Helle und der falsche Prophet. Judith Arendt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Helle und der falsche Prophet - Judith Arendt страница 12

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Helle und der falsche Prophet - Judith Arendt

Скачать книгу

und eiskalten Nordsee trieb, nie wieder würde vergessen können.

      Irgendwo in Dänemark

      Er machte sich Sorgen. Um Jemi. Sie saß neben ihm auf dem Beifahrersitz, die Fleecedecke hüllte sie vollkommen ein, die Heizung im Wagen war auf Anschlag gedreht, aber trotz der Hitze klapperte sie mit den Zähnen. Er hatte ihre Stirn gefühlt – heiß. Bestimmt hatte sie Fieber und Schüttelfrost, noch eine weitere Nacht im Freien würde sie nicht gut überstehen, nicht bei diesen Temperaturen. Nick war klar, dass er sich etwas überlegen musste.

      »Glaubst du, sie suchen uns?«, fragte sie ihn.

      »Keine Ahnung. Ja, wahrscheinlich.«

      »Er will bestimmt sein Auto zurück.«

      Nick schwieg. Er wusste, dass es Hiob nicht um das Auto gehen würde. Wenn er sie suchen ließ – und Nick war sich zu hundert Prozent sicher, dass er das tat –, dann weil niemand einfach abhaute. Abtrünnige wurden bestraft, es durfte nicht sein, dass man Hiob den Rücken kehrte. Das Auto war ihm scheißegal, ein alter Pick-up, das juckte ihn nicht.

      Aber Verrat – das ließ die Flamme nicht zu.

      Das sagte Nick Jemi jetzt nicht, auch wenn seine Gedanken genau um diesen Punkt kreisten, seit sie abgehauen waren. Er wollte sie nicht in Unruhe versetzen, es war schon alles verfahren genug.

      Irgendwie war nichts so gelaufen, wie er es geplant hatte. Es sollte doch ganz einfach sein. Nick hatte angenommen, dass es am schwierigsten sein würde, aus dem Königreich zu türmen. Die Wachen zu überwinden, das Auto und Geld zu klauen und all das. Über alles, was danach kam, hatte er sich keine Gedanken gemacht. Hatte geglaubt, dass er mit der schönsten Frau auf der Welt in die Freiheit fahren würde, und hey – wo war da ein Problem?

      Nun, das erste Problem war schon mal diese Tramperin gewesen. Hätten sie sie bloß niemals mitgenommen! Was hatte Jemi sich denn dabei gedacht?

      Er blickte erneut zu ihr hinüber. Ihre hübsche Nasenspitze lugte unter der Decke hervor, eine lange rostrote Haarsträhne fiel auf ihr Knie. Jemi dachte nicht viel nach, wie er in den vergangenen zwei Tagen feststellen durfte. Sie tat einfach, was ihre Gefühle ihr befahlen. Impulsiv und mit einer Heftigkeit, die ihm Furcht einflößte.

      Dieser Streit zwischen ihr und Merle … es war so unnötig gewesen, vollkommen irrwitzig, wegen nichts und wieder nichts. Wegen Wodka! Kein Grund durchzudrehen, aber Jemi hatte rotgesehen und sie beide in Gefahr gebracht, allerdings war sie sich dessen gar nicht bewusst.

      Aber das lag jetzt hinter ihnen, viel drängender waren die Probleme, die vor ihnen lagen.

      Sie hatten kaum Geld.

      Und sie hatten keine Ausweispapiere, sie konnten also das Land nicht verlassen.

      Nick hätte damit klarkommen können, hätte sich durchgeschlagen, er war nicht auf den Kopf gefallen, und vor allem scheute er die Arbeit nicht. Aber Jemi konnte nichts. Sie wusste nichts und sie hatte vor allem Angst. Seit dem Streit mit der Tramperin betete sie wieder, geriet darüber manchmal in Ekstase und sogar in Trance.

      Davor fürchtete sich Nick am allermeisten: dass sie wieder zurückkehren wollte. Ins Königreich, zu Hiob. Dass sie nicht klarkam hier draußen und, noch viel schlimmer: dass sie es gar nicht wollte.

      Ständig fing sie wieder davon an. Dass Hiob recht gehabt hatte mit allem, was er ihnen predigte. Dass die Welt ein Sündenpfuhl war, die Menschen gottlos und den rechten Pfad bereits verlassen hatten.

