MAGNETSTURM. T. H. Isaak

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MAGNETSTURM - T. H. Isaak

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zur Stelle. Gemeinsam mit den Feuerwehrleuten öffneten sie die Flugzeugtüre. Es bot sich ein schreckliches Bild.»

      Stumm und fassungslos schüttelt der Bürgermeister den Kopf.

      «Wie viele Personen waren an Bord?» will Pavlides wissen.

      «Acht. Sechs haben nicht überlebt. Die anderen zwei haben wir sofort in die unfallchirurgische Abteilung der Universitätsklinik überführt. Einen von ihnen mit schweren Verletzungen.»

      «Den Piloten und wen noch?»

      «Einen Sicherheitsbeamten, der zur ministerialen Leibwache gehört. Es war wohl sein Glück, dass er angeschnallt war. Trotzdem hat’s ihn übel erwischt. Hat einen schweren Schock erlitten. Und mehrere Verletzungen. Knochenbrüche und so.»

      «Und die anderen? Alle tot?»

      «Alle tot. Eine junge Frau atmete noch, als die Rettungssanitäter kurz nach uns hier ankamen. Aber auch für sie kam jede Hilfe zu spät. Sie starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.»

      Pavlides stutzt. «Eine junge Frau?»

      Charalambidis druckst etwas herum.

      «Die Tochter des Vizeministers, wie sich mittlerweile herausgestellt hat.»

       Wieso hat der auf einem Dienstflug seine Tochter mit dabei? Eigenartig. Eine Regierungsmaschine ist doch kein Ferienflieger!

      Und noch etwas hat Pavlides aufhorchen lassen: «Das Flugzeug flog ausserhalb des griechischen Luftraums?»

      «Ja, es überquerte die bulgarisch-griechische Grenze auf der Höhe von Svilengrad.»

      «Der Vizeminister war auf dem Rückflug von einer Dienstreise nach Bulgarien?»

      «Nein, nein! Der Vizeminister war unterwegs nach Moskau. Irgendwo über der bulgarischen Schwarzmeerküste ereignete sich dann dieser schreckliche Vorfall.»

      «Und der Pilot flog die ganze Strecke hierher zurück?»

      «Richtig.»

      «Wieso denn das? Hätte er nicht vor Ort irgendwo landen können? Was weiss ich, in Varna oder Burgas zum Beispiel. Es gibt doch Flugplätze an der bulgarischen Küste, nicht?» wundert sich Pavlides.

      Achselzucken bei Charalambidis. «Das müssen Sie ihn schon selber fragen, Herr Direktor.»

      Das Innere des Flugzeuges lässt Pavlides erschaudern. Was mag hier passiert sein? Ein riesiges Durcheinander. Als hätte ein homerischer Zyklop schwallartig in die Kabine gekotzt. Glassplitter, Bücher, Zeitungen, Schreibmaterial, Notebooks, oder was von solchen übrig ist, Taschen, offene Gepäckstücke, Kleider, zerbrochenes Geschirr, Esswaren, Getränke, allerlei Kleinkram. Alles liegt wirr durcheinander verstreut in der Kabine herum. Zerborstene Holzdekors, verbeulte Innenverkleidungen. Und überall Blut, Spuren schmieriger Flüssigkeiten, Halbverdautes. Der Geruch von frischem Blut vermengt sich mit dem säuerlichen Gestank von Erbrochenem. Ekelerregend.

      «Haben Sie Fotos vom Innern gemacht?» fragt Pavlides Charalambidis.

      Dieser bejaht. Einer der Männer, der als erster vor Ort war, hat zahlreiche Aufnahmen mit seinem Handy gemacht. Auch Filmsequenzen. Sogar während den Reanimationsversuchen der Rettungssanitäter.

      Nicht gerade konform mit den Standard Operation Procedures und den Weisungen des Persönlichkeitsschutzes, aber in diesem Fall sinnvoll.

      Jetzt heisst es Material sicherstellen. Alles. Sofort. Pavlides geht in sein berüchtigtes Befehlsstakkato über. Polizeifotograf?

      Er ist zugegen. Der Mann dort hinten in zivil mit der Reportertasche.

      An Charalambidis gewandt: «Sind Ihre Kripo-Leute da?»

