. Nur dass in dem einen Beispiel die Pole, um die sie sich scharen, ihre politischen Überzeugungen widerspiegeln und im anderen ihre politischen Identitäten.

      Im Grunde ist es so, dass sich diese Formen der Polarisierung wechselseitig verstärken. Themenbasierte Polarisierung führt zu einer Polarisierung der politischen Identitäten: Herrscht eine stärker ausgeprägte Uneinigkeit in Bezug auf die Cannabis-Politik, dann werden sich die Menschen von ihren politischen Repräsentanten wünschen, für ihre Überzeugungen zu kämpfen, was dazu führen wird, dass die Parteien sich ebenfalls um dieses Thema herum polarisieren.

      Nun könnten Sie argumentieren, dass dies genau das gewesen sei, was im oben genannten Beispiel passierte, als die intensive Polarisierung in Bezug auf das Thema Bürgerrechte die Polarisierung der Parteien im Hinblick auf dieses Thema antrieb. Die Goldwater-Kampagne war der Versuch, die politische Gelegenheit beim Schopf zu packen, indem man wütenden, radikalen Konservativen eine Heimat bot, was letztlich dazu führte, dass sich jene radikalen Konservativen in der Republikanischen Partei konzentrierten und umgekehrt.

      Natürlich stimmt auch das Gegenteil: Wenn Menschen ihre Meinungsverschiedenheiten nach Parteien sortieren, kann das dazu führen, dass sich diese Meinungsverschiedenheiten vertiefen. Wenn Menschen sich in zwei Parteien sortieren, und zwar entlang der Achse der ihrer Meinung nach idealen Marihuana-Politik, dann werden diese beiden Parteien zunehmend klarere Positionen in dieser Frage anbieten, und die Unentschiedenen werden dazu gedrängt werden, eine Entscheidung zu treffen, wodurch sie die im Lande herrschenden Meinungen zu Cannabis weiter polarisieren.

      Polarisierung erzeugt Polarisierung. Doch sie bringt keinen Extremismus hervor. Wir nehmen häufig an, dass Wähler und politische Systeme, die sich auf halbem Wege entgegenkommen, weniger extrem sind als die, die dies nicht tun, doch dieses Konzept erweist sich bei genauerer Betrachtung als inkohärent.

      1965

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