      Dass sie in einer sündigen Welt lebten, die vergiftet und verseucht war, dass die Apokalypse auf sie niederfahren würde.

      Der ganze verlogene Scheiß, den er sich seit über zehn Jahren anhören musste. All das kam nun aus ihrem Mund.

      Nick setzte den Blinker bei einem Supermarkt und fuhr auf den Parkplatz.

      »Hör mal«, sagte er zu Jemi, »ich geh da jetzt rein und kaufe uns etwas zu essen. Für dich Vitamine, Obst und gesunde Sachen. Du musst auf die Beine kommen.«

      Sie nickte und duckte sich noch tiefer zwischen ihre Knie. Sanft streichelte er ihren Rücken, auf und ab, auf und ab.

      »Du bleibst im Wagen, ja?«

      Jemi nickte stumm und ließ sich zur Seite fallen. Sie kauerte sich auf der Sitzfläche zusammen und zog die Decke nun auch über das Gesicht.

      Nick schloss behutsam die Beifahrertür.

      Das Angebot im Supermarkt überwältigte ihn. Natürlich hatte es große Supermärkte und Einkaufszentren schon früher, in seiner Kindheit, gegeben. Und doch hatte er den Eindruck, dass alles so viel bunter und vielfältiger war als damals. Seine Eltern waren keine Freunde großer Supermarktketten gewesen. Hatten stets von Konsumterror gesprochen und dass die Wirtschaft nichts anderes im Sinn habe, als sie zu manipulieren, sie zu hirntoten Opfern des Kapitalismus zu machen. Wehe, Nick und sein Bruder hatten mal Wünsche geäußert, nach Kaugummi oder Chips. Oder – geradewegs vom Teufel erfunden – Cornflakes!

      Dafür wühlten seine Eltern jetzt mit rissigen Händen in Dänemarks schwerer Erde und klaubten Kartoffeln, dachte Nick mit einem Gefühl tiefster Befriedigung, während er das Supermarktregal entlangschritt, in dem die bunten Tüten mit glänzender Aufschrift wie Genusssoldaten aufgereiht standen. Er nahm eine Tüte aus dem Regal, die besonders feurige Chips mit dem Geschmack Afrikas versprach. Grinsend steckte er sie in seinen Einkaufskorb.

      Er war frei. Und wusste, dass seine Entscheidung abzuhauen richtig gewesen war. Es galt nur, Jemi davon zu überzeugen.

      Während er durch die Regalreihen streifte, hob sich Nicks Laune zusehends. Schließlich legte er seine Einkäufe auf das Band, Orangen und Bananen, Äpfel, jede Menge Knabberkram, Milch, Schokomüsli, Plastikbecher und Teller, Salami, Käse, Butter, geschnittenes Vollkornbrot, mehrere Tafeln Schokolade. Coca-Cola, Dosenbier und stilles Wasser für Jemi. Die junge Mutter, die vor ihm in der Schlange stand, drehte sich zu ihm um und warf einen Blick auf das Plastikgeschirr.

      Nick verstand nicht, warum, zahlte, als er an der Reihe war – mit Bargeld, was in diesen Zeiten offenbar unüblich geworden war, so viel hatte er jetzt schon mitbekommen, alle um ihn herum zahlten mit Karte –, und schlenderte am Kiosk vorbei, wo es Zeitungen und Zigaretten gab. Sein Blick fiel auf die Jyllands Posten, zuerst las er die Schlagzeile, dann sah er das Bild darunter.

      Merle.

      Er musste den Artikel nicht lesen, um zu begreifen, was das bedeutete.

      Nick verließ den Supermarkt so hastig, dass ihm um ein Haar die Einkäufe aus dem Plastikkorb gepurzelt wären, und lief zum Wagen. Er schleuderte den Plastikkorb samt Inhalt hinten auf die Ladefläche, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob die Flaschen zerbrachen oder dass der Korb Eigentum des Supermarktes war, riss die Fahrertür auf und startete.

      Jemi schreckte hoch, sie hatte geschlafen.

      »Wir müssen weg«, gab Nick ihr zu verstehen, die Zähne zusammengebissen.

      Jemi schaute ihn nur an. Er wollte ihr nichts erklären, es hätte nur Streit gegeben, schließlich hatte doch Jemi sie in diese Lage gebracht.

      Nick gab Gas, er wollte weg, so schnell wie möglich weg, aber dann fiel ihm ein, scheiße, was, wenn sie ihn wegen überhöhter Geschwindigkeit

Скачать книгу