Blutdorf. Rolf Eversheim
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»Meine Oma sagte immer: Alles kann man sauber machen, nur nicht einen schmutzigen Mund. «
»Kluge Frau, deine Oma. Normalerweise würde ich dir einen Tee oder Kaffee anbieten, aber heute nichts normal.« Julia Scheffer zog an einer Schublade und beförderte eine Flasche ohne Etikett und mit einem Schraubverschluss zu Tage, der man ansah, dass sie schon lange unbeachtet dort gelegen hatte. »Den habe ich von einem Kollegen bekommen, der ihn selber ansetzt. Wenn du mal so einen richtigen Scheißtag hast, hat er gesagt.« Sie stellte jedem ein Wasserglas hin und füllte sie halb. Dann nickte sie Mülenberk kurz zu und trank das Gebräu in einem Zug weg.
Mülenberk tat es ihr gleich – und bereute es sofort. Das Zeug fraß sich wie Säure durch seinen Körper, bis es im Magen angekommen war. Er schüttelte sich und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.
Der Schäferin war nichts anzumerken. Im Gegenteil. Sie füllte die Gläser gleich nach. »Du brauchst zwei davon, direkt hintereinander, hat er gesagt. Aber nie mehr als zwei.« Dann kippte sie auch den zweiten kommentar- und reaktionslos weg. »Nun mach schon. Wird gut, sag ich dir.«
Hoffentlich, dachte Mülenberk, hoffentlich. Dann trank er das Glas in einem Zug leer. Verwundert sah er auf. Kein Brennen. Keine Säure. Stattdessen ein Gefühl von Wärme und Wohlbehagen, das sich vom Bauch aus in wohligen Wellen über den ganzen Körper ausbreitete.
Julia schien es ähnlich zu gehen. »Altes Schäfergeheimnis. Wird immer nur vom Vater auf den Sohn weitergegeben. Kein anderer kennt das Rezept. Bis auf einen Priester, der es sicherheitshalber unter Verschluss hält.«
Wie beim Underberg, dachte Mülenberk und verkniff sich jeden Kommentar.
Julia schraubte die Flasche zu und verstaute sie wieder in der Schublade. Sie versuchte, sich gegen die Tränen zu wehren, doch der Schäfertrunk brach ihren Willen. Erst kamen nur wenige Tränen, dann immer mehr. Julia weinte und schüttelte sich herzzerreißend. Mülenberk konnte nicht anders, als sie in den Arm zu nehmen. Sie klammerte sich an den ihr Fremden und legte ihren Kopf auf seine Brust.
Als er ihr eine Zeit lang über die Haare gestrichen und dabei sanft in den Nacken gepustet hatte, beruhigte sie sich langsam und löste sich von ihm. Wortlos nahm sie die Flasche aus der Schublade und füllte sich ihr Glas erneut. Sie hielt Mülenberk die Flasche fragend hin, doch der schüttelte kaum merklich den Kopf.
Mit zitternden Händen umfasste sie ihr Glas, führte es an ihren Mund, setzte es ab, nahm es wieder, brüllte »Scheiße! Scheiße! Scheiße!« und stürzte den Schnaps in sich hinein.
Mülenberk hatte keinen Versuch unternommen, sie daran zu hindern. Nie mehr als zwei. Dann waren es jetzt eben drei. Sie schienen nötig zu sein.
Die Worte kamen leise aus ihr heraus, tonlos, gelassen, wie man das Gleichgültigste berichtet: »Die Schweine haben Benno aufgefressen. Nachdem ein noch viel größeres Schwein ihn umgebracht hat. Warum ausgerechnet Benno? Meinen geliebten Benno?«
Mülenberk konnte keine Antwort geben und er stellte auch keine Fragen mehr. Jedenfalls war ihm jetzt klar, dass die Schäferin und Benno ein Liebespaar waren. Ob dies auch ein richtiger Ansatz für die Ermittlungen war, würde sich zeigen.
14. Kapitel
In zwanzig Jahren hatte es niemand für nötig befunden, die knarrenden Scharniere der Kirchentüre zu schmieren. Das hätte es bei ihnen nicht gegeben. Damals jedenfalls nicht, als ihr Mann noch das Sagen hatte. Heute waren andere Zeiten. Nichts war mehr wie früher. Sie hatte den Eindruck, dass alles vor die Hunde ging, als hätte der Alte es geahnt und sich in das Sterben geflüchtet. Leicht hat er es sich gemacht, dachte sie wütend. Und ich muss das hier alles noch erleben. Die schmerzende Seele brauchte ein Ventil und außer Pfarrer Lambrecht traute sie niemandem. Im Dorf schon dreimal nicht. Sie schloss die Tür hinter sich und ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit im Inneren der kleinen Kirche. Sie tauchte ihre Finger ins Weihwasserbecken, kniete und bekreuzigte sich dreimal. Dann zündete sie vor der Pieta, der schmerzensreichen Mutter Gottes, fünf Kerzen an: eine für ihren verstorbenen Mann, vier für die Söhne.
