MAGNETSTURM. T. H. Isaak
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«Bis auf Sie und den Sicherheitsbeamten des Vizeministers sind leider alle beim Zwischenfall ums Leben gekommen. Es tut mir leid.»
Apathisches Nicken von Marangos.
«Noch eine Frage», mischt sich Traianos wieder ins Gespräch ein. «Wissen Sie, wozu der Vizeaussenminister nach Moskau flog?»
Kopfschütteln. Nein, darüber würden Piloten nicht unterrichtet werden. Wie gesagt, ihre Aufgabe bestünde lediglich im Transport der Amtsträger. Und sonst gar nichts. Verbitterung in seinen Gesichtszügen.
Aris Asimoglou
Kurz nach halb elf ist es soweit. Der Tross des Verteidigungsministers fährt ein. Wie eine Soldateska. Aris Asimoglou ist eine kontroverse Gestalt. Jovial, auf Äusserlichkeiten bedacht, immer für einen unpassenden Spruch zu haben. Er pfeift auf politische Korrektheit, nennt den Oppositionsführer schon mal einen Mistkäfer und seine eigenen Parteikollegen Aasgeier, die nur auf seinen Posten aus seien. Zu Frauen hegt er ein unverkrampftes Verhältnis. Kürzlich nannte er auf einer Inspektionstour in Salamis vor laufender Kamera eine Offizierin der Marine ‚Bouboulina’ und kniff sie belustigt in den Po. Ihn umgeben zahlreiche Stiefellecker, die er verachtet, dank derer er aber sein Image aufrechterhalten kann. Asimoglou ist ein neoliberaler Karrieremensch, der den Aufstieg alleine geschafft hat: Ein Selfmademan. Aus einer smyrneischen Immigrantenfamilie stammend. Vater mässig erfolgreicher Textilhändler, dem Raki zugeneigt. Mutter, gute Seele, Hausfrau.
In einem Athener Aussenbezirk aufgewachsen, studiert er Chemie und betreibt nebenbei in einer Lagerhalle seines Vaters ein kleines Labor, wo er Kunststoff herstellt und in Formen presst. Dies geschieht zu einer Zeit, da die meisten Kommilitonen ihre Zeit mit unergiebigen politischen Diskussionen und sinnlosen Demonstrationen vergeuden. Asimoglou hingegen nutzt die beschränkten Freiheiten, die das diktatorische Obristenregime seinen Bürgern bietet. Vor allem die steuerliche Begünstigung für Unternehmer. Er gründet eine Firma, die Plastikteile und Isolationsmaterial produziert. Einfache Produktionsverfahren, tiefe Löhne, fehlender Arbeitnehmerschutz und eine wachsende Nachfrage nach billigen Kunststoffprodukten im In- und Ausland wirken sich positiv auf das Geschäft aus. Aus einer Produktionshalle werden zwei. Dann drei. Erste Kontakte zur ausländischen Geschäftswelt werden geknüpft. Das investitionsfreundliche Klima der jungen, griechischen Republik fördert dann ab 1976 abermals seinen rasanten Aufstieg. Und bald schon besitzt er ein stattliches Fabrikareal von mehreren tausend Quadratmetern ausserhalb Athens in Elefsis. Grossinvestitionen. Die Produktionsprozesse werden rationalisiert. Der Rest ist nur logische Konsequenz: Der Umsatz vervielfacht sich. Geldanlage in Immobilien, Nachdiplomstudium an der New Jersey City University, Executive MBA. Diversifizierung. Danach Einstieg in die Politik. Acht Jahre Abgeordneter der konservativen Nea Dimokratia im Parlament. Und schliesslich – vor drei Jahren – Ernennung zum Verteidigungsminister. Dabei hat er nicht einmal Militärdienst geleistet. Wegen eines längst verheilten Oberschenkelbruchs, den er sich als Jugendlicher bei einem Motorradunfall zugezogen hatte, wurde er dienstuntauglich.
Dass er jedoch über ausgesprochene Führungsqualitäten verfügt, ist unbestritten. Dies hat er mit dem Aufbau seiner Firmengruppe auf eindrückliche Art und Weise bewiesen. Um die eintausend Mitarbeiter zählt die ASIMOGLOU GROUP ABEE. Sein Erfolg und seine grosszügigen Parteispenden verhalfen ihm zum Posten des Verteidigungsministers. Das operative Geschäft hat er seinen Töchtern und deren Familien übertragen. Selbst in Griechenland ist es nicht erlaubt, gleichzeitig Minister und Wirtschaftskapitän zu sein. Obwohl es ansonsten natürlich anzustreben wäre.
Vor dem Eingang zur Intermediate-Care-Abteilung treffen Asimoglou und seine Entourage, begleitet von Klinikdirektor und Chefarzt, auf das Team des Staatsanwaltes und Pavlides.
