Blutdorf. Rolf Eversheim
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Fröhlich überwand sich und schaute sich den Toten so lange an, bis er glaubte, genug für die Ermittlungen gesehen zu haben. Dann ließ er Westenhoff mit einem vernichtenden Blick wissen, was er davon hielt, diesen Fall in der idyllischen Eifel unter der Kategorie gesunde Landluft zu verbuchen.
Westenhoff schaute betreten auf seine blank geputzten Schuhe. Es schien wirklich eine ziemlich bescheuerte Idee von ihm gewesen zu sein, den Fall aus reiner Freude an der Eifel und absolut ohne Not in ihre Zuständigkeit gezogen zu haben. Als er die Kollegen von der Spurensicherung fragte, ob sie am Fundort etwas Verwertbares gefunden hatten, trafen ihn ebenfalls vernichtende Blicke. Das konnte ja heiter werden.
Fröhlich hatte sich inzwischen von Gerhard Teufel den Personalausweis geben lassen und las laut vor: »Benno Meier, dreiundzwanzig Jahre, wohnhaft in Bonn. Geburtsort Bad Neuenahr-Ahrweiler. Kennen Sie diesen Benno Meier, Herr Teufel?«
»Kennen ist zu viel gesagt«, antwortete Teufel, »ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es sich um einen Sohn vom Meier-Hof handelt, ganz in der Nähe hier. Die haben vier Söhne. Die Familie gilt hier in der Gegend als sehr speziell. Die Rede ist immer nur von der Meierei.«
»Das heißt was?« Fröhlich schwante nichts Gutes.
»Es sind keine wirklich üblen Kerle, denke ich, aber eben sehr speziell. Fahren Sie hin und sehen sie selbst. Der Hof liegt am Rand vom Dorf. Vielleicht ist es ja auch gar nicht Benno, sondern nur sein Personalausweis. Woran soll man ihn auch erkennen? Hat es ja alles schon gegeben.«
»Kein Zweifel, wir sind in der Eifel«, brummte Fröhlich.
13. Kapitel
Mit langsamen Schritten bewegte sich Mülenberk auf die Schafherde zu. Die Hütehunde, die ihn rechts und links begleiteten, seit er sich der Herde auf zweihundert Meter genähert hatte, verunsicherten ihn, auch wenn sie eher einen neugierigen als aggressiven Eindruck machten, aber sicher war er sich eben nicht. Vorsichtshalber sprach er seinen beiden Begleitern freundlich zu, während er, nach der Schäferin Ausschau haltend, achtsam weiterging.
Ein kurzer Pfiff befreite ihn aus der für ihn schwer einzuschätzenden Lage. Die Hunde rannten los, um sich wieder um ihre Schafe zu kümmern, und wie aus dem Nichts stand Julia Scheffer vor ihm und taxierte ihn mit einem misstrauischen Blick. Ihr war nicht nur an den blutunterlaufenen Augen deutlich anzusehen, dass sie unter höchster emotionaler Anspannung stand.
»Es tut mir leid, ich komme besser ein andermal wieder, wenn es eher passt.« Mülenberk war klar, dass er in dieser Situation alles andere als willkommen war. »Sie sind sicher sehr von den Geschehnissen mitgenommen«, bemühte er sich um eine Entschuldigung.
Julia Scheffer sah Mülenberk lange mit ausdruckslosem Gesicht an. »Geschehnisse«, wiederholte sie schließlich, »Sie nennen das, was passiert ist, Geschehnisse? Sie haben ja keine Ahnung.«
»Hören Sie, es tut mir schrecklich leid, ich hätte nicht herkommen sollen. Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was los ist.«
»Das haben Sie wirklich nicht«, sagte Julia Scheffer tonlos, »das haben Sie wirklich nicht.«
Mülenberk wandte sich zum Gehen. Jedes weitere Wort schien ihm fehl am Platze zu sein.
