LANDEBAHN. Stefan Gross

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LANDEBAHN - Stefan Gross

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Neskovic, dem Lübecker Richter, über die gesellschaftlichen Schäden, die die Kriminalisierung von Cannabis anrichtete. Sie plädierten für Coffee-Shops wie in Holland. Wo ich auch die Samen bestellte. Die beiden rauchten selbst, häufiger als sie zugaben, jedenfalls Sabine. Sie versuchte, es zu verschleiern und wollte mir weismachen, dass sie nur manchmal bei Sessions kiffte. Sessions, das waren nach Sabines Definition Partys, bei denen es um echte Freundschaften ging und nicht ums Abhängen, Anmachen und Abschleppen. Sie war in diesen Dingen sehr offen zu mir, auch Thomas gab sich offen bei der Aufklärung. Als ich Kind war, so richtig Kind, mit eigenem unkontrolliertem Kopf und unbändiger Kraft, hatten sie viele FKK-Urlaube auf Sylt mit mir verbracht und mir gepredigt, ich solle mich wohlfühlen im Gotteshemd, wie Thomas das nannte. Als ich mit zwölf befürchtete, ich habe eine Phimose, hatte Thomas mir meine Befürchtungen genommen, indem er mir sein Exemplar vorführte bis zur Erektion und ich erkannte, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Wir begegneten uns in dieser Zeit, als ich mich in einen Mann verwandelte, öfter als früher nackt im Haus, zufällig, wie es schien. Nackt waren wir immer schon im Obergeschoss herumgelaufen, wo die Schlafzimmer und das Bad waren, aber ich konnte mich nicht erinnern, dass Sabine auch unten in der Wohnung nackt rumgelaufen war, was jetzt öfter vorkam. Und wenn die beiden Sex hatten, ließen sie bisweilen scheinbar zufällig die Tür auf, bis ich mich genötigt sah, ihnen zu sagen, dass es mich störe. Ich wollte keinesfalls in den Sex von Sabine und Thomas reingezogen werden, psychisch versteht sich, denn sie zogen mich in ziemlich viel rein. Ihr Glaube, es wäre gut für mich, wenn sie möglichst viele ihrer Themen (meistens waren es Probleme) mit mir teilten, war so fest und unerschütterlich wie der Glaube tüchtiger Protestanten an den Segen unermüdlicher Arbeit. We want to share it with you, wollte Sabine es mir sogar auf Englisch schmackhaft machen. Sie sprach gerne und häufig Englisch mit mir und das törnte mich immer ziemlich an. Aber dass sie beide viel häufiger kifften, als sie zugeben wollten und darüber überhaupt nicht mit mir redeten, störte mich. Im Haus rauchten sie nicht, das war klar, aber im Gartenschuppen, aus dem der markante Duft dann durchs gekippte Badezimmerfenster reinzog.

      Als meine ersten Pflanzen reif waren, lud ich sie deshalb zu einem Joint ein. Es war Zeit für ein Sharing. Aber die beiden heuchelten mir was vor, angeblich müssten sie gleich los zu irgendwelchen Terminen und bevor sie abrauschten, wiesen sie mich an, doch auch besser im Gartenschuppen und nicht im Haus zu rauchen. Ich hielt mich dran, fand dort aber keinerlei Spuren von den beiden, nicht mal einen Aschenbecher, obwohl Sabine ja auch Selbstgedrehte rauchte. Meine Pflanzen in meinem Zimmer am großen Fenster zum Garten hin gediehen prächtig. Manchmal stellte ich sie in den Wintergarten, wo sie noch prächtiger gediehen. Doch als sich der intensive Geruch, den diese wundervollen Pflanzen im ganzen Haus verströmten, nicht mehr mit Salbei und Orangenduft wegräuchern ließ, kamen den verbeamteten Lehrern Sabine und Thomas dann doch Bedenken. Sie beschlossen, dass ich die Pflanzen besser auf den Dachboden ans geöffnete Giebelfenster stellen sollte. Dort war es eigentlich zu dunkel, aber was wollte ich machen.

      Ich erledigte das an einem Nachmittag mit Sabine, Thomas war noch unterwegs. Als wir alle Pflanzen oben hatten, fing sie an, mit mir zu flirten. Meine geschärften Sinne für Zusammenhänge machten mir das schnell klar. Aber vielleicht war Flirten ja auch Erziehungsarbeit. Also versuchte ich, ihr zuzuhören, was mir eine nicht unerhebliche Fähigkeit beim Flirten zu sein schien. Entscheidend war, dass man sich ein bisschen was verriet, sonst funktionierte das nicht. Ich habe ja wohl doch mitbekommen, dass sie öfter auch hier im Haus mal einen kleinen Joint durchziehe und wie sehr sie mich bewundere für meinen gewissenhaften Umgang mit dem Thema. Ich fühlte mich durchaus geehrt und schlug vor, eine Hausarbeit in Bio über mein Cannabisprojekt zu schreiben, was Sabine aber schnell verhinderte. Das solle ich mir für später aufheben, wenn ich erwachsen sei und studiere. Ich war fünfzehn. Wie lange sollte man denn noch mit dem Studieren warten? Die Berliner Lehrer waren offenbar doch noch nicht ganz so weit. Jetzt jedenfalls wollte sie hier oben einen Joint mit mir rauchen und ich ließ mich breitschlagen. Als Dank bekam ich eine ziemlich erwachsene Umarmung und einen Kuss auf die Lippen. Körperlicher Kontakt zwischen uns war inzwischen selten geworden. Es war ja nicht ganz einfach, mit einer attraktiven Stiefmutter unter einem Dach zu wohnen, wenn man männliche Bedürfnisse hatte, für die man sich schämte.