      «Ihnen zu Diensten, Herr Direktor. Drei Beamte der Kriminalpolizei, darunter auch der Teamleiter, Leventoglou.»

      «Wo sind die Leichen?»

      «Alle im Universitätskrankenhaus. Zur Obduktion.»

      Na, ja. Gerade ideal ist das nicht. Pavlides hätte die Situation gerne so angetroffen, wie sie sich den Beamten im ersten Moment präsentiert hatte. Was soil’s. Wahrscheinlich dachten die, dass noch jemand zu retten wäre. Gut gemeint, massig gut ausgeführt. Pavlides wendet sich an Jorgos Kapsis, Übername «der Schlächter». Dieser steht auf der Flugzeugtreppe und schaut kopfschüttelnd ins Innere der Kabine. Der Gerichtsmediziner ist Dozent und leitender Arzt des Institutes für Rechtsmedizin an der Aristotelischen Universität. «Jorgos, du wirst die Autopsien leiten. Schau dir die Handybilder und Filmchen des Polizeibeamten an. Und schick mir Kopien davon!» Der Schlächter nickt kommentarlos. Offensichtlich hat auch er noch nie so etwas gesehen.

      Pavlides richtet seine Worte wieder an Charalambidis: «Christos Arambatzis ist von der Spurensicherung. Er wird die Leitung der Untersuchungen vor Ort übernehmen. Ihr Fotograf und Ihr Spurenteam sind ihm ab sofort unterstellt.»

      Charalambidis scheint erleichtert zu sein, dass die Delegation aus Thessaloniki nun das Heft entschlossen in die Hand nimmt. Bei Zwischenfällen, in denen prominente Bürger zu Schaden kommen, kann man als Chef der polizeilichen Behörde in der Provinz eigentlich nur verlieren. Schnell heisst es: Unfähig. In solchen Situationen gibt man die Verantwortung besser ab.

      «Wollen Sie jetzt ins Krankenhaus fahren?» fragt Charalambidis devot.

      «Nein», antwortet Pavlides dezidiert. «Wir warten hier auf den Staatsanwalt. Fragen Sie mal den Tower, wann er ankommt. Und geben Sie der Pathologie Bescheid, man solle die Leichen nicht antasten!» Damit steigt er wieder aus dem Flugzeug. «Ach ja, und besorgen Sie Polizeischutz für die beiden Verletzten.»

       Man kann ja nie wissen.

      Es ist halb eins, als die Maschine des Staatsanwalts landet. Das Flugzeug hält in unmittelbarer Nähe zur Unglücksmaschine. Die Türe geht auf und Miltiades Traianos eilt die Treppe runter. Hinter ihm weitere sechs Personen. Traianos’ Sekretärin, zwei junge Untersuchungsrichter, ein Sicherheitsbeamter und zwei Männer der Flugunfall-Untersuchungsbehörde. Das übliche Aufgebot für solche Fälle. Als Traianos Pavlides erblickt, kommt er sofort auf ihn zu.

      «Pavlides! Schön Sie zu sehen. Eine Sauerei?»

      «Sehen Sie selbst, Herr Staatsanwalt.»

      Pavlides legt seinen Arm um dessen Schulter. Das Männchen ist, so scheint es, seit ihrer letzten Begegnung etwas geschrumpft. Sein Gang aber ist noch immer fest und entschlossen. Der Blick hinter den flaschenbodendicken Brillengläsern unruhig. Suchend. Wie ein elektronisches Kameraauge. Er mag vielleicht schon um die siebzig Jahre alt sein, aber er steht immer noch – unermüdlich – dem Staate Griechenlands zu Diensten. Ein integrer Mann. Das erste Mal begegneten sie sich vor dreizehn Jahren beim Anschlag auf die VERGINA STAR im Hafen von Thessaloniki. Traianos leitete die Untersuchungen auf Staatsebene. Er mag ergraut sein, aber sein Geist ist hellwach. Selbst zu dieser fortgeschrittenen Tageszeit.

      Traianos äussert sich, die Hochsprache gebrauchend, schockiert über den ihm gebotenen Anblick. Der gewaltsame Unfalltod des Vizeministers Kranidakis macht ihm sichtlich zu schaffen.

      «Ich kann es kaum fassen», meint er mit leiser, gepresster Stimme, als er sich, mitten im Chaos stehend, umsieht. «Nassios

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