Die Breitseite des Lebens. Ingo Irka

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Die Breitseite des Lebens - Ingo Irka

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dennoch. Trotz dieser unliebsamen Möglichkeit, trotz des Unbehagens, das er beim Gedanken an all das verspürte, brach es mit einem Mal aus ihm heraus.

      „Hör mir zu, wenn du mir hoch und heilig versprichst, dass du deine Klappe hältst, dann sage ich dir, was gerade so läuft bei mir.“

      „Als ob dein Leben so interessant wäre, dass es sich lohnen würde, darüber mit anderen zu reden“, gab Tristan sich fast verärgert und öffnete den Eimer für den Plastikmüll. „Du kannst von Glück reden, dass du überhaupt jemanden hast dem du deinen Kram andrehen kannst. Und außerdem, mein Freund“, er zeigte auf den Mistkübel, „kannst du deine Schuhe gleich mit meinem Becher mitentsorgen. Du bist nämlich in Hundescheiße getreten. Daran besteht kein Zweifel. Der bestialische Gestank, der von deinen Sneakers ausgeht und die braunen Spuren hier am Fliesenboden bezeugen es.“

      Er sah ihn angeekelt dabei an und hielt sich die Nase zu.

      „Ja, ja“, wiegelte Edgar verlegen ab, ehe er ein Stück weit zurücktrat, „ich bin da draußen wahrscheinlich irgendwo hineingetreten. Ich werde es dann auch gleich abwaschen. Aber das ist momentan meine geringste Sorge.“

      „Na, das glaube ich dir aufs Wort. Wer freiwillig mit Kacke an den Schuhen herumläuft, der hat wirklich ganz andere Probleme“, entgegnete Tristan zynisch. „Also, was gibt es?“

      „Tristan, ich habe einfach genug“, hielt es ihn nun nicht mehr länger. „Ich habe heute Morgen beschlossen auf eine Kontaktanzeige in der Zeitung zu antworten. Und zwar mit dem festen Willen mich im Erfolgsfall sogar mit der Person zu treffen. Ich weiß zwar nicht, ob sie Interesse an mir hat. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass sie sich bei mir melden wird.“

      Die erste zentnerschwere Last fiel von seinen Schultern. Es war gesagt. Und mit jedem Wort fühlte er sich mehr und mehr erleichtert. Jetzt hielt ihn nichts mehr.

      „Sie ist ein bisschen jünger als ich und wohnt ganz in der Nähe. Und glaub mir, sie sieht echt gut aus in diesem roten Kleid“, sprudelte es nur so aus ihm heraus. „Sie hat auch die gleichen Interessen. Ich habe ihre Annonce gelesen und ihr ohne zu Zögern geantwortet. Das bedeutet doch etwas, oder? Ich habe ihr zwar ein grundlegendes Detail verheimlicht, nämlich dass ich verheiratet bin, aber das tut eigentlich nichts zur Sache. Was zählt, ist, dass es mir beim Schreiben beinahe egal war, ob Lydia oder die Kinder es mitbekommen hätten.“

      Tristans Mund stand weit offen. Ungläubig sah er Edgar an:

      „Bist du irre, Mann? Was redest du da für einen Müll?“

      „Das ist kein Müll, das ist das Resultat der letzten drei Jahre Ehe. Die waren Müll. Doch sogar auf einem Scheißhaufen können Blumen wachsen. Das sagst du doch selbst immer. Wieso also nicht auf meinem Haufen?“, rechtfertigte er sich energisch. „Es geht mit Lydia so einfach nicht mehr weiter. Ich bin sogar schon so weit auf die Kinder zu verzichten und zu einem dieser Weekend Daddys zu mutieren. Doch dass mir das mit dieser Anzeige nun passiert ist, das scheint wie höhere Gewalt. Vielleicht ist es meine Chance eine letzte Wende in meinem Leben hinzulegen und alles viel entspannter zu betrachten.“

      „Sag mal, du redest ja, als wärst du mit dieser Annoncenperson bereits jahrelang zusammen und ihr stündet kurz vor der Hochzeit. Sie hat dir doch noch nicht einmal geantwortet, geschweige denn, dich um ein einziges Treffen gebeten, du Vollpfosten!“, hallte es durch den Gang.

      Tristan konnte nicht glauben, was er da hörte. Dass die Gedanken seines Freundes so kurz griffen, hätte er nicht erwartet. Nicht von ihm.

