Fünf Minuten vor Mitternacht. Celina Weithaas

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Fünf Minuten vor Mitternacht - Celina Weithaas Die Chroniken des Grauen Mannes

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seine Nähe. Mehr als alles andere. Ich seufze leise auf und nicke. „Das wäre schön.“

      Eine kleine Ewigkeit stehen wir nah beieinander, beobachten das Treiben unter uns auf der Straße. Menschen, Autos, Lichter. Wie alles problemlos nach ein paar Signalen funktioniert, hunderte wie ferngesteuert verharren, nur um mit dem nächsten Klick los zu hasten, das Handy an das Ohr gepresst und aufgeregt gestikulierend. Ein erbärmliches Leben, weit unter dem Standard, den sie sich hätten erarbeiten können. Wir sind die Herrscher über die wuselnden Gestalten Meter unter uns. Ihr König und ihre Königin.

      „Wann bist du gestern Nacht losgegangen?“, fragt Achim mich schließlich leise und kreist mit den Daumen über meinen Oberarm. Ein leichtes Drücken zieht sich durch meine gut überdeckten Blutergüsse. „Kurz nachdem du eingeschlafen bist“, gestehe ich ihm leise. „Es kam mir so vor, als würde ich verrückt, wenn ich nicht sofort dieses Apartment verlasse.“ Achim nickt gedankenverloren. „Hat dich jemand gesehen?“ Ja und nein. Gesehen mit Sicherheit, erkannt unter keinen Umständen.

      „Ich bezweifle, dass man mit mir mitten in der Nacht auf offener Straße in einem eher bescheidenen Aufzug rechnet, während es in Strömen regnet.“ Ein Fetzen Sorge bleibt dennoch. „Hast du gesehen, was die Presse schreibt?“ Achim schüttelt knapp den Kopf und zieht mich näher an sich. Seine Körperwärme sickert langsam in mein Blut und entspannt die Muskeln. „Wir können das nachher gemeinsam überprüfen.“ Ich glaube, diesen Satz habe ich noch nie aus seinem Mund gehört. Auf eine seltsame Art und Weise macht er mich glücklich. Diese Aussicht mit ihm gemeinsam zu arbeiten, klingt wie das Versprechen an uns, ein Team zu bilden. Es wirkt fast, als sollte ich demjenigen, der mir die fraglichen Rauschmittel in den Champagner mischte, dankbar sein. Allein er hat zu verantworten, dass Achim nicht vorhat, mir die nächsten Tage von der Seite zu weichen. Wer auch immer die Schuld an meinem Aussetzer trägt, hat mir Achims Nähe geschenkt. „Das wäre wundervoll“, wispere ich. Wieder dieses ratlose Schweigen. Achim und ich unterhalten uns selten, wenn, dann über steigende und fallende Kurse, die anstehende Gesellschaft oder die mögliche Kleiderordnung. Vielleicht noch über unsere Bildungswege und die neuesten Meldungen. Aber persönliche Dinge? Die sind uns fremd. Wir haben beide gelernt, dass es am besten ist, wenn wir wenig miteinander zu tun haben. Geheimnisse halten eine Beziehung aufrecht und gerade eine Liebe vor der Weltpresse, hat distanziert und geheimnisvoll zu wirken. Es geht niemals um unsere eigene, kleine Romanze, sondern die, die die Redakteure und Papparazzi daraus machen. Wir haben ein weißes Blatt Papier zu sein, das von Fremden beschrieben wird.

      Diese Aktion, das Absagen des Meetings, verstößt gegen alles, was man uns eintrichterte. Diese Gewissheit lässt mich gleichzeitig schwindelig und überglücklich sein.

      „Wie fühlst du dich?“ Achim schaut mich mit einem verbindlichen Lächeln an. Es ist die Frage, die er immer stellt, wenn ein Gespräch ins Stocken gerät. „Hervorragend. Es ginge kaum besser.“ Das ist die gleiche Antwort, die ich jedes Mal gebe, wenn man sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt.

      Achim nickt und sieht wieder hinaus auf die Straße. Der nächtliche Regen ist abgezogen und hat düsteren Wolken Platz gemacht, durch die sich hin und wieder ein weicher Sonnenstrahl stiehlt. Sie erinnern mich vage an die fernen Blitze aus meinem Fiebertraum.

      „Könntest du dir eine Zusammenarbeit mit einem der Anwesenden vorstellen?“, leite ich das Gespräch auf für uns bekanntes Terrain. Sofort entspannt sich Achim und sucht den Blickkontakt. „Die ungarischen Oligarchen sind beide gleichermaßen dumm und fahrig. Es sollte genügen, wenn deine Eltern sich mit ihnen befassen. Irgendwann endet deren Glückssträhne.” Achim räuspert sich. „Der spanische Monarch ist in erster Linie auf sein Prestige aus und die italienischen Neureichen scheinen mir weder erfahren noch allzu clever zu sein.“ Achim macht eine kleine, wegwerfende Bewegung mit dem Kinn. „Wir sollten uns auf Monsieur Depót und seine Kreise konzentrieren. Sie mögen riskanter, aber auch um ein Vielfaches erfolgsversprechender sein. Außerdem“, Achim schenkt mir ein kleines Grinsen, das selten zu seinem Repertoire gehört, „Französisch spreche ich, mit Ungarisch tue ich mich noch immer schwer.“ Dem kann ich nur zustimmen.