      Sabine mit ihren dunklen Haaren und ihrem dunklen Teint sah mir ein bisschen ähnlich. Ich mochte ihren Geruch und den Druck ihrer Brüste in der Umarmung. Sie hatte mich daran nuckeln lassen als Säugling, um mir das Gefühl zu geben, meine echte Mama zu sein. Ich habe sie aber wohl nicht besonders gemocht. Sie erzählte mir diese Geschichte bei zig Gelegenheiten und dann sollte ich ihren traurigen Blick aushalten. Ich konnte aber kein Mitleid für Sabine empfinden, dafür, dass sie keine Kinder bekommen konnte und mit mir Vorlieb nehmen musste. Denn mein Schicksal war härter als ihres. Wir waren eine Zweckgemeinschaft, mehr nicht und damit musste auch Sabine sich abfinden. Thomas kam damit wohl besser zurecht. Jedenfalls hat er nie mit mir darüber reden wollen, dass er nicht mein Vater war. Aber Sabine, das spürte ich, wollte mehr von mir, wollte, dass ich ihr richtiges Kind sei. Und je mehr sie das, was ich ihr nicht geben konnte, von mir verlangte, und alles in ihr verlangte danach, desto stärker verweigerte ich mich. Wir hatten also oft Streit und vergossen beide Tränen, nur um uns wieder versöhnen zu müssen, uns umarmen zu müssen, um die Schockwellen zu dämpfen. Und um uns Versprechungen zu machen, in Zukunft besser aufeinander aufzupassen und wenigsten ein paar Zärtlichkeiten und Berührungen zuzulassen, weil wir doch eine Familie sein wollten. Ich brauchte ihren Kontakt, denn mit Thomas hatte ich so gut wie keinen. Ich wusste überhaupt nicht, wie er sich anfühlte. Er hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit mir. Er war ein blasser, hagerer, schlaksiger Riese von knapp zwei Metern Länge und hatte etwas von einem misslungenen Versuch an sich. Er war stets um Haltung und ein wenig Eleganz in seinen Bewegungen bemüht, um nicht gleich lächerlich zu wirken. Wir passten einfach nicht zusammen, aber auch ihn mochte ich irgendwie, ein Irgendwie, über das ich mir zu oft den Kopf zerbrach. Ich kam an diesen seltsamen Riesen einfach nicht ran und hielt mich auch deshalb lieber an Sabine.

      Sabine gab mir ihren Tabak und Blättchen. Ich versuchte, eine Zigarette mit ein bisschen Gras drin zu drehen, stellte mich aber ziemlich unbeholfen an. Ich bevorzugte nämlich Tees mit Gras und wenn ich es rauchte, dann nur aus einer kleinen Graspfeife ohne Tabak. Als ich sie zwischen meinen hektischen Fingern zerkrümelte und das Ding in den Mülleimer schmiss, wir hatten ja genug davon, reagierte sie fast ungehalten. Sie baute sich dann selbst aus drei Blättchen mit einer Geschicklichkeit einen Joint, die mich staunen ließ. Sie rauchte ihn fast alleine. Ich zog nur ein paar Mal kurz aus Höflichkeit. Ich sah die Angelegenheit durchaus wissenschaftlich und handelte verantwortlich. Sabine ging ziemlich ab. Sie sang, tanzte und flippte auf dem Dachboden herum und erzählte mir, so gehe es auch öfter in ihrer Frauengruppe ab. Und sie erzählte Witze, die ich nicht ganz verstand, weil man im bekifften Zustand automatisch vergaß, den anderen den Kontext, in dem man sich gerade über irgendwas kaputtlachte, zu vermitteln. Wie gesagt, ich war an dem Thema durchaus wissenschaftlich dran. Und schließlich setzte sie sich und fragte mich ganz direkt, ob ich nicht Lust hätte, den Anbau ein bisschen zu perfektionieren, nur so, für den Hausgebrauch. Thomas sei auch einverstanden, Thomas käme bei seinen Tai-Chi-Übungen mit ein bisschen was intus viel besser zurecht. Auch bei der Liebe tue ihnen ein bisschen Dope im Kopf ebenfalls ganz gut. Sie fänden es also viel besser, wenn sie sich aus eigenem Anbau versorgen könnten. Das Beschaffen läge ihr nämlich überhaupt nicht und Thomas erst recht nicht. Ich war natürlich einverstanden. Als Dealer hatte man immer ein ganz gutes Standing, aber ich würde daraus nie ein großes Ding machen. Ich war nicht zum Dealen gemacht, ganz anders als Mirko.

      Ein paar Tage danach kam Thomas mit einem ziemlich großen Paket zu mir und wir bauten eine Homebox auf, ein kleines Gewächshaus aus weißem Polyestergewebe, ausgestattet mit Pflanzenlampen und einer kleinen Lüftungsanlage. Auf der Verpackung war ein hübsches Foto von dem Ding in Betrieb zu sehen, mit Tomatenstauden, Basilikum und Schnittlauch auf drei Ebenen. Ich musste es auf zwei Ebenen umbauen, aber sonst war es perfekt.

      Das war die Zeit, als meine Welt in dem Haus in Lankwitz mit Sabine und Thomas unter einem Dach weitgehend in Ordnung war und ich die grundsätzlichen Umstände meines Lebens nicht weiter belastend fand. Ich begann, aus den Blüten Öl zu destillieren. In der Küche der Souterrainwohnung

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