      „Du setzt eure langjährige Ehe aufs Spiel wegen einem Hirngespinst aus einer Zeitung? Wie kaputt muss man überhaupt sein, dass man sich in ein Foto verliebt? Du bist ja schon wie Christopher aus dem Verkauf. Der denkt auch, dass die Nutten am Pfarrplatz in ihn verliebt sind, nur weil die eine oder andere ihn bereits beim Vornamen anspricht. Kunststück, wenn man seit mehr als zwei Jahren seine Kohle dort verprasst. Und du“, Tristan visierte ihn scharf an, „du bist noch eine Spur dämlicher als dieser Typ. Du willst ja scheinbar ganz hochoffiziell mit Bomben und Granaten deine Ehe zerstören.“

      „Wenn du deinen verdammten Mund hältst“, entgegnete Edgar forsch, „dann wird Lydia mit Sicherheit nichts erfahren. Ich habe nicht vor alles an die große Glocke zu hängen. Du bist der Einzige, den ich bei der ganzen Sache ins Vertrauen gezogen habe. Und wer weiß“, er biss sich etwas wegstehende Haut von den Lippen, „vielleicht schreibt sie ja wirklich gar nicht zurück. Dann wäre die Geschichte ohnedies vom Tisch und im Grunde genommen wäre nie etwas passiert. Also heißt es vorerst nur abzuwarten und die Klappe zu halten.“

      Er warf seinem Kollegen einen mahnenden Blick zu. Dann trank er seinen Becher leer.

      „Wie heißt sie denn eigentlich, deine große Zeitungsliebe?“, fragte Tristan noch spöttisch nach.

      „Romana heißt sie. Romana mit dem roten Kleid.“

      Tristan lachte höhnisch auf.

      „Romana mit dem roten Kleid und Edgar, der Stinkstiefel. Na, wenn das sich nicht nach einem Traumpaar anhört, dann weiß ich auch nicht weiter.“

      Er streckte seinen Daumen nach oben und erwiderte Edgars strengen Blick.

      „Geh dir lieber deine Schuhe waschen, du billiger Casanova, bevor du dir den nächsten Scheiß eintrittst.“

      Dann drehte er sich kopfschüttelnd um und ließ Edgar einfach stehen.

      BERICHT 3

       Montag, 3. Juli, 9: 35 Uhr

       Wer die Wahl hat, hat die Qual

      „Fuck, hast du vielleicht mein blaukariertes Hemd gesehen? Du weißt schon, das Boss Hemd, das ich von meiner Schwester zum Geburtstag geschenkt bekommen habe.“

      Ralph klang verärgert. Er war ohnehin bereits viel zu spät dran und jetzt kostete ihn die Suche nach einem dämlichen Kleidungsstück noch mehr kostbare Zeit.

      „Ich habe es doch gestern im Schlafzimmer aufgehängt und jetzt ist es wie vom Erdboden verschwunden.“

      „Sieh doch mal in der Schmutzwäsche oder in der Waschmaschine nach“, drang eine weibliche Stimme aus dem Wohnzimmer an sein Ohr. „Vielleicht habe ich es irrtümlich dorthin geräumt.“

      Ralph setzte sich in Bewegung und kramte in der Wäschebox herum. Nichts. Nur ein paar stinkende Socken und ein rotes Kleid. Keine Spur von seinem Hemd. Dann blickte er kurz in das Bullauge der Waschmaschine, die sich gerade im Vollwaschgang zu drehen begann.

      „Bullshit, Simone!“, schrie er hörbar genervt vom Badezimmer aus, „wieso dreht mein Hemd in der beschissenen Maschine seine Runden? Ich habe doch gesagt, dass ich es heute für mein Vorstellungsgespräch brauche. Soll ich etwa oberkörperfrei dort auftauchen und mit meinen Brustmuskeln den Job an Land ziehen?“

      „Du tust ja gerade so, als hättest du sonst nichts anzuziehen“, kam die prompte Antwort aus dem Wohnzimmer zurück. „Vielleicht solltest du in meinem roten Kleid dort auftauchen, um den nötigen Eindruck zu schinden. Bei mir jedenfalls hat es seine Wirkung nicht verfehlt, wenn ich mir die Antworten auf meine Annonce so ansehe. Alleine in den letzten zehn Minuten habe ich etwa zwanzig neue Mails bekommen. Alles potenzielle Verehrer, die sich unbedingt mit mir treffen möchten. Ich habe dir doch gesagt, dass sich der Weg über die Zeitung bezahlt machen wird. Hier, hör dir doch nur einmal diesen Typen an.“

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