LANDEBAHN. Stefan Gross

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LANDEBAHN - Stefan Gross

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nach unserem schönen Abend gestern. Ich habe es vergessen, warum es da, da, da und da auch nicht ging und wir nur Spaß hatten, aber jetzt kapier ich’s endlich. Du hast keine Lust drauf. Du willst kein Kind.« Sie musterte kühl mein schlaffes Glied, als spreche sie mit ihm. Ich errötete. Sie hatte unmissverständlich Recht. Mein Schwanz verstand das. Er kapitulierte vor ihrer völligen Hingabe und Erwartung. Er wurde zur Schnecke anstatt zum Tiger, der aus purem Vergnügen Schmetterlingen hinterherjagt und dabei sogar in den See springt. Ich konnte nicht genießen, wie meine Frau so dahinschmolz. Ich brauchte ihren straffen Körper und ihren wachen Geist, den festen Griff ihrer Hände, ihre geschickte Zunge, ihre rauchige Stimme, die pornografische Phantasien in die Arena hauchte. Ich brauchte das alles, um mich an ihr abreagieren zu können. Ich brauchte ihren Widerstand.

      Draußen ließ die Sonne keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass es Anfang Juli war. Ihr grelles Licht schlug die Schatten der Jalousielamellen wie Gefängnisgitterstäbe auf das Bettzeug. Eigentlich das perfekte Set für heftigen, schweißtreibenden Sex, aber ich sagte ziemlich deprimiert: »Lass uns aufstehen, einen Cappuccino trinken und dann sehen wir weiter.« Alice war brüskiert. Sie stand mit einem heftigen Schwung auf, baute sich vorm Bett auf, stemmte die Arme in die Hüfte und rang um Fassung.

      »Na schön, Carl, mein seltsamer, verstörter, eigenartiger Mann. Du kannst mich nicht lieben, wenn es drauf ankommt. Vielleicht fehlt dir etwas an mir, was ich dir nicht geben kann. Aber ich habe das Gefühl, niemand wird dir das jemals geben können, wonach du suchst: Halt im Leben. Vielleicht war es ein Fehler, darauf zu vertrauen, dass du in meiner Familie Heimat findest. Ja, du genießt es, nächtelang mit meinen Brüdern und ihren Kumpels zu pokern und vielleicht hast du mich geheiratet, weil du eigentlich meine Familie heiraten wolltest. Aber jetzt fehlt dir plötzlich die Lust, mit mir eine eigene zu zeugen. Ja, ich will eine eigene glückliche Familie mit dir und ertrage dafür sogar Richards dauernde Übergriffe in unser Privatleben. Er spendiert dir freie Tage, wenn es gerade passt. Er diktiert dir Wochenendeinsätze, wie es ihm beliebt. Er ruft dich hier um Mitternacht und in aller Herrgottsfrühe an und drängt sich mir mit seinen albernen Grüßen auf, die du natürlich immer brav ausrichtest. Aber Carl: Er hat weder vor dir noch vor mir wirklich Respekt. Flieg einfach nicht. Bleib hier. Ruf ihn an, sag ihm, dass du nicht geimpft bist, ach was, dass du krank bist, Fieber hast, Ruhe brauchst. Man kann nicht nach Indien fahren, wenn man Fieber hat und nicht geimpft ist. Sie lassen dich gar nicht einreisen. Man kann sich alles Mögliche holen. Gelbsucht, Typhus, Malaria, Tollwut.« Alice brach ihre Ansprache unvermittelt ab. Sie wirkte plötzlich hilflos, erschöpft und frustriert, als hätte sie mitten in der Blüte einen gemeinen, späten Frost abbekommen. Dazu hatte ich tatsächlich etwas Fieber und nahm seit über einer Woche Ibuprofen, wenn ich sie nicht gerade vergaß. Aber wegen eines leichten Fiebers konnte ich mich nicht von meinem Auftrag zurückziehen.

      »Ich bin geimpft, Alice. Ich kann aus jeder Pfütze trinken und das weißt du auch. Es gibt Dinge, die eben erledigt werden müssen, auch wenn man überhaupt keine Lust dazu hat.«

      Alice gab ein dumpfes Geräusch von sich, als würde sie sich vor einem widerwärtigen Tier ekeln, aber gemeint war ich.

      »Hör auf, dich selbst zu belügen. Du bist auf der Flucht vor dir selbst, Carl. Ja, dein Leben ist ganz wunderbar okay, einerseits. Du hast einen super Job, eine super Frau und die will eine super Familie mit dir. Aber andererseits ist dein Leben überhaupt nicht okay. Dein Chef sagt dir, wo es für dich lang geht, du hast keine Freunde, bis auf solche, die du nie triffst. Und dir vergeht die Lust beim Anblick deiner Frau, wenn sie ein Kind mit dir zeugen will. Ich liebe dich, Carl, aber ich denke, du musst da was mit dir selbst klären, wobei ich dir nicht helfen kann.« Sie ging zur Tür und nahm den Griff in die Hand. »Ich fahre zu meiner Familie«, sagte sie weich und überhaupt nicht mehr wütend und ich hoffte, sie würde es sich noch anders überlegen, aber die Verwundung überwog. »Vergiss deinen Impfpass nicht!«, zischte sie, im Türrahmen stehend, und verschwand hinter der Tür, die sie zuknallte.