      Grinsend zupft Achim an dem türkisfarbenen Rock meines Kleides. Es ist gewagt für einen formellen Anlass, endet kurz über den Knien und dabei sei es dahingestellt, dass es sich um eine Haute Couture Kreation handelt. Für diesen Brunch ist das Kleid zu kurz und gerade deswegen von mir geliebt. Die Länge und das Design meiner Garderobe sind die einzige Form, in der ich es wage, zu rebellieren. Und selbst diese feinste Rebellion zettle ich nur an, um mit Sicherheit in das Programm eines jeden privaten Senders eingebunden zu werden.

      „Warum trägst du keine der Roben, die ich dir in Mailand gekauft habe?“, fragt Achim mich mit einem sanften Lächeln. Weil mir sowohl das Weiße als auch das Burgunderrote zu majestätisch für diesen Anlass erschienen. „Ich habe mich wohl einfach in dieses hier verliebt“, antworte ich glatt und lege Achim die Arme um den Hals. „Heute bietet sich eine der seltenen Gelegenheiten, es auszuführen.“

      Achim zieht eine Braue hoch. Wir wissen beide, dass mein Vorwand nicht der Wahrheit entspricht. Achims Kuss fühlt sich jedoch so ruhig und weich an, dass mein Kleid in den Hintergrund rückt. Nichts zählt mehr außer seiner Berührung und dem Wissen, dass ich sie noch eine Woche werde genießen dürfen. Eine Woche lang an Achims Seite, ihn küssen, seine Stimme hören, mich in seinen Berührungen verlieren. Ein unbezahlbarer Luxus.

      Das Blitzen einer Kamera reißt mich aus meinem Traum. Achim und ich setzen beide ein strahlendes Lächeln auf, nahezu gleichzeitig, ehe wir uns voneinander lösen und uns den Fotografen stellen. Es sind lediglich zwei. Mein Verlobter nimmt den gebührenden Abstand ein, während Auslöser klacken und Lichter durch den Korridor tanzen.

      Die Fotografen rufen uns zu, bitten um ein Gespräch oder eine bestimmte Pose. Sie haben bereits mehr als genug von uns bekommen. Bestimmt greift Achim nach meiner Hand und führt mich zurück in den Speisesaal. Noch heute Abend wird unser Kuss weltweit zu sehen sein. Ein mahnender, wenn nicht gar enttäuschter Blick meiner Eltern ist mir gewiss.

      7

      „Darf ich erfahren, wo ihr beiden euch die letzten Minuten aufgehalten habt?“ Vater hat sich zu mir hinübergebeugt, während ihm Weißwein zu dem dargebotenen Fisch eingeschenkt wird. „Wir haben uns lediglich unterhalten.“ Kurz zögere ich. „Achim wird die kommende Woche mit mir verbringen. Es gilt einiges vorzubereiten, bevor wir allein auf Monsieur Depót treffen.“ Vater rollt leicht den Kopf, ehe er noch ein Stück näher zu mir rückt. Achim wirft ihm einen pikierten Blick zu. „Mister Jamesons Meeting ist von außerordentlicher Bedeutung.“ „Das Wohlbefinden meiner Verlobten ebenfalls“, antwortet Achim für mich. Ein winziges Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. Selbstverständlich, Achims Nähe dient in erster Linie dem Zweck, dass er in Erfahrung bringt, was die letzte Nacht mit mir passiert ist. Ich nehme jede Unannehmlichkeit hin, wenn das bedeutet, dass man mich nicht zu Einsamkeit verdammt. Mein Vater lehnt sich in seinem Stuhl zurück und schwenkt den Wein im Glas herum. Das sanfte Aroma steigt mir in die Nase. Sollte ich gar nichts trinken, wird man vermuten, ich wäre schwanger oder hätte einen Kater von der letzten Nacht. Ich winke den Kellner heran, damit er mir einen Schluck einschenkt. Er folgt mir aufs Wort.

      „Dieses Thema werde ich gemeinsam mit Achim diskutieren”, sagt Vater. „Auf dich wartet ein Gespräch mit dem jungen Gioseppe Riva. Mit Sicherheit wird er erfreut sein.“ Nach unserem gestrigen Aufeinandertreffen kaum. „Wir hatten bereits das Vergnügen.“ Der Wein erblüht mir auf der Zunge und läuft angenehm kühl den Rachen hinab.

      Ein wundervoll süßliches Geschmackserlebnis.

      „Ich erwarte es dennoch von dir. So gebietet es der Anstand.“ Mein Vater wirft mir einen der häufigen Blicke zu, die keinen Widerspruch dulden. Ich presse die Lippen fest aufeinander und bedeute dem Kellner, meinen Stuhl zurückzuziehen, ehe ich den Tisch umrunde und mich zu demjenigen

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