«Ah, wen haben wir denn da? Traganos (griech.: knusprig), den Staatsanwalt», witzelt Asimoglou, indem er Traianos’ Namen in einen Kalauer packt. Man wird den Eindruck nicht los, dass sich hier das erste einer ganzen Reihe von Fettnäpfchen befindet, in die der Verteidigungsminister zu treten weiss. Die Stiefellecker schmunzeln, lächeln selig oder wiehern belustigt. Die Presseleute sind irritiert. Traianos seufzt. Pavlides lässt sich nichts anmerken.
«Der Chefarzt hat mir soeben von der Tragödie erzählt. Ich bin schockiert. Ein geschätztes Kabinettsmitglied ist von uns gegangen. Ein schmerzlicher Verlust. Steckt menschliches Versagen hinter der Katastrophe?»
Traianos, eingedenk der Tatsache, dass die Presse um sie herumsteht, antwortet diplomatisch: «Noch ist nichts ausgeschlossen, Herr Minister. Wir werden alle Möglichkeiten überprüfen. Ich habe deswegen auch einen erfahrenen Kriminalisten im Team, Herrn Pavlides, Direktor der Kriminalpolizei von Thessaloniki. Er soll strafrechtlich relevante Handlungen im Zusammenhang mit den tragischen Ereignissen aufklären.»
Der Minister grunzt etwas Unverständliches.
«Und selbstverständlich sind die Teams der Spurensicherung und der Flugunfalluntersuchung seit gestern Nacht pausenlos im Einsatz.»
«Gut, gut.» Asimoglou klopft dem Staatsanwalt gönnerhaft auf die Schulter und mustert Pavlides mit einem Lächeln. Dann wendet er sich an den Klinikdirektor, der neben ihm steht. «Und wo ist nun der Pilot? Er soll wissen, dass wir, und ich denke, ich spreche hier für alle Bürger und Steuerzahler dieses Landes, hinter ihm stehen. Trotz der tragischen Umstände ist es ihm gelungen, schlimmeres zu verhindern. Er konnte das teure Flugzeug sicher landen. Eine ganz passable Rettungsaktion, wie mir scheint.» Fettnäpfchen Nummer zwei.
Nicht alle können ins Zimmer des Piloten. Die Kameraleute dreier Fernsehsender drängen sich durch die Tür, kaum haben Asimoglou und der Klinikdirektor das Zimmer betreten. Weitere Reporter und Journalisten stossen nach. Blitzlichtgewitter.
«Mit Würde, meine Herren! Seien Sie nicht so pietätlos», ermahnt Asimoglou die Presseleute und tritt ans Krankenbett des Piloten heran. Dieser öffnet träge seine Augen. Ein Mann neben dem Verteidigungsminister, der wohl zu seinem inneren Kreis gehört, gibt den Journalisten ab sofort Anweisungen, was sie zu tun und wo sie zu stehen haben. «Sie hier, Sie dort! Keine Fotos von hinten oder im Profil! Nicht zu nah heran! Hallo, Sie dort! Abstand!»
Der Minister beugt sich über das Bett und ergreift die rechte Hand des Piloten. Blitzlichtgewitter. Er richtet einige tröstende Worte an den Patienten. Blitzlichtgewitter. Macht eine ernste Miene. Blitzlichtgewitter. Blickt nie in die Kameras, sondern immer auf den verletzten Piloten. Zwischendurch wendet er sich an den Klinikdirektor und stellt ihm ein paar Fragen. Als wäre er selbst Klinikdirektor und der Klinikdirektor ein unbedeutender Abteilungsarzt. Er runzelt die Stirn, hakt nach. Bückt sich runter zum Patienten. Nickt verständnisvoll, als dieser ihm etwas sagen will. Tätschelt seinen Arm. Ein einziges Theater. Aufgeführt für die Medien, deren Vertreter fleissig auf die Auslösetaste drücken. Kaum zwei Minuten später ist der Spuk vorbei und alle stehen wieder im Flur vor dem Krankenzimmer.
«Und wo ist der zweite Überlebende?» will der Minister nun wissen.
«Er wird gerade operiert», antwortet der Staatsanwalt.
Gleichgültiges Schulterzucken.
«Hektor, sieh dir mal die Bilder der Fotografen an. Ist da was Brauchbares drunter, das wir auf unsere Homepage laden und auf Twitter posten könnten?» Der Verteidigungsminister wendet sich an den Mann, der nie von seiner Seite weicht: Hektor. Pavlides’ Blick fällt auf Hektors’ Badge. Hektor Migas, Pressesprecher. Nochmals das Gesicht. Ja. Stimmt. Das ist er. Der Pressesprecher des Verteidigungsministers. Er hat sein Gesicht hie und da mal in den Nachrichten gesehen. Im Zusammenhang mit Medienkonferenzen