      Ich spürte jetzt ein anderes, sehr körperliches Problem. Der Stau in meinen Samenleitern schmerzte wie ein Krampf. Sie waren vollgepumpt mit Sperma. Das hatte also bestens funktioniert, nur die Entladung nicht, der Höhepunkt, die Übergabe, die Veräußerung, das Geschenk. Ich musste den Druck loswerden. Ich stellte mir Alice vor, wie sie dalag mit gespreizten Beinen und selbstvergessen leise vor sich hin stöhnte. Das war krass. Ich wollte die Szene nochmal durchspielen in der Hoffnung, es dieses Mal zu schaffen, als Probe für den nächsten, besseren Auftritt. Aber selbst das gelang mir nicht. Die Vorstellung, wie sie in gewisser Weise bewusstlos vor mir lag und auf ihre Empfängnis wartete, brachte mich runter, beziehungsweise gar nicht erst hoch.

      Im Bad ging die Dusche an. Alice duschte sich meine Berührungen von der Haut. Vielleicht ging es ihr ähnlich wie mir und sie besorgte es sich gerade mit dem Duschkopf. Diese Vorstellung passte. Der harte Wasserstrahl, den man einstellen konnte, der verchromte Duschkopf, die vielen kleinen, mit Gumminoppen eingefassten Düsen, der Dampf, die Wärme. Ich brauchte nicht lange. Ich nahm das Handtuch, das am Kopfende lag, es lag auch heute dort, wie immer, wenn wir hier Sex hatten und wischte mich damit ab. Dann erhob ich mich träge, streifte den Bademantel über, ging die Treppe runter in die Küche, nahm mir ein Bier aus dem Kühlschrank und trank es gierig leer. Die Wirkung setzte sofort ein. Benommen schaute ich mich um und mein Blick fiel auf die Terrasse. Dort hatten wir heute Abend sitzen, Shrimps grillen und Wein trinken wollen, aber die Hoffnung, dass Alice ihren Plan noch änderte, schwand mit jeder Minute, die sie nicht hier erschien. Ich ging zur Treppe und lauschte. Sie duschte immer noch.

      Ich holte mir noch ein Bier, ging auf die Terrasse und blinzelte in die Sonne. Die Häuser auf der anderen Straßenseite schlugen kantige Schatten. Eine Amsel saß in der Dachrinne und trällerte Kadenzen.

      Endlich kam Alice. Sie ratterte die Treppe runter und durch die Küche, der reinste ICE. Sie kramte was aus dem Kühlschrank, schlug die Tür zu, dass die Flaschen und Gläser im Seitenfach nur so schepperten und kam zu mir mit einer Flasche Sprudel in der Hand. Sie rangierte hinter meinem Rücken vorbei und stellte die Flasche betont sachte auf den Holztisch. Sie hatte sich herausgeputzt, in eines meiner Lieblingskleider geschmissen, das grüne, ärmellose, anschmiegsame aus Viskose, und die Haare hochgesteckt, als sei ihr zu heiß, als brauche sie einen kühlenden Hauch im Nacken, einen Schauer, den Anflug eines Abenteuers, das glücklich ausgeht. Ihr Nacken schien mir jetzt die Landebahn, die man der Zukunft bauen soll, zu sein, eine ungeschützte, verletzliche Stelle, auf der meine Küsse landen wollten, meine Küsse, nur meine, auch wenn es nur Küsse aus der Zukunft waren. Ihr Haar schimmerte rotgolden in der Nachmittagssonne, wie zum Beweis, dass sie die schönste Frau unter dem Himmel war und ich der größte Idiot, der im Staub der Erde herumkroch. Die Amsel trällerte eine melancholische Melodie in diesen unendlich leeren Moment, als hätte sie sie eigens für uns komponiert. Alice drehte sich zu mir um. Tränen liefen aus ihren ungeschminkten grünen und manchmal auch grauen Augen, je nachdem, welche Farben sie trug und wie das Licht gerade stand. Sie kullerten über ihre Sommersprossen. Und meine Tränen blieben in meinem Brustkorb stecken. Ein weiterer Stau von Körperflüssigkeit. Meine Augen brannten, doch ich zwang mich, sie anzuschauen, diese Maske aus verletztem Stolz, die Alice trug und mit der sie mich verbannte: Wage es nicht, mich zu lieben. Begehre mich, aber komm mir bloß nicht zu nahe. Und komm mir jetzt schon gar nicht mit irgendwelchen Erklärungen. Und fass mich nie wieder an, frühestens erst wieder in drei Wochen, aber nur, wenn du deine verlorene Seele bis dahin gerettet hast und wieder einen hoch kriegst und zwar für meine Version von Liebe und Vereinigung. Und wehe, du versuchst jetzt, mir einen dummen Kuss zu geben. Du würdest eine Viper küssen!

      Nachdem ich diese stillen Mittteilungen vernommen hatte, schaute ich an ihr vorbei zur Amsel, die da anscheinend nur saß, um diese Szene musikalisch zu begleiten. Ständig wiederholte sie ihre Melodie. Ich war so gebannt von ihrem Gesang, dass ich gar nicht mitbekam, als Alice ging.

      Erst als sie mit ihrem Wagen vorne an der Straße vorbeifuhr, wurde es mir bewusst. Ich fuhr mir mit der Hand durch den Nacken, bemerkte den Schweißfilm und dann den schalen, bitteren Nachgeschmack des Biers im Mund. Alice hatte das

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