»Warten Sie!«, rief die Schäferin ihm hinterher. »Was wollen Sie eigentlich von mir? Sind Sie so ein mieser Schreiberling von der Presse, der den Polizeifunk abgehört hat und mich jetzt für seine Story befragen möchte?«
»Nein«, erwiderte Mülenberk leise, aber bestimmt, »es stimmt, fragen wollte ich Sie etwas. Ich bin aber weder von der Presse noch habe ich das geringste Interesse daran, etwas über Sie zu schreiben. Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Es tut mir leid, dass ich Sie zu einem gänzlich unpassenden Zeitpunkt aufgesucht habe. Bitte entschuldigen Sie.«
»Ist schon gut.« Julia Scheffer schnäuzte sich die Nase. »Und weshalb sind Sie dann hier? Wenn Sie schon einmal hier sind …« Sie sah ihn auffordernd an.
Unentschlossen wiegte Mülenberk mit dem Kopf hin und her. Was sollte schon passieren? Sie konnten beide das Gespräch, das ja an sich noch gar nicht begonnen hatte, immer noch abbrechen. »Kassiopeia meinte, Sie könnten mir etwas über den Wolf sagen«, begann er vorsichtig.
»So! Meinte Kassiopeia das?«
»Ja, sie sagte: Wenn du etwas mehr über die Wölfe hier in der Gegend wissen möchtest, frag’ die Schäferin. Deshalb bin ich hier.«
»Kommen Sie mit«, forderte sie Mülenberk knapp auf. »Wie heißen Sie eigentlich?«
»Roman Mülenberk.«
»Julia Scheffer. Sag Julia.«
»Danke. Roman.« Mülenberk passte sich der Kurzsilbigkeit der Schäferin an, die ihn zu einem alten VW Bulli führte, der auch schon bessere Zeiten gekannt hatte.
»Mein Schätzchen«, erklärte Julia, als könne sie seine Gedanken lesen. »Werkstatt. Apotheke. Schlafzimmer. Esszimmer. Und fahren kann er auch. Den gebe ich erst her, wenn er keinen Ton mehr von sich gibt.« Dann setzte sie schulterzuckend hinterher: »Oder wenn ich Geld für einen Neuen habe.«
Sie setzten sich an einen kleinen Tisch im Innenraum.
Mülenberk, selber Wohnmobilist, fühlte sich gleich heimisch. Er war fasziniert von der Ordnung, die hier herrschte. Mit schlechtem Gewissen dachte er an den Saustall in seinem Wohnmobil.
»Den Namen habe ich einmal gehört«, überlegte Julia Scheffer, »die Leute reden manchmal über dich. Bist du nicht ein Jagdpächter hier in der Gegend?«
»Richtig, ich habe die Jagd gleich nebenan in Dedenbach gepachtet. Was reden die Leute denn über mich?« Er war neugierig geworden.
»Jedenfalls nichts, was sie durch die drei Siebe des Sokrates gesiebt haben.«
Mülenberk sah sie fragend an.
»Du scheinst die Geschichte von Sokrates nicht zu kennen«, Julia schmunzelte, »aber Kassiopeia kennst du?«
»Ich habe sie kurz kennengelernt. Kennen tue ich sie nicht wirklich. Wieso?«
»Sie lebt nach den Regeln der drei Siebe. Die Sage geht so: Eines Tages kam ein Mann aufgeregt zu Sokrates und wollte ihm etwas über einen Freund erzählen. Sokrates unterbrach ihn und fragte ihn, ob er die Geschichte durch die drei Siebe gesiebt habe. Da der Mann damit nichts anfangen konnte, erklärte Sokrates es ihm: Lass es uns ausprobieren, schlug Sokrates vor. Das erste Sieb ist das Sieb der Wahrheit. Bist du dir sicher, dass das, was du mir erzählen möchtest, wahr ist? – Nein, ich habe gehört, wie es jemand erzählt hat. – Aha. Aber dann ist es doch sicher durch das zweite Sieb gegangen, das Sieb des Guten? Ist es etwas Gutes, das du über meinen Freund erzählen möchtest? Zögernd antwortete der Mann: Nein, das nicht. Im Gegenteil. – Hm, sagte Sokrates, jetzt bleibt uns nur noch das dritte Sieb. Ist es notwendig, dass du mir erzählst, was dich so aufregt? – Nein, nicht wirklich notwendig, antwortete der Mann. Nun, sagte Sokrates lächelnd, wenn die Geschichte, die du mir erzählen willst, nicht wahr