Sie setzte sich in eine Bank und betete. Die Kerzen brachten ein wenig Licht ins Dunkel. Sie betrachtete den Beichtstuhl. Irgendetwas kam ihr merkwürdig vor. War da nicht die Tür des Beichtstuhls offen und der Vorhang hing heraus? Das passte nicht zum alten Pfarrer Lambrecht. »Pfarrer Lambrecht?«, hörte sie sich sagen, erschrocken darüber, wie laut ihr Flüstern sich in der Stille ausbreitete. »Sind Sie da, Pfarrer Lambrecht?«
Als niemand antwortete, ging sie mit kleinen leisen Schritten zum Beichtstuhl. »Pfarrer Lambrecht?«, flüsterte sie erneut und klopfte an den Beichtstuhl. Alles blieb still. In der Dunkelheit konnte sie nur wenig erkennen.
Sie ging zurück zur Pieta und holte sich eine Kerze, die sie, durch die Hand geschützt, sorgfältig vor sich hertrug.
Als sie im Schein der Kerze den Vorhang zurückzog, entfuhr ihr ein lauter Schrei. Pfarrer Lambrecht war für immer zum Schweigen gebracht worden. Sie ließ die Kerze fallen und rannte zur Tür. Hinaus, nur fort von hier. Zum ersten Mal in ihrem Leben verließ sie das Haus Gottes, ohne sich mit Weihwasser zu bekreuzigen. Es war ein Haus des Teufels geworden.
Draußen rückte sie ihre Kleider und Haare zurecht. Niemand brauchte ihr anzumerken, dass sie das Ungeheuerliche mit eigenen Augen gesehen hatte. Wer sie nicht gut kannte, dem wäre nicht aufgefallen, mit welch schnellen Schritten, die ihr niemand mehr zugetraut hätte, sie das Dorf verließ.
Kassiopeia sah es sehr wohl. Und sie ahnte, dass dies kein gutes Omen war.
15. Kapitel
In Sachen Wölfe war Mülenberks Besuch bei Anna mehr als unergiebig gewesen. Dafür wusste er jetzt, wieso der Polizeibeamte, der bestimmt kein Weichei war, kotzend aus dem Gehölz gekrochen kam, und malte sich den von Wildschweinen zerfressenen menschlichen Körper in den düstersten Farben aus. Er hatte oft genug morgens Rehe nachsuchen müssen, die in der Dunkelheit vom Auto erfasst worden waren. Dann musste die Polizei von Remagen nach Dedenbach kurven, den Unfall aufnehmen und eine Wildunfallbestätigung für die Versicherung ausstellen. Wenn es noch nicht zu spät am Abend war, riefen sie ihn noch am selben Tag an, sonst gnädigerweise am nächsten Morgen. Seine Aufgabe war es, danach zu schauen, ob das Reh tot oder verletzt war und womöglich mit einem Fangschuss von seinem Leiden erlöst werden musste.
Für diese Arbeit brauchte er einen speziell dafür ausgebildeten Jagdhund. Da er sein Nomadenleben keinem Hund zumuten wollte, aber gesetzlich als Revierpächter verpflichtet war, einen brauchbaren Jagdhund zu führen, teilte er sich mit seinem Freund und Jagdnachbarn Karsten Schober, dem Jagdpächter des Dorfes, einen fertig ausgebildeten und geprüften Jagdhund. Die Frage, welcher Hund es denn sein sollte, hatte die Freundschaft der beiden auf eine harte Probe gestellt und das gemeinsame Projekt um Haaresbreite scheitern lassen. Gegensätzlicher hätten die Meinungen auch kaum auseinandergehen können: Deutsch Drahthaar versus Dackel.
»Typisch für dich, Roman«, hatte Schober gepoltert, »der deutsche Jäger und sein Dackel gehören zusammen wie Weißwurst und Sauerkraut. Was soll ich mit so einer Trethupe anfangen? Ich möchte einen Hund, den man auch als solchen wahrnimmt, und nicht so eine Witzfigur auf vier Beinen!«
»Ja, und du brauchst, um deinen kleinen Schniedel zu kompensieren, so einen Rüpel von Hund neben dir«, hatte sich Mülenberk nicht lumpen lassen.
Ein